StartseiteKulturFilm: „Parasite“

Parasite

Film: „Parasite“

Kultur / Lesedauer: 2 min

Komödie mit Tiefgang: „Parasite“, der Gewinner der Goldenen Palme, kommt in die Kinos
Veröffentlicht:17.10.2019, 07:00

Artikel teilen:

In Asien liegt gegenwärtig das kreative Herz des Weltkinos: 2018 gewann ein Film aus Japan das wichtigste Filmfestival der Welt in Cannes, 2019 war es der koreanische Film „Parasite“ von Regisseur Bong Joon-ho – eine Komödie, die auch Thriller ist.

Der Sohn einer armen Familie bekommt einen Job als Privatlehrer bei einer reichen Familie. Dem Idealbild der modernen urbanen Elite wird die Unterschicht gegenübergestellt: schlecht ernährt, dick und – das wird im Film thematisiert – schlecht riechend. Mit der unverhofften Anstellung des Sohnes beginnt eine Hochstaplergeschichte: Die Unterklassenfamilie manipuliert und infiltriert die Oberklassenfamilie.

Insofern ist „Parasite“ ein klassischer „Intruder-Film“, die Armen sind die Parasiten am gesunden Leib der bürgerlichen Familie. Aber der koreanische Regisseur Bong Joon-ho wäre nicht der virtuose Meister des Mehrdeutigen, würde er sein Thema nicht auch hier gegen sich selbst wenden. Denn schnell ist klar, dass auch die Vertreter der reichen Oberklasse auf ihre Art Parasiten am Leib der Gesellschaft sind, Schmarotzer, die auf Kosten aller anderen leben.

Die Vorstellung, dass das mitmenschliche Urvertrauen grundlegend erschüttert wird, dass Menschen ins Innerste, das Heim, die Familie eindringen, die eigenen Schwächen durchschauen und diese gnadenlos ausnutzen, löst bürgerliche Ängste aus. „Parasite“ zeigt, was mit Menschen geschieht, wenn sie nur noch auf sich und ihre Komfortzone achten. Diese der wohlhabenden braven Bürger wird durch die arme Familie, die nichts hat und darum alles wagen kann, in Frage gestellt.

Dies ist einerseits eine Komödie. Der Film mokiert sich über Amerika-Hörigkeit und Amerika-Faszination der koreanischen Neureichen. Er mokiert sich auch über den Hype, der um Diplome gemacht wird und über das Design von VisitenkartenDoch Bong Joon-hoo meint, was er zeigt, universal: Er zeigt eine Gesellschaft, die ihr Maß verloren hat. Gier und Materialismus bestimmen ihr Verhalten.

Vieles wird wortwörtlich genommen in diesem Film: Die Unterklasse wohnt im unteren Teil der Stadt in einem Kellergeschoss, die Oberklasse auf dem Hügel über Seoul in einem lichten Haus.

Zunehmend absurder werden die Wendungen, die die Handlung nimmt. Alles steigert sich zu einem furiosen Finale.

Wer die anderen Filme von Bong Joon-ho kennt, etwa „Snowpiercer“ oder „Okja“, ahnt vielleicht, was bevorsteht. Es sind immer Genrefilme oder Vermischungen verschiedener Genres. Dabei geht es immer auch um eine Kritik am Westen. Hier wird das westliche Lebens-, Arbeits- und Konsum-Modell, das universal gemeint ist und theoretisch normativ für die Gesellschaften der ganzen Welt gelten soll, in Frage gestellt. Und dies nicht etwa nur, weil allgemeine Glücksversprechen nicht funktionieren, sondern weil der Westen selbst dieses Modell schon lange in Frage gestellt hat.