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Traumberuf Opernsänger - Doch viele Künstler können davon nicht leben

Ravensburg / Lesedauer: 6 min

Junge Sängerinnen und Sänger wollen an deutschen Opernhäusern Karriere machen – in der Realität heißt das karge Gehälter und schlechte Aufstiegschancen
Veröffentlicht:22.01.2020, 06:00

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Eigentlich müsste Deutschland für Opernsängerinnen und -sänger der Himmel auf Erden sein. Ein Drittel aller weltweiten Vorstellungen finden hier in den 80 öffentlich geförderten Häusern statt.

Eine Studie der Bertelsmann Stiftung kommt aber zu einem erschreckendem Ergebnis: In Deutschland würden zu viele Sängerinnen und Sänger ausgebildet. Der Markt könne das Überangebot nicht aufnehmen – und die Bedingungen für junge Solisten seien denkbar schlecht. Von Abendgagen über 15.000 Euro und mehr für Stars wie Anna Netrebko oder Jonas Kaufmann können die meisten Sängerinnen und Sänger nur träumen.

 Markus Herzog singt als Tenor an verschiedenen Opernhäusern in Süddeutschland.

Andreas Reibenspies unterrichtet Gesang an der Musikhochschule Trossingen. Dass es viele Sängerinnen und Sänger gibt, kann er nicht abstreiten. Das liege allerdings nicht an den 24 deutschen Musikhochschulen. „Die schlechten Gehälter lassen sich nur durchsetzen, wenn junge Menschen aus anderen Ländern kommen, die andere Lebensvorstellungen haben“, sagt Reibenspies.

Die internationale Konkurrenz ist bei den Sängern besonders groß – alle möchten an einem renommierten deutschen Theater singen. Dazu kommt, dass ausländische Sänger oft ein Stipendium aus ihrem Heimatland haben, das die Hälfte ihrer Gage übernimmt. „Dadurch sparen sich die Theater die Hälfte des Gehalts – das ist ein wirtschaftlicher Vorteil, den Sänger aus Deutschland nicht haben“, sagt der Tenor Markus Herzog .

Das war schon eine frustrierende Situation.

Markus Herzog, Tenor

Er bekam diese Konkurrenz früh zu spüren. Heute ist er ein erfolgreicher Opernsänger und hat unter anderem schon an der Münchner Staatsoper, am Staatstheater Nürnberg oder bei den Tiroler Festspielen Erl gesungen. „Am Anfang war es aber schwierig. Die Vorsingen bei den Agenturen waren nicht so gut. Das war schon eine frustrierende Situation“, sagt er. „Nach dem Studium habe ich mich entschieden, erst mal in einem Chor zu singen.“

Sechs Jahre blieb er im Ulmer Opernchor. „Nach sechs Jahren Studium will man ja auch irgendwann arbeiten“, sagt Herzog. „Und nicht darauf warten, bis sich irgendein Agent endlich für einen interessiert.“ Ein entscheidender Grund dafür war aber auch die Bezahlung, denn als Chorsänger verdient man in Deutschland oft mehr als ein Solist.

2000 Euro brutto im Monat

Das hat einen einfachen Grund: Chorsänger sind in Gewerkschaften organisiert – Solisten nicht. Es gibt den Deutschen Bühnenverein , der die Interessen aller Theater und Orchester vertritt, also die der Arbeitgeber. Aufgabe des Bühnenvereins ist es daher, die Finanzsituation der Häuser im Auge zu behalten. Eine eigene Sängergewerkschaft gibt es nicht. „Solange sich das nicht ändert, wird sich auch an den Gagen nichts ändern“, sagt der Tenor Herzog.

„Die Gagen der Angestellten der Mitgliedstheater des Deutschen Bühnenvereins richten sich nach dem Normalvertrag Bühne“, erklärt eine Sprecherin des Deutschen Bühnenvereins. Die Mindestgage für Solisten – egal ob im Schauspiel, Oper oder Tanz – beträgt demnach 2000 Euro brutto im Monat. „Die Gage ist natürlich zwischen den Theatern und den Künstlern frei verhandelbar und hängt unter anderem vom Bekanntheitsgrad und Erfolg der Künstler sowie der Größe des Theaters ab“, sagt der Verband auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Die Bandbreite sei daher groß.

Eine Mindestgage von 2000 Euro, das ist nichts.

Andreas Reibenspies, Musikprofessor

„Bei uns am Haus zahlen wir den Berufseinsteigern mehr als die Mindestgage“, sagt Veronique Walter , künstlerische Betriebsdirektorin an der Staatsoper Stuttgart. In welchem Bereich die Bezahlung liegt, sei sehr unterschiedlich. 34 Solisten sind dort fest für zwei Spielzeiten angestellt, das heißt für etwa zwei Jahre. „Die weitere Verpflichtung hängt immer davon ab, wie sich die Sängerinnen und Sänger entwickeln und inwiefern der kommende Spielplan zum Sänger passt“, erklärt Walter.

Für manche Rollen, wie beispielsweise in einer anspruchsvollen Wagner-Oper, lädt die Staatsoper Stuttgart auch Gastsänger ein. „Genauso laden andere Häuser Sänger aus unserem Ensemble ein. So entsteht dann immer eine individuelle Mischung aus Auftritten im eigenen Haus und Gastauftritten“, sagt sie.

„Eine Mindestgage von 2000 Euro, das ist nichts“, stellt der Trossinger Musikprofessor Andreas Reibenspies klar. Dafür hätten Musiker jahrelang studiert und müssten dann noch eine Familie ernähren. Drei bis acht Studenten nimmt er nach einer Aufnahmeprüfung bei sich auf, die dann im Bachelor und Master mindestens fünf Jahre bei ihm studieren. Außerdem sei es üblich, zwischendrin Urlaubssemester zu nehmen, um Projekte in der Praxis wahrzunehmen.

Trotzdem hält er nichts davon, die Studienplätze oder die Vergabe der Solisten-Jobs einzugrenzen. „Die Situation lässt sich nur schwer ändern. Man muss wissen, worauf man sich einlässt“, sagt Herzog. Besonders die Hochschulen sieht er in der Pflicht, ihre Studierenden über Gehaltsstrukturen und die Konkurrenz aufzuklären. Wer es dann unbedingt trotzdem probieren möchte, solle das auch tun. „Als junger Mensch sagt man sich: Ich bin der Beste und ich werde es schaffen. Und genau das bringt einen weiter“, ist er sich sicher.

Ob jemand eine Zukunft als Opernsänger habe, lasse sich schwer abschätzen – denn die Stimme entwickelt sich mit den Jahren. Das weiß auch Betriebsdirektorin Veronique Walter. An der Staatsoper Stuttgart gibt es deshalb spezielle Stellen für Berufseinsteiger – sogenannte Opernstudios. „Diese Stellen sollen den Schritt in ein festes Ensemble erleichtern. Junge Sängerinnen und Sänger lernen dann, was es heißt, Teil eines professionellen Opernbetriebes zu sein“, sagt sie. Sieben solcher Stellen gibt es dort, die für eine Spielzeit ausgeschrieben werden. „Während der Spielzeit gibt es immer wieder gemeinsame Gespräche über die jeweilige Entwicklung des Sängers und dessen Zukunft“, sagt Walter.

Und die Stellen sind heiß begehrt – 500 Bewerbungen kommen jährlich auf die sieben Stellen. Die harte Konkurrenz ist auch Musikprofessor Reibenspies bewusst. Er rät daher allen angehenden Studierenden, sich ein zweites Standbein aufzubauen, ein Instrument zu studieren oder selbst zu lehren.

Markus Herzog hat nie daran gedacht, einen anderen Berufsweg zu gehen. Sein Erfolgsrezept: „Verbindungen. Man muss die richtigen Leute kennen“, sagt er. Oft sei er auch über Kollegen an neue Rollen gekommen. „Letztlich ist es ein Abwägen – man muss sich entscheiden, ob man für seinen Traumberuf ein Risiko eingehen möchte.“ Seinen Beruf als Tenor mache etwas ganz besonderes aus: „Zu merken, dass man einen Saal für 2500 Menschen mit seiner eigenen Stimme füllen kann und zum Schwingen bringt – das ist ein grandioses Gefühl.“