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Altes Brot wegwerfen ist richtig dämlich

Ravensburg / Lesedauer: 3 min

Das findet unser Gastro-Kritiker Erich Nyffenegger. Aus alten Backwaren lässt sich doch noch Köstliches zaubern - und man wird nicht vom Gewissen geplagt.
Veröffentlicht:25.10.2018, 19:28

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Es gibt einen Haufen Statistiken, die lassen uns kalt, weil wir deren Dimensionen einfach nicht fassen können. Wenn es zum Beispiel heißt, dass jährlich eine Fläche Regenwald abgeholzt wird, die der Ausdehnung von Griechenland entspricht, hinterlässt das ein merkwürdiges Gefühl. Aber kein blankes Entsetzen, denn: Bei uns gibt es ja keinen Regenwald. Der ist irgendwo da drüben in Südamerika. Diese Verschwendung irdischer Ressourcen bleibt für uns abstrakt.

Eine andere Art von Verschwendung berührt uns da schon eher, weil sie uns viel näher liegt: das Wegwerfen von Brot. Laut einer Studie des WWF (World Wide Fund For Nature) schmeißen wir in Deutschland jährlich 1,7 Millionen Tonnen Backwaren einfach weg. Das entspricht dem Ackerland von fast 400 000 Hektar, die von Landwirten für die Tonne bewirtschaftet werden. Vielleicht versetzt vielen von uns die Verschwendung von Brot deshalb einen leichten Stich, weil schon im Vaterunser die Rede vom täglich’ Brot ist, was ihm eine fast heilige Bedeutung beschert. Nicht zuletzt deshalb empfinden es viele Menschen geradezu als Sünde, Brot und Brötchen wegzuwerfen, nur weil sie nicht mehr ganz frisch sind. Was noch dazu kommt: Brot wegschmeißen heißt auch Geld in die Tonne treten.

Der Trick heißt: Papier

Dabei ist gerade altbackenes Brot die Grundlage für so viele Genüsse, sodass die Brotverschwendung nicht nur moralisch fraglich, sondern auch ausgesprochen dämlich ist. Denn es gibt wirklich keinen Grund, Backwaren zu entsorgen, solange sie nicht schimmeln – und das tun sie nicht, wenn sie in Papiertüten aufbewahrt werden. Auf diese Weise trocknen sie höchstens aus, was je nach Abstufung der Trockenheit großartige Möglichkeiten der Weiterverarbeitung eröffnet.

Nehmen wir zum Beispiel ein Brötchen: Am Tag nach dem Backen ist es ideal um einfach so gegessen zu werden. Basta! Wer sagt, das sei ihm nicht frisch genug, ist vielleicht selbst nicht mehr ganz frisch. Zwei Tage danach wird’s interessant. Die Backwaren können jetzt ideal in Scheiben von etwa einem halben Zentimeter geschnitten werden, was sie zum optimalen Knödelbrot macht. Das funktioniert übrigens auch noch mit Brot, das eine Woche alt ist. Das Schneiden ist dann ein bisschen mühsamer und der Knödelteig verträgt ein Ei oder etwas Milch mehr – aber gerade die Knödel, die aus unterschiedlichen Brotresten bestehen, haben besonders viel Geschmack.

Fettfrei anrösten

Wenige Tage alte Backwaren sind in Würfel geschnitten und fettfrei in einer Pfanne angeröstet übrigens die Krönung für Salate oder Suppen. Ist das Brot komplett ausgetrocknet, dann lässt es sich bestens zu Bröseln verarbeiten – zum Beispiel in einem Standmixer oder mit der Moulinette. Auch hier gilt: Brösel aus Sauerteigbrot haben ein anderes Aroma als jene, die von weißen Brötchen oder Brezeln stammen.

Und was tun damit? Zum Panieren eingesetzt oder in der Pfanne angeröstet, bereichern sie jede Art von Gemüse. In Süditalien wurden und werden aus Sparsamkeitsgründen geröstete Semmelbrösel statt des viel teureren Parmesans über Nudelgerichte gegeben. Pangrattato heißt diese Alternative – und schmeckt wirklich ausgezeichnet.

Ein Haushalt, der sich dieser Möglichkeiten der Brotverwertung bedient, wird nicht nur Geld sparen, sondern auch Genuss gewinnen. Denn der herzhafte Geschmack gereiften Brotes, der in Croutons, Bröseln und Knödeln voll erblüht, ist mit Frischware gar nicht zu erzeugen.