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Streamingfilm: On the Rocks

Kultur / Lesedauer: 3 min

Ein wunderbarer Anti-Problemfilm: Sofia Coppolas „On the Rocks“ für den Streamingdienst Apple TV+
Veröffentlicht:27.10.2020, 12:00

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Zum ersten Mal seit 17 Jahren haben Sofia Coppola und Bill Murray wieder einen Film miteinander gedreht. Wie „Lost in Translation“ ist der für den Streamingdienst Apple TV+ produzierte „On the Rocks“ eine heiter-melancholische Komödie, und wieder spielt Murray an der Seite einer jüngeren Frau. Diese ist dieses Mal aber nicht Scarlett Johansson, sondern Rashida Jones, die seine Tochter Laura verkörpert und gerade ein paar Sorgen hat. Mit ihrer Arbeit als Schriftstellerin kommt sie nicht weiter, dafür macht sie sich Gedanken um ihre zwei Kinder und ihren Mann Dean (Marlon Wayans), den sie verdächtigt, ein Verhältnis mit seiner attraktiven Bürokollegin zu haben. Scheinbare Indizien gibt es dafür genug, wie es oft der Fall ist, wenn eine Beziehung altert, und beide mehr Zeit mit der Arbeit als miteinander verbringen.

Der Verdacht ist dabei gar nicht so stark. Trotzdem ermuntert Lauras Vater Felix (Murray) – ein Ex-Kunsthändler und Lebenskünstler, der Bombay-Martini trinkt und ein knallrotes Alfa-Cabrio fährt – sie dazu, ihrem Gatten nachzuspionieren. Vielleicht nur aus dem Grund, weil ihm das Spiel mit den Möglichkeiten Spaß macht, und er so wieder etwas mehr Zeit mit seiner Tochter verbringt.

Daraus entsteht schnell ein absurd werdendes Versteckspiel, das die Handlung vorantreibt. Die Hauptsache ist aber das Zusammensein der beiden Hauptfiguren: die Gespräche zwischen Tochter und Vater, die Erinnerungen an kleine Momente, die das Leben ausmachen. „On the Rocks“ ist ein Anti-Problemfilm. Die Hauptfiguren leiden unter keinerlei finanziellen Problemen, sie gehören zu den oberen Zehntausend von New York. Coppola zeigt auch in „On the Rocks“ die Beiläufigkeit des Lebens. Inhaltslos ist der Film deshalb aber nicht.

Vielmehr erzählt die Regisseurin vom Verhältnis zweier Generationen: über den Kleinmut der Jungen, in den 70er- und 80er-Jahren Geborenen, denen es materiell an wenig fehlt, dafür umso mehr an Utopien. Und die, anstatt ihre Problemfreiheit zu genießen, ein schlechtes Gewissen über alle möglichen Banalitäten entwickeln. Die aber auch egozentrisch und von einem Perfektionismus getrieben sind, der sie unglücklich macht.

Demgegenüber steht die Freiheit der Alten, der Post-68er, die in den „trentes glorieuses“, den glorreichen 30 Jahren nach dem Krieg, aufwuchsen. Von Wirtschaftsnot wussten sie nichts mehr, Ökoängste und Utopieverlust kannten sie noch nicht. Unmoralisch, besserwisserisch und im Innersten anarchistisch sind sie, während ihre Kinder mit ihrem Moralismus, ihrer puritanischen Regelsehnsucht und Angst vor Fehlern daneben alt und spießig aussehen.

Coppola schildert dies alles wie gewohnt mit viel Sensibilität, gleichzeitig aber unaufdringlich. Keiner hat hier mehr recht als der andere. Und an der Liebe zwischen Vater und Tochter besteht über alldem kein Zweifel. Von den Schauspielern überzeugt vor allem Murray als Lebemann Felix, dem er eine stoische Nonchalance verleiht. Wie eine Komödie von Ernst Lubitsch wird „On the Rocks“ dadurch zu einer sehr souverän gezeigten Unterhaltung.

Als Kunstwerk betrachtet ist er dennoch kein großer Film, sondern eher eine kleine Fingerübung. Man sieht „On the Rocks“ tatsächlich an, dass er mit Apple TV+ für einen Streamingdienst gemacht wurde. Es gibt viel mehr Dialoge als ansonsten in einem Coppola-Film, und alles ist auch außerordentlich brav geschnitten. Ein Zwischenwerk, gut bezahlt von Apple, wo man sich mit großen Namen schmücken möchte.

Natürlich kann man sich fragen, ob diese kleine, feine, irgendwie banale, aber gut beobachtete Geschichte die Zuschauer auch über das Verhältnis der Regisseurin Sofia Coppola mit ihrem Vater, dem Hippie Francis Ford, erzählt. Aber derlei Privates ist nur etwas für die Klatschspalten und im Grunde völlig unwichtig.