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Schlossgarten

Ein Schlossgarten wird zu neuem Leben erweckt

Panorama / Lesedauer: 8 min

Eine Prinzessin und eine Modedesignerin geben Schloss Baldern auf der Ostalb seinen Märchengarten zurück
Veröffentlicht:04.07.2020, 12:00

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Es war einmal ein romantisches Schloss, hoch und weithin sichtbar über dem Tal gelegen, dessen Garten einen ganz besonderen Zauber hatte. Die schönsten Blumen blühten auf der Schlossterrasse, im Park wuchsen Pflanzen zu stattlichen Bäumen heran, die in der Talsenke wegen der harten Winter keine Überlebenschancen gehabt hätten. Der französische Gärtner, der den Garten so liebt und pflegt, hat eine wunderschöne Tochter. Ganz unstandesgemäß verliebt sich der schmucke junge Fürst in sie, trifft sich mit ihr regelmäßig in einem versteckten Winkel des Gartens. Als die Liebe der beiden so Ungleichen ans Tageslicht kommt, weigert sich der Fürst, sich von seiner Geliebten loszusagen. Vielmehr heiratet er sie sogar, woraufhin er in Ungnade fällt. Die Strafe folgt auf dem Fuß: Der Fürst muss mit seiner Frau das Schloss verlassen, auf all sein Hab und Gut verzichten. Der Garten wird noch eine Weile gepflegt, doch es scheint, als hätte er mit dem Liebespaar auch seine Seele verloren. Mitte der 1960er-Jahre wird er aufgegeben, fällt in eine Art Dornröschenschlaf.

So könnte ein Märchen beginnen, das aber viel mehr ist, weil es sich tatsächlich so ereignet hat: Die Rede ist von Schloss Baldern im Ostalbkreis, Fürst Ludwig verzichtete auf all seine Rechte als rechtmäßiger Erbe des Fürstentums zu Oettingen-Wallerstein, als er 1823 die bürgerliche Maria Crescentia Bourgin heiratete. Jetzt fehlt nur noch der Königssohn, der den Schlossgarten aus dem Dornröschenschlaf weckt. Den gibt es nicht, dafür aber zwei Frauen: Erbprinzessin Anna zu Oettingen-Wallerstein und Susanne Christner , Designerin für internationale Modelabels. Beide sind Quereinsteigerinnen, aber es gelingt ihnen, mit viel Herzblut und Engagement dem Garten auf einer Fläche von knapp 8000 Quadratmetern wieder Leben im Stil des 19. Jahrhunderts einzuhauchen – und damit in einem Atemzug mit dem weltberühmten englischen Garten Sissinghurst genannt, in der Fachwelt gefeiert zu werden.

Unglaubliche Vielfalt im „Walled Garden“

Es ist ein schöner Nachmittag auf Schloss Baldern, einem der Schlösser der Fürsten zu Oettingen-Wallerstein , einer der ältesten Familien europäischen Hochadels. Die Sonne blinzelt durch die würdevollen alten Bäume des Baldener Arboretums. Erbprinzessin Anna zu Oettingen-Wallerstein steht, das lange blonde Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, in ihrem „Walled Garden“ inmitten ihres Double Borders, also Doppelbeets, dem Herzstück des Gartens. Der Name „Walled Garden“ bezieht sich auf die von Mauern umrandete Anlage, im Frühjahr blühen hier rechts und links des Grünstreifens mit Tulpen, die jedes Jahr neu gepflanzt werden, und beispielsweise Narzissen, mehr als 2000 Zwiebelpflanzen mit Mohn und Goldlack um die Wette. Im Sommer sind es unzählige Phlox-Züchtungen mit besonderen Dahlien, Wildstauden und einem seltenen, tiefblau blühenden Eisenhut, die die Besucher mit einem Farbrausch begeistern. Im Herbst haben Sonnenhut, Rudbeckien, Cannas und viele einjährige Stauden ihren fulminanten Auftritt. Am Ende der langen Sichtachse führt der Weg in den versunkenen weißen Garten, tiefer in achteckiger Form angelegt. Er wird geprägt von Buchseinfassungen und ausschließlich weiß blühenden Pflanzen. Magnolien bilden mit ihrem säulenähnlichen Wuchs eine architektonische Grundstruktur. Weiter geht es über den Pfingstrosengarten, den Rosengarten, den Küchen- und Heilkräutergarten, der an eine Orangerie angelehnt ist, und beispielsweise die Blue Border, in der Blau- und Weißtöne mit Pflanzen wie Rittersporn und Storchschnabel eine neue Farbwelt schaffen. Die Astern kündigen den Herbst an, allerlei Insekten haben ihre wahre Freude an den bunten Pflanzen.

Liebe auf den ersten Blick

„Es war Liebe auf den ersten Blick, als ich Schloss Baldern das erste Mal gesehen habe“, verrät die Prinzessin und schwärmt von dem „romantischen Juwel“, einem Märchenschloss, das „viel Platz für Fantasien bietet und Frohsinn ausstrahlt und von dem aus man einen „beinahe unglaublich schönen Blick“ habe. Gemeinsam mit ihrem Mann Erbprinz Carl-Eugen hat sie vor zehn Jahren die Verantwortung für Schloss Baldern übernommen. Ihre Idee, nach Baldern zu ziehen, verwarf die Prinzessin alsbald, fehlen doch im ganzen Schloss beispielsweise Heizung und sanitäre Anlagen. Die Überlegungen, wie sie Schloss Baldern beleben könnte, das neben fürstlichen Prunkräumen eine der größten historischen Waffensammlungen hat, gingen dagegen weiter. Da traf es sich gut, dass Modedesignerin Susanne Christner, eine begeisterte Pflanzenliebhaberin, Kontakt mit Erbprinzessin Anna zu Oettingen-Wallerstein aufnahm, die sich ebenfalls als sehr naturverbunden bezeichnet. Ob sie nicht ein Stück Land von der Fürstenfamilie pachten könne, lautete die Frage der Modedesignerin. „Das ist schwierig“, antwortete die Prinzessin, die mit Begeisterung den Privatgarten von Susanne Christner besichtigt hatte, um ihr gleich einen anderen Vorschlag zu unterbreiten: Wie wäre es, wenn Susanne Christner im Privatgarten der Fürstenfamilie in Wallerstein im Ries Hand anlegte und diesen verschönerte? Doch das Denkmalamt erteilte den Plänen der Prinzessin eine Absage – der englische Landschaftspark, vom deutschen Gartengestalter Friedrich Ludwig Sckell angelegt, der auch den Englischen Garten in München geplant hatte, dürfe nicht verändert werden. Wenn nicht Wallerstein, dann Baldern, beschloss Anna zu Oettingen-Wallerstein kurzerhand.

Gesagt, getan. Eigens für den Garten gründeten die Oettingen-Wallersteins – sie haben fünf Kinder – eine Firma, legten ein Budget für die Anlage fest, über dessen Höhe die Prinzessin Stillschweigen bewahrt. Ohne große Vorarbeiten – „wir haben nicht einmal Bodenproben entnommen“ – machten sich die beiden Frauen, die auch belächelt wurden, im Oktober 2018 an die Verwirklichung von „ Wallerstein Gardens“. Einen „sehr kreativen Geist“ habe sie mit Susanne Christner an ihrer Seite gehabt, die auch über ein „unglaubliches Farbgefühl“ verfüge, lobt die Prinzessin, die im Schlossgarten auch selbst bei allen nötigen Arbeiten Hand anlegt und beispielsweise dort den Buchs schneidet. „Tränen, Blut und Schweiß“ seien in den Garten geflossen, zumal das Budget „weit über die Grenzen schoss“.

Eine Prinzessin und eine Modedesignerin machen sich ans Werk

Die Prinzessin und die Modedesignerin lassen sich nicht unterkriegen, machen weiter. Geben Pflanzen eine neue Heimat, die sie von ihren Reisen, vor allem nach England, mitgebracht haben. Legen beispielsweise auch eine Stumpery an, die manchen Kleintieren Schutz bietet und deren Charakteristik Baumstümpfe und Wurzeln sind, in denen Farne, wilder Fingerhut und andere Waldpflanzen gedeihen: Auf Schloss Baldern wurden dafür alte Eichenwurzeln aus den Fürstlichen Wäldern gesammelt. „Damit bin ich unseren Mitarbeitern auf die Nerven gegangen“, sagt die Prinzessin lachend und fügt an: „Die Wurzeln, die ich ins Auto laden konnte, habe ich selbst hergebracht.“

„Wallerstein Gardens“, der jetzt schon aussieht, als hätte er schon immer an diesem Platz existiert, öffnet 2019 auf zwei Etagen. Unzählige Insekten und Amphibien sind auf den Schlossberg zurückgekommen – Bienen freuen sich am Blütennektar, Schmetterlinge und Libellen tanzen durch die Luft. Auch Laubfrösche, Molche und Lurche fühlen sich im Schlossparadies wohl. Und nicht nur das: Damit auch Kinder ihre Freude haben, wurde das alte Hühnerhaus belebt. Dort sorgt Coco Chanel, ein Holländisches Haubenhuhn, gemeinsam mit ihren Artgenossen für Aufsehen.

Ruhe und positive Schwingung weitab vom Alltag

Das Schloss und sein Garten seien „immer defizitär“, kein Cent sei damit verdient, betont die Prinzessin. Gleichwohl liege es ihrer Familie am Herzen, „Schloss Baldern mit viel Herzblut zu erhalten, der Öffentlichkeit als Kulturgut erlebbar zu machen und mit Führungen im Schloss und im Englischen Garten Wissen zu vermitteln“. Den Garten bezeichnet Anna zu Oettingen-Wallerstein als „kleines Lebenswerk mit einer ganz eigenen Stimmung, das hoffentlich Bestand hat. Es ist fragiler als ein Bauwerk, denn wir haben hier Lebewesen versammelt, die man hüten, pflegen und lieben muss.“ Die „positive Schwingung“ auf dem Schlossberg mit dem Hauch alter Zeiten lasse sie Ruhe empfinden und den Alltag vergessen, so Anna zu Oettingen-Wallerstein.

Über alledem ist es ihr ein großes Anliegen, dass der aus der Familie verstoßene Fürst und die schöne Gärtnerstochter nicht vergessen werden. „In unserer Welt herrschen Konsum, Profit und Zahlen. Die Liebesgeschichte der beiden zeigt, dass es auch andere Werte gibt.“ Nur folgerichtig ist es deshalb für Anna zu Oettingen-Wallerstein, dass die Besucher an den Platz geführt werden, an dem sich die beiden Liebenden getroffen haben – eine kleine, romantisch gelegene Nische.

„Wallerstein Gardens“ ist Fürst Ludwig und seiner schönen Maria Crescentia gewidmet. Die Prinzessin und die Modemacherin – sie haben dem Schlossgarten seine Seele zurückgegeben.

Wallerstein Gardens kann ab 11. Juli an den drei Juli-Wochenenden jeweils zwischen 12 und 17 Uhr besucht werden.

Weitere Öffnungszeiten werden über die Homepages wallersteingardens.com und fuerstwallerstein.de/schloss-baldern-saison-2020 bekannt gegeben.