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Sprachplauderei

Sprachplauderei: Aufs Geratewohl drauflos

Ravensburg / Lesedauer: 2 min

Sprachplauderei: Aufs Geratewohl drauflos
Veröffentlicht:19.04.2018, 18:51

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Das „Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS)“ ist heutzutage ein unverzichtbares Hilfsmittel für einschlägige Recherchen. Dabei werden – etwas vereinfacht dargestellt – riesige Datenmengen von Texten der verschiedensten Art elektronisch abgegriffen, wobei dann spezifische Informationen anfallen. Unter anderem zu Bedeutung, Herkunft, Verwendung und Rechtschreibung, aber auch – besonders interessant – zum Wortverlauf: Wann tauchte ein Wort erstmals in unserer Sprache auf, und wie hat es sich in puncto Häufigkeit bis heute entwickelt?

Nehmen wir ein Beispiel:aufs Geratewohl. Gebraucht wird es als Synonym fürauf gut Glück,ohne Plan,unüberlegt. Aber woher es kommt, erschließt sich vielleicht nicht jedem auf Anhieb. Hier hilft ein anderes, entschieden älteres, aber ebenfalls unverzichtbares Kompendium weiter: das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm. Dort steht, in heutiges Deutsch übertragen: „Geratewohl(…) ist der zum Substantiv gewordene Imperativ: gerate wohl!, wie der Krieger wohl dem soeben geschleuderten Speer, der Spieler dem rollenden Würfel zurief...“ Mit anderen Worten bedeutet diesesaufs Geratewohlalso, dass man etwas in der Hoffnung unternimmt, es möge schon irgendwie gut gehen.

Die DWDS-Verlaufskurve zeigt uns nun, dass dieser Ausdruck gegen 1700 in Mode kam, um 1800 auf dem Höhepunkt seiner Verwendung war und seither mit leichten Schwankungen immer mehr an Bedeutung verliert. Was aber noch lange nicht heißt, dass man ihn falsch schreiben darf, nämlichaufs Geradewohl. Denn genau das passiert laufend, und zwar quer durch alle Medien. Wobeiaufs Geradewohlein Widerspruch an sich ist: Etwas planlos und auf Teufel komm raus zu beginnen, spricht ja gerade nicht von Geradlinigkeit.

In Zeiten zunehmender Rechtschreibschwäche muss man leider mit einer Häufung solcher Fehler rechnen. Hier einige ähnlich gelagerte, im Internet zigtausendfach zu belegende Fälle: Es heißt nichtasymetrisch, sondernasymmetrisch; nichtEntgeld, sondernEntgelt; nichtGallionsfigur, sondernGalionsfigur; nichtGradwanderung, sondernGratwanderung; nichtImbus, sondernInbus; nichtProgrom, sondernPogrom; nichtPupertät, sondernPubertät; nichtRenntier, sondernRentier; nichtStehgreif, sondernStegreif; nichttättowieren, sonderntätowieren; nichtverhehrend, sondernverheerend;nichtWehmutstropfen,sondernWermutstropfen…Die Liste ließe sich beliebig verlängern.

Aber das kommt halt davon, wenn man aufs Geratewohl drauflosschreibt.