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Vorentscheid

ESC-Kandidat: Wer ist eigentlich Michael Schulte?

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Kultmoderator Peter Urban glaubt: Der 27-Jährige beendet die deutsche ESC-Pleitenserie
Veröffentlicht:23.02.2018, 20:20

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Wer? So reagierten am Freitag viele Menschen, als sie den Namen des deutschen ESC-Kandidaten hörten. Michael Schulte hatte sich im Vorentscheid deutlich gegen die Konkurrenz durchgesetzt. Nun wird der 27-Jährige beim Eurovision Song Contest am 12. Mai in Lissabon auf der Bühne stehen. Die Erwartungen sind groß.

In den vergangenen Jahren ging Deutschland beim ESC mit austauschbaren Beiträgen baden. Man würde wohl schwer jemanden finden, der die Liedbeiträge der drei Interpretinnen Levina (2017, vorletzter Platz), Jamie-Lee (2016, letzter Platz) und Ann Sophie (2015, letzter Platz) aus dem Stegreif singen könnte.

Nun also Michael Schulte. Sein Song „You Let Me Walk Alone“ ist seinem Vater gewidmet, der vor 13 Jahren verstarb. Eine eingängige Ballade – aber nichts, was sich von der Masse abhebt. Gesangsleistung als auch Bühnenperformance wirkten beim Vorentscheid noch ausbaufähig. 2012 landete der junge Mann mit dem markanten Lockenkopf bei der Castingshow „ The Voice of Germany “ auf Platz drei. Er war bereits mit Max Giesinger auf Tour und hat mehrere Alben veröffentlicht.

Die Frage ist allerdings, ob das reicht, um beim ESC konkurrieren zu können. Die andere große Frage, die sich ESC-Gucker stellen, ist: Wieso schickt Deutschland immer wieder Künstler ins Rennen, die schon hierzulande nicht den größten Bekanntheitsgrad haben? Schultes größter Charterfolg gelang 2012 mit „Carry Me Home“. Das Stück schaffte es auf Platz acht der Hitparade. Nun geht es in Portugal darum, Musikfans weltweit zu Begeisterungsstürmen hinzureißen. Ob das gutgehen kann – Zweifel sind durchaus angebracht.

Kritik gibt es auch immer wieder am Auswahlverfahren. Dieses Mal hatte der zuständige NDR ein Expertenpanel samt internationaler Jury vorgeschaltet – komplizierter und bürokratischer geht es kaum. Doch auch die undemokratische Kandidatenkür birgt Risiken. So scheiterte die Teilnahme von Xavier Naidoo 2016 an der Kritik gegen die unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffene Entscheidung. Doch da lag es an der Person Naidoo. Der Sänger hatte sich mit Verschwörungstheorien und einem Auftritt bei den „Reichsbürgern“ unmöglich gemacht.

Beliebigkeit statt Wagemut

Wieso nicht groß denken? Warum nicht mal einen richtigen Star wie Helene Fischer hinschicken? Wieso nicht mit einer derben Band wie Rammstein den ESC aufmischen? Auch das muss keine Garantie für Erfolg sein. Die Popgruppe „No Angels“ landete vor zehn Jahren auch nur auf Platz 23 von 25. Aber es wäre immerhin mal ein Signal.

Es scheint, als ob Deutschland mit dem Rückzug von Stefan Raab der ESC-Mut verlassen hätte. Die Sensation war 2010 perfekt, als die von Raab entdeckte Lena den Sieg holte. Zehn Jahre zuvor landete Raab selbst auf Platz fünf. Seit der TV-Entertainer mit dem Gespür für Hits nicht mehr die Fäden zieht, herrscht Beliebigkeit. Und es sieht nicht so aus, als ob sich das 2018 ändern würde.

Rückenwind von Mr. Grand Prix

Peter Urban kommentiert den ESC seit 1997 im deutschen Fernsehen. Der Musikexperte glaubt, dass Michael Schulte mit seinem Song „You Let Me Walk Alone“ gute Chancen auf einen Erfolg hat, weil der Song authentisch ist. „Da steht ein einfacher Mensch in Jeans und T-Shirt auf er Bühne und singt ein ehrliches Lied“, sagt Urban im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Das sei besser als eine aufgesetzte Inszenierung. Zudem falle der Song auf. „Und beim ESC musst du auffallen.“

Das Stück habe das Zeug zum internationalen Hit. Das zeige das Votum im Vorentscheid. Sowohl die TV-Zuschauer als auch die 100-köpfige Eurovisions-Jury und 20 internationale Musik-Juroren hatten Schulte die maximale Punktzahl gegeben. Dass der Musiker nicht den Bekanntheitsgrad einer Helene Fischer hat, sei unwesentlich: „Michael Schulte hat sehr viele Fans übers Internet erreicht. Heutzutage muss man nicht mehr im Radio präsent sein, um populär zu werden.“ Ob harte Rock-Klänge mal eine Möglichkeit wären, beim ESC herauszustechen? „Bei Lordi hat es damals funktioniert, weil ‚Hard Rock Hallelujah‘ im Kern ein Schlager war“, sagt Urban. Wenn das die finnischen Monsterrocker wüssten...