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Nachruf: Zum Tod von Bruno Ganz

Ravensburg / Lesedauer: 3 min

Zum Tod des Schauspielers Bruno Ganz
Veröffentlicht:17.02.2019, 15:39

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Bruno Ganz ist tot. Man hätte es ahnen können, dass es ihm nicht gut geht, seit er vergangenen Sommer seinen Auftritt bei den Salzburger Festspielen aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. Aber es kamen ja noch zwei Filme mit ihm ins Kino: In Lars von Triers „The House, That Jack Built“ spielte er den rätselhaften Dialogpartner eines Frauenmörders und in Nikolaus Leytners „Der Trafikant“ den Vater der Psychoanalyse, Sigmund Freud.

Es waren die Nachdenklichen, die Grübler, die Skurrilen und die Außenseiter, in denen Bruno Ganz seine Menschendarstellungskunst zur Blüte bringen konnte. Dass er einmal zum Träger des Iffland-Ringes und damit zum „bedeutendsten und würdigsten Bühnenkünstler des deutschsprachigen Theaters“ gekürt würde, war dem 1941 geborenen Arbeiterkind aus Zürich nicht vorbestimmt: Abgang von der Schule vor dem Abitur, eine Flucht nach Paris, nach der Rückkehr Schauspielunterricht in Abendkursen.

Wenn man sich die Biografie anschaut, muss das Talent des jungen Mannes rasch Früchte getragen haben. Erste Filmauftritte, ein Engagement am Theater in Göttingen und dann Bremen. Ein Glücksfall. Dort hatte der ehemalige Ulmer Intendant Kurt Hübner ab 1964 eine Reihe von jungen Regisseuren, Schauspielerinnen und Schauspieler um sich versammelt: Peter Zadek, Wilfried Minks, Peter Stein , Edith Clever, Jutta Lampe, Vadim Glowna. Und eben diesen jungen Schweizer. Er bekam die großen Rollen - Hamlet, Franz Moor, Torquato Tasso - und fand in Peter Stein einen Geistesverwandten, mit dem ihm eine lebenslange künstlerische Zusammenarbeit verbinden sollte. Im Jahr 2000 spielte Ganz in Steins Mammut-„Faust“ die Titelrolle in beiden Teilen.

Die Lust am Theater verloren

Die 1970er-Jahre müssen im Theater eine spannende Zeit gewesen sein. Ein Aufbruch, eine neue Ästhetik. Bruno Ganz war mittendrin, als sich Künstlerinnen und Künstler im Kollektiv vereinten und an der Berliner Schaubühne das deutschsprachige Theater revolutionierten. Botho Strauss war dort Dramaturg, eher er selbst zu schreiben begann. Bruno Ganz war der ideale Darsteller für die seltsamen Helden in Botho-Strauss-Stücken wie „Der Park“ oder „Die Fremdenführererin“. Als er sich schon mehr und mehr vom Theater zurückgezogen und dem Film zugewandt hatte, spielte er noch einmal in einer Strauss-Uraufführung: Das war 1996 in Dieter Dorns Inszenierung von „Ithaka“ an den Münchner Kammerspielen. Da spielte Ganz den zurückkehrenden Odysseus, der zum Mörder wird all der Freier, die sein Haus belagern. Im Vorfeld hatte es Ärger gegeben, man vermutete, Botho Strauss habe in „Ithaka“ ein Theaterstück aus seinem umstrittenen Text „Anschwellender Bocksgesang“ gemacht. Doch in Dorns Regie und mit einem Darsteller wie Bruno Ganz wurde daraus keine Bebilderung einer irgendwie gearteten neurechten Ideologie sondern eine feine, durchaus nicht ironiefreie Annäherung an den Mythos. „Sieger weinen nicht so wie dieser Odysseus“, stand damals in der Zeitung.

Diese Art, Figuren zu verkörpern und sie dabei oft mit einer heiteren Melancholie auszustatten, hat Bruno Ganz zu einer großen Meisterschaft geführt. Wim Wenders hat das erkannt. Mit diesem Regisseur hat Ganz auch seine vielleicht schönsten Rollen im Film gespielt – allen voran als gefallener Engel Damiel in „Der Himmel über Berlin“.

Von der Bühne hat sich Ganz nach und nach zurückgezogen. Mit den neuen Wilden und ihrer zunehmenden Entfernung vom Text konnte dieser alte Wilde wie so viele seiner früheren Kollegen nichts mehr anfangen. Ob seine Rollenwahl auf der Leinwand freilich immer glücklich war, mag dahingestellt bleiben. Die des Oskar Schindler soll Bruno Ganz abgelehnt haben, die des Adolf Hitler in Oliver Hirschbiegels „Der Untergang“ hat er angenommen. Leider. In Erinnerung behalten wir ihn lieber als einen dieser sanften Helden, die um die Sinnlosigkeit des Daseins wissen und ihr doch mit einer Art heiterer Gelassenheit begegnen. Dieser leise, große Charakterdarsteller wird uns fehlen.