StartseiteKulturSprachplauderei: Vollpfosten im Stadion

Sprachplauderei

Sprachplauderei: Vollpfosten im Stadion

Kultur / Lesedauer: 2 min

Sprachplauderei: Vollpfosten im Stadion
Veröffentlicht:16.06.2016, 18:06

Artikel teilen:

Kritischer Blick auf die Welt des Fußballs.

Welcher Satz ist richtiges Deutsch? Satz 1: „Leider sind wir es gewohnt, dass es bei großen Fußballspielen zu Krawallen kommt.“ Oder Satz 2: „Leider sind wir daran gewöhnt, dass es bei großen Fußballspielen zu Krawallen kommt.“ Ganz einfach: Beide Versionen sind korrekt.

Gewohnt und gewöhnt gehören zu derselben Wortfamilie, haben aber sprachgeschichtlich andere Entwicklungen genommen, die genauer aufzudröseln wir uns hier sparen. Festzuhalten ist: Nach gewohnt folgt der Akkusativ: „Die Fußballwelt ist leider die Randale der Hooligans gewohnt.“ Oft wird auch ein es eingesetzt: „Die Fußballwelt ist es gewohnt, dass irgendwelche Rabauken in den Stadien Rabatz machen.“ Gewöhnt wiederum wird immer in Verbindung mit der Präposition an verwendet: „Die Zuschauer sind an das Rambazamba gewöhnt, das sich irgendwelche Dumpfbacken vor den Spielen liefern.“ Oder: „Die Zuschauer sind daran gewöhnt, dass irgendwelche Vollpfosten vor den Spielen Zoff haben.“

Nun dominiert – nicht ohne Hintergrund – bei diesen Beispielsätzen ein besonders deftiges, teils umgangssprachliches Vokabular. Und da schauen wir uns einmal die Herkunft etwas genauer an: Hooligan stammt aus Irland und geht wahrscheinlich auf eine berüchtigte Familie von Raufbolden zurück. Krawall hat wohl seine Wurzeln im Latein des Mittelalters. Rabauke kam über das Niederländische aus dem Altfranzösischen zu uns, wo es einst auch Hurenbock hieß. Rabatz sollen sich die Berliner aus der polnischen Sprache besorgt haben. Zoff wurde aus dem Jiddischen entlehnt – mieser sof heißt böses Ende. Randale stammt zwar aus dem Studentenjargon, dürfte aber etwas mit dem ursprünglich griechischen Skandal zu tun haben. Dumpfbacken hingegen sind klar als deutsche Wortschöpfung zu erkennen, und Rambazamba geht auf die Lust an Lautmalerei zurück. Vollpfosten schließlich – 2013 sogar in den Duden aufgenommen – ist ein typisches Modewort, das von irgendwoher auftaucht und irgendwann wieder verschwindet.

Aber was lehrt uns dieser etymologische Rundkurs? Wohl kein Land, kein Volk ist davor gefeit, Idioten unter seinen Bürgern zu haben, die mal schnell zu gewalttätigen Schlägern werden. Das ist allerdings kein Trost, sondern Verpflichtung, in internationaler Solidarität dagegen anzugehen.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthemen haben, schreiben Sie!

Schwäbische Zeitung, Kultur-

redaktion, Karlstraße 16,

88212 Ravensburg

[email protected]