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Musikkritik

Musikkritik zu den Wiener Symphonikern in Bregenz

Bregenz / Lesedauer: 3 min

Beim ersten Orchesterkonzert in Bregenz glänzen die Wiener Symphoniker mit slawischer Klangpracht
Veröffentlicht:24.07.2018, 18:44

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Die Chemie scheint schon zu stimmen: Der kolumbianische Dirigent Andrés Orozco-Estrada wird in vier Jahren Chefdirigent der Wiener Symphoniker werden und stellte sich beim ersten Festspiel-Orchesterkonzert des Klangkörpers mit einem ganz und gar slawischen Programm vor. Auch der Prager Philharmonische Chor durfte glänzen.

Ungewöhnlich sind Formen und Besetzung in Bohuslav Martinůs Doppelkonzert für zwei Streichorchester, Klavier und Pauke: Man hört stetes Pulsieren in rascher gezackter Bewegung, Orchestergruppen, die sich zuspielen und einander antworten, ein transparentes Spiel, das in den Außensätzen auch die Virtuosität der Streichergruppen zeigt. Das Soloklavier (Ivo Kahánek) wiederum ist manchmal nur als zusätzliche Klangfarbe zu hören. Im ausdrucksvollen langsamen Satz tritt es hervor – flüsternd, raunend, aufgewühlt. Das Konzert entstand zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in der Schweiz. Angst und Sorge um die tschechische Heimat, aber auch Hoffnungen sind darin gespiegelt. Mit seiner bildhaften und sehr präzisen Körpersprache führte Orozco-Estrada die Wiener Streicher, den Pianisten und den Solopauker Michael Vladar durch Martinůs farbenreiche Klangwelt.

Abend für Abend ist der Prager Philharmonische Chor in Bizets „Carmen“ und Goldschmidts „Beatrice Cenci“ gefordert, nun brachte er auch noch Antonin Dvořáks mächtiges „Te Deum“ zur Aufführung: Der Komponist schuf es 1892 für seinen Einstand in Amerika und zur 400-Jahr-Feier der Entdeckung des Landes. Entsprechend festlich, groß besetzt mit Blechbläsern, Schlagwerk und stimmgewaltigen Chorsätzen ist es komponiert. Doch unter dem kolumbianischen Dirigenten wurden auch die innigen Zwischenteile oder die im Pianissimo geführten Chorstimmen zur Begleitung der Sopransolistin zum Erlebnis.

Mit der slowenischen Sopranistin Mojca Bitenc war eine der drei Darstellerinnen der Micaela in „Carmen“ eingeladen worden: bestechend ihre Pianokultur, das feine Leuchten ihrer Stimme, die im Finale auch das größte Orchester- und Choraufgebot überstrahlt. Der polnische Baritonsolist Dariusz Perczak – auch er gehört als Dancaïro zur „Carmen“-Besetzung – interpretierte seine imposanten Passagen mit großer Inbrunst. Der Chor und sein sympathischer Leiter Lukáš Vasilek wurden zu Recht bejubelt, ist doch das Werk auch wegen seiner Anforderungen an Chor und Orchester selten zu hören.

Ein frisches Finale

Oft und immer wieder gern gehört ist dagegen Dvořáks neunte Symphonie „Aus der neuen Welt“ mit ihren schönen Soli, der Poesie des langsamen Satzes, den Rhythmen und Melodien, die der Komponist der „Volksmusik der Neger und Indianer“ abgelauscht haben will. Orozco-Estrada hat einen durchaus frischen Blick auf das beliebte Werk, überrascht mit Akzenten und Kontrasten, mit manchmal gehetzt klingenden Tempi, die im Gegenzug dann wieder stark zurückgenommen werden. Mit langem Atem spannt der Solist am Englischhorn seine Melodiebögen im Largo, seidige Streicher mit präsenten Mittelstimmen antworten ihm. Tänzerische Impulse setzt der Dirigent im Scherzo, auch das Finale wirkt frisch aufpoliert und wird von gleißenden Bläserklängen überstrahlt.