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Dokufilm

Jane Goodall zu ihrem neuen Dokufilm

London / Lesedauer: 4 min

Bisher unbekannte Farbaufnahmen beschreiben das Leben der berÃŒhmten Schimpansenforscherin
Veröffentlicht:20.03.2018, 17:47

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„Noch ein Film über mein Leben? Das braucht es doch wirklich nicht!“ Ganz genau erinnert sich Jane Goodall an ihre spontane Reaktion auf die Bitte, die Abgesandte von „ National Geographic “ der weltberühmten Forscherin vorgetragen hatten. Am Ende ließ sich Goodall, 83, doch erweichen von einem Argument, das tatsächlich schwer von der Hand zu weisen ist: Ihr Herzensanliegen, der Artenschutz wilder Primaten, ja der Schutz des Planeten braucht immer wieder frische Publizität. „Wir Menschen sind dabei aufzuwachen, aber wir müssen mehr tun.“

Mit dieser Botschaft zieht die wohl bekannteste britische Wissenschaftlerin seit Jahren um die Welt. Derzeit verbringt sie viel Zeit damit, den Dokumentarfilm „Jane“ vorzustellen. Dann steht die elegante, schlanke Dame in beiger Hose und rosa Rollkragenpullover, das graue Haar streng zurückgekämmt, auf der Bühne und unterhält sich mit dem Regisseur Brett Morgen .

Jede Menge Archivmaterial

Die kühle Londonerin und der temperamentvolle Amerikaner könnten jederzeit in einem Kabarett auftreten, so professionell werfen sie sich die Bälle zu. Kaum hat Goodall ihre ursprünglichen Zweifel an dem Projekt vorgetragen, berichtet Morgen davon, wie „sehr, sehr zögerlich“ er gewesen sei. „Ich sagte nur unter einer Bedingung zu: Ich würde das letzte Wort haben.“ Da wirft die Hauptfigur amüsiert ein: „Aber das letzte Wort sollte doch ich haben!“

Unverkennbar haben die beiden Profis einander schätzen gelernt während der gemeinsamen Arbeit an dem 90-minütigen Streifen. Wobei die Hauptarbeit Morgen zufiel: Er musste aus 150 Stunden qualitativ hervorragenden, aber gänzlich ungeordneten Farbaufnahmen eine Ordnung herstellen, die einen Einblick in Goodalls faszinierendes Leben ermöglicht. Die Filme hatten 50 Jahre lang im Archiv von „National Geographic“ geschlummert.

Inhaltlich leistet der Film, der seit 8. März in den deutschen Kinos läuft, wenig Neues, schließlich haben schon eine Reihe hervorragender Dokumentarfilmer Goodalls Biografie nachvollzogen. Es ist das Leben einer sehr entschlossenen jungen Frau, die ihren Kindheitstraum wahr machte: „Seit ich acht, neun Jahre alt war, wollte ich in Afrika leben.“ Mit 23 Jahren hatte Goodall genug gespart, um die Reise ins damals noch britische Kenia anzutreten. Drei Jahre später nahm sie den Auftrag an, im Urwald von Tansania das Verhalten von Schimpansen zu erforschen.

Ihre Beobachtungen im heutigen Gombe-Nationalpark veränderten die menschliche Sicht auf Primaten: Goodall berichtete über Individuen mit Intelligenz, Erinnerungsvermögen und hochentwickelten sozialen Fähigkeiten, die Kriege führten und Artgenossen auffraßen. Ihre Bücher verkauften sich millionenfach. In mehr als 100 Staaten der Erde gibt es inzwischen Projekte der Aktion „Roots & Shoots“ (Wurzeln und Sprösslinge), mit denen Kinder an die Bedeutung des Natur- und Artenschutzes herangeführt werden sollen.

Was für ein Leben! Was Goodall erlebt und geleistet hat, sollte immer wieder nacherzählt werden, zumal wenn man die Erzählung mit so außergewöhnlichen Bildern leisten kann. Sie stammen von einem der besten Tierfilmer des vergangenen Jahrhunderts, dem niederländischen Baron Hugo van Lawick (1937-2002). Er drehte von 1962 an im Auftrag von „National Geographic“ Hunderte von Stunden Dokumentarmaterial über Goodall und ihre damalige Schimpansenstation in Tansania.

Morgen hat sie mit Aufnahmen aus Goodalls Kindheit zusammengefügt und durch reflektierende Sequenzen aus einem langen Interview mit seiner Protagonistin umrahmt. Den Soundtrack lieferte US-Komponist Philip Glass. „Wenn man sich Glass leisten kann, dann nimmt man ihn natürlich“, findet Morgen. Aber anders als bei „Koyaanisqatsi“, der 1982 erschienenen filmischen Zivilisationskritik, hat „Jane“ die insistierende, hämmernde Musik des berühmten Minimalisten nicht nötig, im Gegenteil: Oft entsteht Lärm, wo tiefe Stille zu den berührenden Bildern viel eindrucksvoller wäre.

Forschungen im Mittelpunkt

In Lawicks Aufnahmen stehen Goodalls Forschungen im Mittelpunkt, natürlich. Die Liebe zu den Tieren ist unverkennbar. Und behutsam wandelt sich der Film von der klugen Beobachtung einer außergewöhnlichen Forscherin zu einer Liebesgeschichte auch unter Menschen. Sehr hübsch die Szene, als im Film von der Fortpflanzung der Affen die Rede ist. Dann kommt ein Schnitt, und Goodall sagt: „Ich mochte ihn gern.“

Gemeint ist Lawick, ein Kettenraucher und Perfektionist, der Goodall „zum Wahnsinn trieb“, offenbar nicht nur im negativen Sinn. Später zeigt der Film den gemeinsamen Sohn Hugo, den Goodall für ihre Forschungen mit in den Urwald nahm. „Wir bauten ihm einen großen Käfig, in dem er spielen konnte. Sonst hätten ihn die Affen gestohlen und aufgegessen.“ Da ist sie wieder, Goodalls lakonische Art, die im Verbund mit ihrer spürbaren stählernen Entschlossenheit, Intelligenz und Integrität diesen Film so überaus sehenswert machen.