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Auf der Suche nach dem richtigen Ton

Panorama / Lesedauer: 3 min

Auf der Suche nach dem richtigen Ton
Veröffentlicht:20.08.2019, 23:12

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Warnsignale für Fußgänger und Radfahrer sollen Elektroautos sicherer machen.

Elektroautos faszinieren unter anderem, weil sie so leise dahingleiten, als laufe gar kein Motor. Doch bei niedrigen Geschwindigkeiten birgt das im Stadtverkehr oder beim Rangieren auf dem Supermarktparkplatz Gefahren. Erst ab rund 20 bis 30 km/h sind sie aufgrund der Reifenabrollgeräusche so laut wie ein Auto mit Verbrennermotor. Weil Fußgänger und Radfahrer das E-Auto bei geringerem Tempo nicht hören können, steigt für sie das Unfallrisiko. Deshalb ist auch die Europäische Union tätig geworden.

2014 wurde die Verordnung Nr. 540 unter anderem zum „Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen“ erlassen. Demnach müssen die Hersteller in der EU seit Juli diesen Jahres alle neuen Elektroautotypen mit einem Warnton ausrüsten, einem sogenannten AVAS (Acoustic Vehicle Alerting System). Der nächste Schritt folgt dann zwei Jahre später: „Bis spätestens 1. Juli 2021 bauen die Hersteller in allen neuen Hybridelektro- und reinen Elektrofahrzeugen ein AVAS ein“, so die Vorgabe der Verordnung. Dann greift sie nicht nur bei der Typzulassung eines Modells, sondern für jedes neu in den Verkehr gebrachte Elektroauto – womit auch Plug-in-Hybride und Brennstoffzellenautos sowie elektrifizierte Busse und Nutzfahrzeuge gemeint sind.

Einige Hersteller elektrifizierter Autos wie etwa BMW , Nissan, Renault oder Volkswagen setzen allerdings zum Teil bereits seit Jahren auf akustische Warnsignale. Bei VW kommuniziert man ganz klar den Sicherheitsaspekt. Es bestehe die Notwendigkeit, durch den Sound das Fahrzeug besser erkennbar beziehungsweise wahrnehmbar zu machen, sagt Sprecher Tim Fronzek. Und BMW-Sprecher Martin Tholund erklärt: „Wir haben bereits zu einem frühen Zeitpunkt Versuche mit dem bayrischen Blindenverband durchgeführt, um maximale Wahrnehmbarkeit bei minimaler Schallemission zu erreichen.“

E-Sound bis Tempo 30

Die angepeilte Balance zwischen Wahrnehmbarkeit und Lautstärke deutet es an: Den richtigen Ton zu finden, ist keine einfache Sache. Die EU-Verordnung schreibt ein „Dauerschallzeichen“ vor, das bis zu einem Tempo „von etwa 20 km/h sowie beim Rückwärtsfahren“ automatisch erzeugt werden muss. Dabei soll es Rückschlüsse auf das Fahrzeugverhalten zulassen, also ob das Auto beschleunigt oder bremst und wie schnell es unterwegs ist. Die meisten Hersteller übererfüllen die rechtlichen Vorgaben insbesondere bei der Geschwindigkeit. Sie lassen den E-Sound bis Tempo 30 erklingen, denn erst dann sei in jedem Fall gesichert, dass Reifenabroll- und Windgeräusche bei normalem Hörvermögen wahrnehmbar seien.

BMW-Sounddesigner Renzo Vitale vergleicht den Weg zum richtigen Ton mit einer Schatzsuche mit Hilfe von Synthesizern, Drumcomputern und sogar einem Geigenbogen: „Er experimentiert mit neuen Sounds, indem er sie aufnimmt und in ihre Bestandteile zerlegt. Am Ende bleiben einzelne Fragmente übrig, aus denen wieder etwas völlig Neues entstehen kann“, erklärt Tholund . „Ziel in der Entwicklung war es, die wichtige Warnfunktion zu erfüllen, ohne Passanten zu stören.“

Bei Mercedes war es laut E-Mobility-Sprecherin Madeleine Herdlitschka wichtig, die schöne Eigenschaft des Leisegleitens weitestgehend zu bewahren: „Denn der niedrige E-Geräuschpegel wirkt sich nicht nur positiv auf den Fahrer, sondern auch auf den Verkehrslärm in Ballungsgebieten aus.“ Wichtig sei dennoch ein charakteristisches Klangbild, „welches durch sein Klangmuster zu verstehen gibt, dass sich ein Elektroauto nähert.“

Zugleich ist den Autobauern die Markenidentität wichtig: „Unser E-Sound folgt den gleichen Grundsätzen wie unsere Designsprache und hat somit den perfekten Fit zu unseren Produkten“, sagt VW-Sprecher Fronzek . VW nutzt als Warnton Geräusche, die an einen konventionellen Motor erinnern. Bei BMW spricht man von einem „eigenen, unverwechselbaren Klang“. Auch Renault arbeitet an einer speziellen Audio-DNA, legt aber auch Wert darauf, dass ein kleines E-Fahrzeug nicht die gleiche Stimme hat wie ein großes.

In der Regel befindet sich die notwendige Hardware in Form kleiner Lautsprecher unsichtbar hinter den Stoßfängern oder – wie bei VW – im Motorraum. Dabei ist der erzeugte Sound auch im Innenraum hörbar – wenn auch leiser und dezenter.