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Schaffenspause

Lotti: „Ich habe meinen inneren Frieden gefunden“

Kultur / Lesedauer: 6 min

Helmut Lotti ist auf Comeback-Tour – Ausgeruht, ohne Toupet und mit neuem Album
Veröffentlicht:12.05.2017, 16:58

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Und plötzlich war er weg. Abgang von der Bühne, Scheinwerfer aus, keine Schlagzeilen mehr: Helmut Lotti hatte genug von Stress und Druck des Musikgeschäfts. Fast sechs Jahre lang hat sich diese Schaffenspause hingezogen – nun ist der alte Charmeur wieder da, nach dem Comeback-Album folgt die Comeback-Tour. Und doch ist der 47-jährige Belgier nicht mehr (allein) jener Schwiegermutter-Traum wie vor seiner Auszeit – und das nicht nur ob seines Verzichts auf sein Toupet. Geblieben ist hingegen das Lampenfieber, denn: „Dieses Adrenalin brauche ich, das gibt mir Energie“, wie Helmut Lotti vor seinem Auftritt in Berlin Christoph Forsthoff erzählt hat.

„Ungeduldig, leicht gereizt, egozentrisch, ziemlich faul“: So haben Sie mir vor zehn Jahren auf die Frage nach Ihren Schwächen geantwortet – wie hat sich der Mensch Helmut Lotti seither verändert?

Ich bin nicht mehr so egozentrisch (lacht). Die drei anderen Eigenschaften hingegen treffen durchaus noch zu …

Wer Ihren aktuellen Tourplan sieht, kann sich Faulheit bei Ihnen kaum vorstellen …

Ich brauche diese Faulheit, um dann plötzlich die Dinge sehr intensiv zu machen. Hätte ich diese Faulheit nicht und könnte nicht Nein sagen zu manchen Sachen, dann wäre ich nicht in der Lage, anderes so konzentriert und fokussiert anzugehen.

War dies auch ein Grund für Ihre mehrjährige Auszeit?

Nein, der Grund war, dass der Vertrag mit meiner Plattenfirma damals auslief und es für mich in dem Moment einfach mal reichte. Ich wollte wissen und entdecken, was es sonst noch gab in meinem Leben und auch darüber nachdenken, wie es kam, dass es bei mir privat immer schief gelaufen ist und ob das etwas mit meiner Karriere zu tun hatte – heute weiß ich, dass das nicht der Fall ist.

Ist es für Künstler schwieriger, dauerhaft in einer glücklichen Beziehung zu leben?

Das hat nichts damit zu tun – auch wenn ich Müllmann gewesen wäre, wären meine drei Ehen gescheitert. Ich habe ganz einfach immer nur die falschen Entscheidungen getroffen.

Inwiefern falsche Entscheidungen?

Falsch insofern, dass ich eigentlich dreimal von Anfang an wusste, was schief läuft. Doch ich dachte: Ich mache weiter und löse das. Aber wenn es schon an der Basis Sachen gibt, die nicht okay sind – und damit meine ich nicht, dass meine Partnerinnen nicht okay gewesen wären: Es fehlte einfach die Grundlage für eine dauerhafte Beziehung. Und da hätte ich eigentlich gleich sagen sollen: Schluss damit – und das habe ich dreimal nicht gemacht.

Wenn Sie viel über sich und Ihr Leben nachgedacht haben – müssen wir uns dann einen vor sich hin sinnierenden Helmut Lotti vorstellen?

Oh nein, ich habe viel Spaß gehabt! Ich habe schöne Reisen unternommen und bin kulturell in Belgien sehr aktiv gewesen. So war ich Jury-Vorsitzender unseres wichtigsten Theaterfestivals, saß in der Jury eines Filmfestivals, habe auf der Bühne Poesie und

Musik miteinander kombiniert gebracht mit Liedern dazwischen – und vor allem selber auch ganz viele Kulturveranstaltungen besucht.

Und wie haben diese Jahre den Künstler Helmut Lotti verändert?

Ich glaube, ich habe mich nicht so sehr verändert – und das werden die Menschen auf meiner Tour auch erfahren. Ich bin immer noch der gleiche Helmut (lacht).

Das Image des Schmusesängers tragen Sie also nach wie vor mit sich.

Ich weiß nicht, was genau dieses Image bedeuten soll, aber natürlich werde ich Lieder singen, die sich schon früher in meinen Programmen gefunden haben, und im ersten Teil des Abends gibt es wie immer Songs von meinem neuen Album. Insofern wird meine Show sein wir früher – und ich bin auch wieder auf Tour mit dem Golden Symphonic Orchestra.

Seinerzeit galten Sie als Traum aller Schwiegermütter – und heute?

Wissen Sie, all das habe ich nicht erfunden und ich beschäftige mich nicht mit solchem Blödsinn (lacht).

Hoffen Sie, dass durch Ihre Auszeit vielleicht auch mancher Kritiker Sie aus einem neuen Blickwinkel sehen könnte?

Ich hoffe gar nichts! In Belgien habe ich ja künstlerisch etwas ganz anderes gemacht, doch so einfach geht das als Künstler nicht: Wenn du ein Image hast, kannst du nicht versuchen, dies zu ändern. Und wer Leute wie Madonna und David Bowie als Beispiel anführt, um zu belegen, dass man sich sehr wohl künstlerisch ändern könne: Das ist Blödsinn.

Inwiefern?

Das Image von Leuten wie Madonna ist doch gerade, dass sie jede Woche etwas anderes machen – machten sie das nicht, dann wäre das auch falsch. Bei mir ist es umgekehrt: Mein Image ist, dass ich nichts ändern soll.

Nun, zumindest Ihr äußeres Image haben Sie verändert, indem Sie jetzt auf Ihr Toupet verzichten …

Ich bin ganz einfach älter geworden und ich werde es auch nicht mehr verstecken, dass ich älter werde. Ich bin nicht mehr der ideale Schwiegersohn, sondern ich bin ein Sänger. Wenn die Menschen in meine Konzerte kommen, dann sollen sie nicht wegen meines Images kommen, sondern wegen meiner Lieder.

Ihre neuen Lieder und Coversongs kreisen um Glaube, Liebe, Hoffnung – schwingt da auch der christliche Glaube mit?

Es gibt eine ganze Menge echten Glaubens auf meinem Album. Und ein Titel, den ich selber geschrieben habe, erzählt die Geschichte eines Atheisten, der sagt, er brauche keinen Gott, um glücklich und gut zu sein.

Bekehren wollen Sie also dann doch niemanden?

Mir ist es egal, an was Menschen glauben oder ob sie überhaupt an einen Gott glauben. Zumal Glaube für mich nicht nur eine Sache der Religion ist: Ich glaube an die positive Energie von Menschen und dass es wichtig ist zu versuchen, anderen Menschen durch die eigenen positive Energie ein gutes Gefühl zu vermitteln. Denn positive Energie kann von einem Menschen auf einen anderen übergehen und sich dabei noch verstärken – und wir sollten immer versuchen, positiv im Leben zu stehen.

Sie haben mehr als 13 Millionen Alben verkauft – ist Helmut Lotti ein glücklicher Mensch?

Das glaube ich schon – ich glaube nicht, dass ich mir noch mehr erträumen kann als das, was ich schon erlebt habe. Ich habe meinen eigenen inneren Frieden gefunden – künftig möchte ich einfach Freude an meiner Arbeit haben und noch so lange wie möglich tolle Titel singen.

Tour-Termine: Wegen einer Kehlkopfentzündung wurde der Auftritt am 12.5. in Kempten kurzfristig abgesagt. Ersatztermin: 2. Juni.

Nächstes Konzert in der Region: Stuttgart, Liederhalle, 20.5., 20 Uhr, Karten: 0711/2555555