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Rechercheverbund

Das Geschäft mit der Wissenschaft

Ravensburg / Lesedauer: 3 min

5000 deutsche Forscher haben Studien in unseriösen Zeitschriften veröffentlicht – Wie die Universitäten Ulm und Konstanz damit umgehen
Veröffentlicht:26.07.2018, 10:24

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In Zeiten, in denen die Glaubwürdigkeit der Medien mit Schlagwörtern wie „Fake News“ infrage gestellt wird, könnte die Wissenschaft nun ein ähnliches Schicksal ereilen. Ein Rechercheverbund aus NDR, WDR und dem „Süddeutsche Zeitung Magazin“ hat aufgedeckt, dass es scheinwissenschaftliche Verlage gibt, die ungeprüft Studien veröffentlichen – ob die Forschungsergebnisse stimmen oder nicht. In Deutschland sollen etwa 5000 Forscher in solchen Pseudo-Journalen publiziert und dafür Geld gezahlt haben.

Auch den Universitäten Konstanz und Ulm sind die Praktiken der unseriösen Verlage bekannt. „Ich kann nicht ausschließen, dass Wissenschaftler von der Universität Ulm in solchen Journalen publiziert haben, aber ich kann es mir nur sehr schwer vorstellen“, sagt Florian Steger , Leiter des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der Universität Ulm. Er schaue sehr genau hin, wo Angestellte seines Instituts ihre Artikel veröffentlichen. „Die Entscheidung, wo jemand in meinem Instituts veröffentlicht, wird immer im Team gefällt.“

Die Universität Konstanz hat sich die Publikationslisten ihrer Mitarbeiter nochmal genau angesehen. „Mitglieder der Universität sind nach unseren Recherchen nicht betroffen“, sagt Anja Oberländer . Sie sammelt die Publikationsdaten der Hochschule und nimmt auch Rechnungen für veröffentlichte Studien entgegen. Dass Autoren für die Veröffentlichung ihrer Forschung zahlen, sei nichts Ungewöhnliches. Vor allem bei sogenannten Open-Access-Zeitschriften sei das ganz normal.

„Open Access bedeutet, dass alles, was in diesen Journals publiziert wird, weltweit für jeden frei über das Internet zugänglich ist“, erklärt sie. Der Hintergedanke: Wissen und Forschungsergebnisse sollen nicht nur den Menschen vorbehalten sein, die dafür das nötige Kleingeld in der Tasche haben. „Das – relativ reiche – europäische Wissenschaftssystem kann sich natürlich viele Journals leisten. In anderen Teilen der Welt sieht das ganz anders aus“, sagt Oberländer. Da Open-Access-Zeitschriften keine Einnahmen durch Abonnements haben, sind sie meist darauf angewiesen, dass Autoren für die Veröffentlichung ihrer Artikel bezahlen.

Laufende Überprüfung

Die gute Absicht, wissenschaftliche Erkenntnisse frei zugänglich zu machen, wird aber teilweise von scheinwissenschaftlichen Verlagen missbraucht. Als unseriös gilt ein Verlag, wenn er die Artikel vor der Veröffentlichung nicht überprüft. Bei wissenschaftlichen Qualitätsverlagen ist das sogenannte Peer-Reviewing Standard. Das bedeutet: Die eingereichten Beiträge werden vor ihrer Veröffentlichung von unabhängigen Experten desselben Fachs geprüft – auch bei Open-Access-Zeitschriften. Das kostet jedoch Zeit und kann damit enden, dass Artikel zur Überarbeitung zurückgeschickt oder erst gar nicht veröffentlicht werden. Sogenannte Raubverlage, die allein darauf aus sind, mit den Veröffentlichungen Geld zu verdienen, ist das natürlich keine Option. Deshalb entfällt bei ihnen diese Prüfung oder wird lediglich vorgetäuscht.

So können Leugner des Klimawandels, Pharmakonzerne oder Impfgegner ungehindert ihre zweifelhaften Studien und Halbwahrheiten publizieren. Das komme in solchen Zeitschriften sicherlich vor, sagt Oberländer. „Ich glaube aber, dass viele nicht wussten, wo sie publizieren und es sich demnach um ganz normale Studien handelt.“

Dass es fragwürdige Verlage gibt, ist in der Welt der Wissenschaft allerdings nichts Neues. Auch Steger und Oberländer bekommen häufig E-Mails solcher Verlage, mit Angeboten bei ihnen zu veröffentlichen. Aber: „Jeder, der solide Wissenschaft betreibt, weiß, dass er da nicht veröffentlichen sollte“, sagt Steger. Trotzdem haben sich laut der „Süddeutschen Zeitung“ in den vergangenen Jahren die Zahl der Publikationen in unseriösen Zeitschriften verfünffacht. „Wahrscheinlich haben viele gemerkt, dass dieses Vorgehen erfolgreich war und sind nun auf den Zug aufgesprungen“, sagt Oberländer. Um zu vermeiden, dass Wissenschaftler der Universität Konstanz Raubverlagen zum Opfer fallen, richtet sich die Hochschule bei Publikationen nach verschiedenen Listen für Open-Access-Zeitschriften, die laufend von der Wissenschaftsgemeinschaft geprüft werden.