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Ernährungsleitfaden

Aufgegabelt: Minimale Mahlzeit mit maximaler Moral

Panorama / Lesedauer: 3 min

Aufgegabelt: Minimale Mahlzeit mit maximaler Moral
Veröffentlicht:30.12.2015, 17:06

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Der schlichte Ernährungsleitfaden vieler Menschen, die geprägt sind von Mangelphasen, lautet: „Immer nur so viel essen, wie mit Gewalt hineingeht.“ Anhänger dieser Philosophie sollten um das vegane Restaurant „v2o“ in Fischbach einen Bogen machen.

Denn dort stellen die Wirtsleute der sinnentleerten Völlerei Essen mit Sinn und Moral unter dem Motto „Grillen ohne Killen“ entgegen. Aber: in homöopathischen Dosen. Unter dem künstlichen Rehkopf an der Wand steht: „Friend, not food“, mit Bambi kuscheln ja, Bambi aufessen, nein.

Die Gesamtästhetik des Innenraums ist getragen von einer stilvollen Kargheit, sanftem Licht, beigen Textilien und Lederimitat. Die Gastgeberin versieht den Service mit Höflichkeit. Ihre Stimme ist sanft und leise, sodass Bob Marleys Reggae ungestört aus den Lautsprechern tröpfeln kann. Zum Studium der extrem reduzierten Speisekarte serviert sie einen Cappuccino, dessen Schaum aus Hafermilch besteht. Überraschend gut – der Milchersatz hat eine seidige Konsistenz und erfreut mit sahnigem Nachhall. Zur Vorspeise gibt es ein Carpaccio von roter Beete und gegrillter Zucchini. Die Gemüsescheiben sind so dünn, als habe sie der Koch mit der Rasierklinge geschnitten. Während die rote Beete erschreckend banal schmeckt, haben die Zucchinischeiben knusprigen Biss und eine schlichte, aber kräftige Würze. Leider ist diese Portion derart marginal, dass sie selbst im Rahmen einer Nulldiät noch vertretbar wäre. Ein Hauch von fast Nichts für 7,90 Euro ist für ein Gericht, das vor allem vom Weglassen lebt, schon eine Ansage. Ein bisschen mehr Volumen bringt der Hauptgang auf den Teller: ein Lady-Steak in Kräuterpanade mit einem wirklich vorzüglichen Kräuter-Blattsalat. Das Schnitzel besteht aus Weizeneiweiß, das aufgrund des Rohstoffs nicht saftig sein kann, und die knusprige Hülle hat feurige Würze, wobei Chili-Schärfe dominiert. Kontrastiert wird es durch das milde Hausdressing, das die schönen Blätter vom jungen Spinat und Mangold lackiert. Verschiedene Sprossen bringen Frische ins Gericht. Aber auch hier gilt: 14,90 Euro haben auf einem Teller selten nach weniger ausgesehen.

Das Finale bestreitet ein Mousse au Chocolat mit einem Klecks Soja-Sahne. Ihr wohnt die Wucht eines hohen Kakaoanteils inne, dem Mundgefühl fehlt allerdings die luftige Leichtigkeit von Eiern und echter Sahne. Die Mousse fühlt sich am Gaumen eher wie erwärmte Nutella an. Grundsätzlich gilt es bei allen Gängen das starke Bemühen um Ästhetik zu loben. Jede Komponente dokumentiert hohe Achtsamkeit und das ehrliche Streben, aus dem tierfreien Angebot ethisch einwandfreien Genuss entstehen zu lassen. Trotzdem kann ein Besuch im „v2o“ schwer verdaulich sein. Dann nämlich wenn der Gast kein Bargeld hat. Zwar entschuldigt sich die Kellnerin dafür, keine Kartenzahlung zu akzeptieren. Den Einwand, dass der Gast sich über einen Hinweis gefreut hätte, kontert sie damit, dass der Gast ja auch hätte fragen können. Doch da irrt sie: Wer für ein 3-gängiges Menü mit Getränken knapp 50 Euro verlangt, muss selbstverständlich zeitgemäß kassieren, zumal beim elektronischen Zahlungsverkehr keine Tiere zu schaden kommen. Das „v2o“ zwingt dem Gast nach dem Essen also einen Spaziergang zum Geldautomaten auf. Andererseits: Man bewegt sich ja sowieso viel zu wenig.

Restaurant v2o

Meersburger Str. 29

88048 Friedrichshafen-Fischbach

Telefon 07541-8099200

www.v2o-restaurant.de

geöffnet Mittwoch bis Sonntag von 11.30 bis 22 Uhr, Ruhetag Montag und Dienstag. Hauptgerichte von 12-18,90 Euro