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Ein Treffen mit YouTuber Chaosflo44

Dornbirn / Lesedauer: 5 min

Schon Zehnjährige geben als Berufsziel YouTuber an – Ein Treffen mit Chaosflo44, einem ihrer Idole
Veröffentlicht:29.04.2018, 18:50

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Der Superstar trägt an diesem Vormittag auf der Frühjahrsmesse in Dornbirn (Vorarlberg) das, was seine Fans von ihm erwarten: Zu einem gewöhnlichen Kurzhaarschnitt gesellt sich eine gewöhnliche Brille mit schwarzem Rand, dazu ein buntes T-Shirt, das den 19-Jährigen mit der markanten Nase wie einen Spaßvogel von der Schulbank wirken lässt. Das freundliche Lächeln und seine ebenso zurückhaltende wie verbindliche Art machen ihn zwar umgehend zu einem sympathischen Gesprächspartner, dennoch bleibt die Frage: Dieser „Lümmel“ soll Millionen Fans haben, die – täglich – seine Videos schauen? Der schon Zugriffszahlen im dreistelligen Millionenbereich für sich generiert hat und dem der Nachwuchs massenweise auf Instagram und Twitter folgt? Der in Österreich den Titel digitale „Person of the Year“ trägt und, nimmt man die nackten Zahlen und die Fangemeinde, derzeit der beliebteste Österreicher in Deutschland sein dürfte? Ja, das ist Florian aus Hollabrunn in Niederösterreich. Für seine Fans: Chaosflo44. Der, wie andere YouTuber auch, die einst üblichen Glamour-Insignien eines Popstars komplett auf den Kopf stellt. Eine Spurensuche.

„Team Melone“ und „Utopia“

Ob bei der Gamescom in Köln oder auf der Frühjahrsmesse in Dornbirn, tritt Chaosflo44 auf, herrscht Kreischalarm. Mehr als tausend Kinder, zumeist zwischen zehn und zwölf Jahren, sind gekommen, sie sitzen auf den Schultern ihrer Väter oder kauern am Bühnenrand, löchern ihr Idol mit Fragen nach „Utopia“, nach dem „Team Melone“ – also mit Insiderfragen. Chaosflo44 ist ein „Let’s Player“, also jemand, der ein Computerspiel ausübt und sich dabei auf YouTube von seinen Fans zusehen lässt. Florian, der seinen Nachnamen nicht nennt, spielt das beliebte „Minecraft“. Ein sogenanntes Open-World-Spiel bei dem der Spieler wie ein virtueller Architekt aus Blöcken eine 3-D-Welt baut, die er erkunden und erweitern kann. „Man kann alles machen, was man will“, schwärmt Chaosflo44 im Gespräch, „bauen, entwickeln, erfinden, Kurzfilme drehen ...“ So weit so gut, aber Moment mal: Der Erfolg von Playern wie Chaosflo44 soll darin bestehen, dass ihm andere beim Spielen – nur zusehen?

Chaosflo-Fan Valentin (10) zuckt mit den Schultern: „Klar, ich kann mir bei Chaosflo44 immer was abgucken. Außerdem hat der Mods (Spielemodefikationen), die sonst keiner hat.“ Der Star selber sieht es so: „Es ist wie beim Fußball. Manchmal will man selber kicken, manchmal aber auch Stars wie Messi oder Ronaldo am Fernseher zusehen.“ Er selber sei zwar nicht der „Ronaldo“ des „ Minecrafts “, aber: „Bei mir ist der Unterhaltungsfaktor wichtig.“ In der Tat hat es einen Erlebnischarakter, sich eines seiner Videos anzusehen. Jeden Spielzug, jede Bewegung in der virtuellen Welt erklärt er atemlos, ruft „Leute, Leute, Leute“ aus, sendet „saftige Grüße“ an seine Zuschauer oder spricht so schnell, dass sich die Stimme ständig überschlägt.

Idol ohne Allüren

Aber ist damit nicht das ideale Idol für Heranwachsende gefunden? Ein Idol ohne Allüren und Skandale, das ein Spiel propagiert, das nur so vor Kreativität strotzt? Mitnichten, sagt die Psychologin Christa Gebel vom JFF – Institut für Medienpädagogik in München. Gebel hat eine Studie erstellt zu dem Thema „YouTube-Stars, Games und Kosten aus Sicht von 10- bis 12-Jährigen“ und dies anhand der Spiele „Minecraft“ und „Clash of Clans“. Dabei hat sie festgestellt, dass der Nachwuchs ein verblüffend hohes Bewusstsein für Kostenfallen, Viren und Hacker besitzt, auch wenn es oft am tieferen Wissen mangele über die Vermeidung der Gefahren.

Was das Spiel „Minecraft“ selber angeht, fällt die Expertin ein gemischtes Urteil: „Die kreativen Möglichkeiten sind enorm. Ich kann mir meine Welt bauen wie bei Lego – und darüber hinaus.“ Allerdings bestehe die Gefahr, sich schon rein zeitlich in dieser grenzenlosen Welt zu verlieren. Überdies lässt sich vom „Kreativmodus“ etwa in den „Überlebensmodus“ wechseln, bei dem Monster, Zombies und mehr brachial bekämpft werden – Stichwort Gewalt.

Wie bei anderen Angeboten auch, ist das Spiel selber am Ende aber nicht unbedingt ausschlaggebend: „Wenn ein Kind in einem aggressionsförderndem Umfeld aufwächst, ist die Wahrscheinlichkeit nun mal höher, dass sich dies auch in seiner Spielweise zeigt“, sagt Gebel. Florian aus Hollabrunn weist solche Ansätze von sich: „Ich vermittele grundsätzlich nur Dinge, die auch mir wichtig sind. Dazu gehört beispielsweise, dass auch Schule wichtig ist“, betont Chaosflo44. Zugleich will er seinen Fans nicht den Eindruck vermitteln, ein Leben als YouTube-Star sei nur ein Spiel. Im vergangenen Jahr hat Florian die Matura (analog zum Abitur) abgelegt, aktuell leistet er Zivildienst in einem Pflegeheim – und treibt weiter die Karriere voran. „Die größte Arbeit ist, die Idee finden und das täglich“, sagt er. Ist die Idee gefunden, dreht er Videos, schneidet, lädt hoch, oft bis tief in die Nacht. Verbunden mit entsprechendem Druck: „Das Motto lautet: Jeden Tag muss was kommen.“

Jenen, die trotzdem von einer Karriere als YouTuber träumen, gibt er mit: „Das Allerwichtigste ist, Geduld zu haben. Es kann Jahre dauern, in denen man unheimlich viel Arbeit reinsteckt, ohne dass etwas dabei rauskommt.“ In diesem Moment wirkt der „Spaßvogel“ mit dem lustigen T-Shirt sehr erwachsen. Und so gar nicht chaotisch.