StartseiteKulturSalzburger Festspiel: „Die Bassariden“ von Henze

Königsfamilie

Salzburger Festspiel: „Die Bassariden“ von Henze

Salzburg / Lesedauer: 3 min

Hans Werner Henzes Oper „Die Bassariden“ bei den Salzburger Festspielen
Veröffentlicht:17.08.2018, 19:43

Artikel teilen:

Hans Werner Henzes Oper „Die Bassariden“ wurde 1966 im Großen Haus der Salzburger Festspiele unter Christoph von Dohnányi mit den Wiener Philharmonikern aus der Taufe gehoben. Der polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski hat das Stück jetzt, mehr als ein halbes Jahrhundert später, in der Felsenreitschule neu inszeniert. Die Ausstattung stammt von Małgorzata Szczęśniak. Wieder spielt das Hausorchester des Festivals. Die musikalische Leitung hat diesmal Kent Nagano. Bei der Premiere erntete die in jeder Beziehung opulente Produktion viel Beifall.

Henze hat seine Adaption des antiken Dramas „Die Bakchen“ von Euripides als „Opera seria mit Intermezzo“ bezeichnet. Das Libretto ließ er sich von Wystan Hugh Auden und Chester Kallman schreiben. Es ist englisch und in der Neuinszenierung wird auch englisch gesungen. „Die Bassariden“ erzählen die Pentheus-Sage: Ein Fremder, es ist der Gott Dionysos, kommt nach Theben und verführt das Volk zu einem orgiastischen Kult. Der junge König Pentheus wehrt sich gegen den Ankömmling, verliert aber nach und nach die Kontrolle über seine Untertanen und schließlich auch über sich selbst. Als er die geheimen Riten der Sekte erkunden will, wird er von seiner eigenen Mutter Agaue und deren Schwester Autonoe getötet.

Psychologische Parabel

Die überbreite Bühne ist in mehrere Räume unterteilt. In der Mitte spielt sich das öffentliche Leben von Theben ab, rechts sind die Privaträume der Königsfamilie zu sehen. Warlikowski hat den Plot in die Entstehungszeit der Oper verlegt. Zu Beginn hört man einen aus dem Off knarzend gesprochenen Prolog, den Henze 1968 nachträglich geschrieben hat. Dionysos kündigt bedrohlich sein Kommen und dessen fatale Folgen an.

Schon hier kann die Geschichte als psychologische Parabel über die Rückkehr des Verdrängten gedeutet werden. Sie gerät so zerstörerisch, weil unterdrückte Sinnlichkeit und ausgegrenzte dunkle Seiten nicht integriert wurden. Vernunft, Aufklärung, Askese, Gesetzesordnung und Moral stehen sexueller Ausschweifung, Ekstase, Chaos und Verbrechen gegenüber. Warlikowskis Dionysos sieht mit Kapuzenjacke und Turnschuhen brutal aus. Sean Panikkar charakterisiert den ekelhaft selbstgewissen, durch nichts aufzuhaltenden Kerl mit eher schneidend-dominanter als verführerischer Tenorstimme.

Musikalisch eindrucksvoll

Russell Braun porträtiert den bieder gekleideten Pentheus großartig als verunsicherten Herrscher, der hart durchgreifen will, aber vergeblich kämpft. Großartig singen und spielen auch Willard White (Cadmus), Nikolai Schukoff (Tiresias), Károly Szemerédy (Hauptmann), Tanja Ariane Baumgartner (Agaue), Vera-Lotte Böcker Autonoe und Anna Maria Dur als alte Amme Beroe. Ständiges Headbanging der Sektenmitglieder ermüdet freilich ebenso wie das permanente Zucken, Zittern und Räkeln der fast nackten Tabledance-Künstlerin Rosalba Guerrero Torres, das eher verquält als lustvoll wirkt.

Nagano bringt die faszinierend verschatteten Farbfelder der Partitur und ihre chaotischen, grell-brachialen Ausbrüche mit riesiger Orchesterbesetzung imposant zur Geltung. Dass es in dieser eloquent dahinfließenden Musik auch einige Längen, rhythmisch brave Passagen, altbackenes Chormelos, Kantilenenklischees und viel geborgt anmutende Passagen gibt, ist gleichwohl nicht zu überhören. Insgesamt gelingt jedoch eine musikalisch eindrucksvolle Interpretation.