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Ravensburg

Mittler zwischen Brüssel und Oberschwaben

Ravensburg / Lesedauer: 5 min

Albert Miller ist Europakoordinator im Landkreis Ravensburg und bemüht sich um EU-Fördergelder
Veröffentlicht:12.07.2013, 17:35

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Ständig klingelt das Telefon in Albert Millers Büro. „Herr Miller, wir machen da was. Gibt’s da Geld von der EU?“ Das ist eine Frage, die der Europakoordinator des Landkreises Ravensburg häufig hört. Dann lehnt er sich zurück und muss antworten: „So einfach ist das aber nicht.“ Während anfangs kaum jemand von seiner Arbeit wusste, ist er bei vielen inzwischen zu einer der ersten Kontaktpersonen geworden, wenn es darum geht, ein Projekt umzusetzen. Denn Albert Miller kämpft um Fördergelder der Europäischen Union für die Region.

Ohne ihn würde es die Schwabenkinder-Ausstellung im Bauernhausmuseum in Wolfegg in ihrer jetzigen Form nicht geben. Ohne ihn hätte Wolfegg nicht knapp eine Millionen Euro aus Brüssel bekommen. Überhaupt wären einige Millionen an EU-Fördermitteln am Landkreis Ravensburg vorbeigeflossen.

Vorreiter in Baden-Württemberg

2001 wagte der Landkreis Ravensburg das Experiment Europakoordinator. Zu dieser Zeit zählte Albert Miller nämlich noch zu den Vorreitern in Baden-Württemberg. „Viele haben damals am Sinn des Postens gezweifelt“, berichtet der Diplom-Verwaltungswirt. Doch eines war klar: Europa ist im Wandel. Gemeinsame Werte, Wirtschaftsverbund und politische Zusammenarbeit – das ist heute die Europäische Union. Doch in der wachsenden Gemeinschaft verloren die kleinen Landkreise zunehmend an Bedeutung. Bundes- und Landesgesetze trugen plötzlich einen EU-Stempel. Was da in Brüssel geschah, war für die Kommunen schwer nachvollziehbar.

„Das Problem an der Sache ist: In der EU ist die kleinste politische Einheit, die wahrgenommen wird, ein Bundesland“, sagt Miller. Beispiel Baden-Württemberg : Das Land hat 35 Land- und neun Stadtkreise. Dazu kommen Metropolregionen wie Stuttgart und ländliche Räume wie Oberschwaben. Sie alle haben verschiedene Interessen. Wie will Baden-Württemberg allen gerecht werden? Das ist die Frage, die man sich 2001 auch im Landratsamt Ravensburg stellte.

Wechsel fiel leicht

Wer den 62-jährigen Miller von seiner Arbeit erzählen hört, merkt schnell, wie sehr sie ihm Spaß macht. Der Wechsel vom stellvertretenden Leiter des Umweltamtes über den Mann für Spezialaufgaben in der Verwaltungsreform zum Europakoordinator fiel ihm leicht. „Europa hat mich schon immer fasziniert“, sagt er. Dann beginnt er von den 1970er-Jahren zu erzählen. Die französischen Soldaten, die damals im südlichen Baden-Württemberg stationiert waren, sind ihm noch heute in Erinnerung: „Die Begegnungen mit ihnen haben mich sehr geprägt.“ Schließlich brachten sie ein Stück Europa in die Region.

Miller stammt aus der 1200-Einwohner-Gemeinde Ebenweiler (Kreis Ravensburg). Früh engagierte er sich für die Partnerschaft mit der französischen Gemeinde Thiron-Gardais westlich von Paris.

„Egal ob man die EU mag oder nicht, wir haben uns mit ihr auseinanderzusetzen“, sagt Miller. Er sorgt dafür, dass die Region nicht übersehen wird. „Allein ist es schwierig, etwas zu bewegen. Aber ich kann an kleinen Rädchen drehen.“ Deswegen tut er sich mit anderen Landkreisen mit ähnlichen Interessen zusammen. Dass das funktioniert und Millionenbeträge nach Oberschwaben bringt, beweisen viele Projekte, die im Kreis Ravensburg mit EU-Mitteln umgesetzt wurden. Die Schwabenkinder-Ausstellung, die seit Mai 2012 läuft, ist nur ein Beispiel. Auch Zuschüsse für das Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee, nachhaltiges Moormanagement und die Ravensburger Energieagentur zählen dazu. Außerdem gibt es Projekte im Bereich der Infrastruktur, der Umwelt, der Wirtschaft, im Agrarsektor, im Sozial- und Gesundheitswesen sowie in der Kultur.

Elf Prozent weniger Geld

Geld aus Brüssel gibt es für regionale Projekte mit „europäischem Mehrwert“. Viele von ihnen sind in sogenannten Kooperationsräume gegliedert. Im Süden Baden-Württembergs heißt dieser „Interreg Alpenrhein, Bodensee, Hochrhein“. Hier arbeiten Landkreise von Tuttlingen über den Bodensee bis ins Oberallgäu zusammen. Auch das österreichische Vorarlberg, das Fürstentum Liechtenstein und neun Schweizer Kantone zählen dazu. „Die Partner aus den unterschiedlichen Ländern gehen mit Problemen immer anders um. Das führt zu vielen Lösungen. Das Beste wird dann herausgezogen.“ Ein bekanntes Ergebnis der Interreg ist das Euregio-Bodenseeticket, mit dem man im ganzen Bodenseeraum mit Bus, Bahn und Fähre reisen kann.

Für Städtepartnerschaften kann es Geld geben, für Hochschulprojekte, Gesundheitsprojekte und vieles mehr. Doch vorher muss Albert Miller sein Fachwissen einsetzen, Aktenberge wälzen und die oft kryptische englische EU-Behördensprache verstehen. Aktuell brütet Miller über den EU-Haushaltsplanungen für 2014 bis 2020. Ordner stapeln sich auf seinem Schreibtisch. Am 3. Juli wusste er dann Bescheid. Seine Einschätzung ist Realität geworden: Das EU-Parlament hat entschieden, elf Prozent weniger für Projekte im Umweltprogramm auszugeben. Jetzt kommt Miller wieder ins Spiel: Ich schaue, ob wir manche Projekte in andere Programme aus anderen Fördertöpfen unterbekommen oder andere Projekte besser platzieren können, um Gelder zu bekommen.“ Solche Entwicklungen gibt er ins Landratsamt weiter, damit neue Projekte angestoßen werden können.

Hinweis auf EU-Geld fehlt häufig

„Ausflüge in die große Politik sind unverzichtbar“, erklärt Miller. Dreimal im Jahr reist er deshalb in „Europas Hauptstadt“ Brüssel, um Kontakte zu pflegen. Treffen mit den Abgeordneten des Europaparlaments wie Elisabeth Jeggle, mit EU-Beamten oder Besuche in der baden-württembergischen Vertretung stehen dann auf dem Plan.

„Europa ist ein dynamischer Prozess, der mich begeistert“, sagt der Ravensburger. An diesem mitzuwirken, sieht er als seine Aufgabe. Nur eine Sache ärgert ihn ein wenig: Oft heftet an Prospekten oder Tafeln von EU-Projekten das Wappen von Baden-Württemberg. Das Geld nimmt nämlich oft den Umweg von Brüssel über Stuttgart. Schaut er sich jedoch an, woher das Geld stammt, entdeckt er, dass die EU einen wesentlichen Teil gestemmt hat. Aber eine Sache freut ihn dagegen: Mittlerweile gibt es in fast allen Landratsämtern Baden-Württembergs Europakoordinatoren nach dem Vorbild Ravensburg. Sie bringen EU-Gelder in die Regionen – und den europäischen Gedanken. Das ist Millers größter Stolz.

INFO: Weitere Informationen zum Förderprogramm Interreg gibt es im Internet unter www.interreg.org .