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Sisi – die wilde Kaiserin

München / Lesedauer: 6 min

Jenseits von Kitsch und heiler Welt – Autorin Wilma Pfeiffer enthüllt die verruchten Seiten von Kaiserin Sisi
Veröffentlicht:29.06.2018, 14:17

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Sie rauchte Zigarre, hatte Tattoos, Affären und legte sich für den perfekten Teint schon mal mit einem rohen Kotelett auf den Wangen ins Bett: Kaiserin Elisabeth von Österreich. Wilma Pfeiffer zeigt in ihrem Buch „Die wilde Kaiserin“ Seiten von Sisi – die so gar nichts mit den Romy-Schneider-Filmen zu tun haben. Im Gespräch mit Ruth van Doornik hat die 50-Jährige auch verraten, wer ihre außergewöhnliche Quelle war: die Großnichte von Sisis Hoffriseurin Fanny Angerer . Vor 30 Jahren erzählte ihr diese beim Kaffeeklatsch in Wien manch pikantes und bislang unbekanntes Detail über die zum Mythos gewordene Kaiserin.

Wäre Sisi noch am Leben: Die Klatschblätter würden alles geben, um die intimen Storys aus Ihrem Buch exklusiv zu bekommen. Sie bekamen sie zum Guglhupf gereicht. Wie kam’s dazu?

Mit Anfang 20 bin ich fürs Studium nach Wien gezogen und habe mich bei meiner Nachbarin vorgestellt. Die Dame war damals schon weit über 90 Jahre alt und fand, dass ein Mädel vom Land nicht so allein in der Stadt gelassen werden kann. Von da an lud mich Fräulein Amalie jeden Mittwoch zur Melange ein. Die Zeremonie lief stets gleich ab: Erst tranken wir Kaffee, dann betrieben wir Konversation. Nach einigen Treffen erzählte sie mir, Fanny Angerer sei ihre Großtante. Der Name sagte mir rein gar nichts. Mit sträflichem Blick klärte sie mich auf, dass Fanny über 30 Jahre lang Kaiserin Elisabeths Friseurin war.

Und damit eine enge Vertraute der Monarchin.

Absolut. Das Bürsten und Flechten der fersenlangen Haare nahm täglich drei Stunden in Anspruch. Haare waschen dauerte fast einen ganzen Tag – es gab ja noch keinen Föhn. Und so wurden Sisis Locken im Sommer über eine Art Wäscheleine gehängt und im Winter über einen Billardtisch ausgebreitet. Da war viel Zeit für private Gespräche. Kein noch so geheimes Treffen entging Fanny – schließlich frisierte sie Sisi auch dafür. Fanny, die zuvor am Burgtheater arbeitete, kreierte auch die berühmte Steckbrieffrisur mit den Diamantsternen – sie wurde zum Markenzeichen der Kaiserin.

War Ihnen eigentlich bewusst, was für einen Schatz Sie da gerade heben?

Überhaupt nicht. Ich habe zwar interessiert zugehört, dachte aber oft, das sei erfunden. Doch bei meinen späteren Recherchen habe ich nie erlebt, dass etwas nicht stimmt. Manches konnte ich nur nicht beweisen.

Zum Beispiel?

Dass Sisi oberhalb ihres kaiserlichen Gesäßes ein Tattoo mit einem Adler mit offenen Schwingen trug. Gestochen von einem japanischen Künstler.

Wie bitte? Die Kaiserin hatte ein Arschgeweih?

Das kann man so sagen. Bekannt ist ja der Anker, den sich Sisi mit 51 Jahren während einer Mittelmeerreise in einer Hafenspelunke auf das linke Schulterblatt tätowieren ließ. Als ich Fräulein Amalie darauf ansprach, meinte sie: Ach, das ist ja nur das kleine Tattoo. Dann erzählte sie mir detailliert von der größeren Version. Mit dem Adler überraschte sie ihren Seelenverwandten König Ludwig II. auf der Roseninsel im Starnberger See. Sie posierte dort mit einem am Rücken tief ausgeschnittenen Kleid vor seinem „Photographier-Apparat“. Den Abzug trug er immer in seiner Brusttasche mit sich, um Sisi nicht zu kompromittieren. Einrahmen wäre ja schlecht gegangen.

Kein Wunder, dass Ihr Buch den Titel „Die wilde Kaiserin“ trägt.

Schon als Kind nannte man sie Prinzessin Wildfang. Als Kaiserin befreite sie sich nach und nach aus dem strengen Hofprotokoll. Sie sonnte sich nackt, setzte ihre Friseurin im Ausland schon mal als Double ein und verkleidete sich in Ungarn sogar als Mann, um in Hosen reiten zu können.

Wo wir beim Thema Pferde wären: Nicht erst Prinzessin Diana hatte eine Vorliebe für ihren Reitlehrer, richtig?

Kaiserin Elisabeth war eine fantastische Reiterin. Sie sprang über jede Hecke, ohne zu wissen, was sie dahinter erwartet. In England wollte sie Unterricht von Bay Middleton. Doch der schottische Reitlehrer hatte kein Interesse daran, eine hochnäsige Kaiserin zu unterrichten – bis er Sisi mit ihrer 50-Zentimeter-Taille davongaloppieren sah. Fräulein Amalie sagte damals, er habe ihr von da an Tag und Nacht Reitunterricht gegeben.

Und schenkt man der alten Dame Glauben, gab es noch weitaus mehr Liebschaften.

Sie war überzeugt, dass Kaiser Franz Joseph nicht der einzige Mann in ihrem Bett war. Es gibt sogar ein Gedicht darüber. In „Das Kabinett“ bezeichnet Sisi sich selbst als Frau Ritter Blaubart und beschreibt dort ihre abgelegten Geliebten. Für Fräulein Amalie war klar: Hier geht es um Graf Hunyady, den sie auf Madeira kennenlernte, den ungarischen Grafen Andrássy und den Faschingsflirt Fritz Pacher. Auch Bay Middleton und Elisabeths Ehemann sind erkennbar.

Bekam Kaiser Franz Joseph von den Affären Wind?

Nein. Aber Elisabeth besorgte ihm selbst eine Geliebte, die Schauspielerin Katharina Schratt. Sisi hat gemerkt, dass sie ihre ehelichen Pflichten nicht so intensiv erfüllen muss, wenn er anderweitig versorgt ist. Als Franz Joseph sie zum ersten Mal betrog, war Sisi sehr gekränkt. Später wurde sie da weitaus großzügiger. Als Treffpunkt für die Rendezvous hielt die Dienstwohnung von Sisis Hofdame Ida Ferenczy her.

Sisi galt als wunderschöne Frau ...

Sie war auch sehr gebildet. Aber bei ihren öffentlichen Auftritten kam es nur auf ihr Aussehen an. Da fühlte sie sich in der Pflicht – und zog daraus auch ihr Selbstbewusstsein. Sie hatte vermutlich das erste Fitnessstudio und turnte täglich. Ständig ließ sie sich wiegen und messen. An Hungertagen trank sie höchstens ausgepressten Fleischsaft und zum Nachtisch gab’s Eisstückchen mit ein paar Tropfen Orangensaft. Manchmal marschierte Sisi stundenlang im Eiltempo und ließ sich dafür extra die Röcke kürzen. Ihre Hofdamen machten dabei reihenweise schlapp. Dabei war das Überschlanke, Braungebrannte gar nicht im Trend der Zeit.

Ihr Schönheitswahn ist legendär – da kann so manches Hollywood-Starlet noch was lernen, oder?

Allerdings. Sie legte viel Wert auf Jugendlichkeit und hatte eine Maske zum Schlafen, die sie mit rohem Rindfleisch auslegte. Mit 31 Jahren ließ sie sich nicht mehr fotografieren und ab 41 nicht mehr porträtieren, denn sie wollte als junge Kaiserin in Erinnerung bleiben. Und das ist ihr gelungen. Später zog sie immer blitzschnell einen Fächer, wenn sich jemand näherte. Obwohl Sisi 60 Jahre alt wurde, hat niemand eine ältere Frau vor Augen. Sie war übrigens auch eine Kuhmilchspezialistin.

Wirklich?

Milch gehörte zu ihren Lieblingsgetränken. An manchen Tagen wollte sie nichts anderes. Sie hatte eine regelrechte Kuh-Sammelleidenschaft. Gefiel ihr ein Tier, wurde es gekauft. Einmal musste ein Bauer eine schwarze Kuh, die Sisi bei einem Ausflug aufgefallen war, ins Grand Hotel in Biarritz liefern. Sogar auf Schiffsreisen kam eine Kuh mit – obwohl die Tiere schnell seekrank wurden. Bayerisches Bier liebte sie ebenfalls. Wenn sie in München war, ist sie öfter im Hofbräuhaus eingekehrt und hat zwei Mass Bier gezischt.