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Konstanz

Einar Schleffs „Salome“ am Theater Konstanz

Konstanz / Lesedauer: 3 min

Vera Nemirova inszeniert Schleffs Fassung von Oscar Wildes Einakter.
Veröffentlicht:28.03.2018, 19:48

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Noch sitzen sich Salome und der Prophet Johannes am Tisch Aug in Aug gegenüber. Noch wehrt sich König Herodes mit aller Macht gegen Salomes Begehr nach dem Kopf des Johannes. Doch am Bühnenrand setzt der Henker Naaman bereits die schwarze Maske auf – lange kann der Widerstand nicht dauern, man hält den Atem an.

Um Glaube und Religion kreist die laufende Spielzeit am Stadttheater Konstanz, so hat Intendant Christoph Nix auch Einar Schleefs Fassung von Oscar Wildes Einakter „Salome“ aufs Programm gesetzt und für die blutige Tragödie, die besonders in den dramatischen Klangvisionen von Richard Strauss im Ohr ist, die Opernregisseurin Vera Nemirova ans Haus geholt. Wie es ihm gelungen ist, die Künstlerin, die an Häusern wie der Deutschen Oper Berlin, der Wiener Staatsoper oder bei den Salzburger Festspielen inszeniert, nach Konstanz zu locken? Die beiden schmunzeln: „Lang, lang ist’s her, 1992/93, da habe ich von Nix meine erste Gage bekommen“, sagt Vera Nemirova. Als Meisterschülerin und Assistentin von Peter Konwitschny kam sie zum Praktikum zu Christoph Nix, damals Intendant am Theater Nordhausen. „Und jetzt mache ich mein erstes Schauspiel nach über sechzig Opern.“ Sie ist gern gekommen, denn: „Ihr seid ein geistig reiches Haus mit großem künstlerischem Potenzial.“

Ein Schauspiel mit Musik ist es dennoch, aber nicht mit Anleihen bei Richard Strauss. Ein Streichquartett unter Jörg Walesch spielt zu den Orgien des Herodes auf: selbst komponierte Tafelmusik, in Zitaten darf es auch Mozart sein. Schaurig kratzt eine einzige Cellosaite, als der Henker sein Handwerk ausübt, leise wird „Näher, mein Gott, zu dir“ daraus, als Salome bereits den Kopf in ihren Armen wiegt.

Nemirova schafft starke Bilder in Klaus Werner Noacks Bühnenbild. Im Orchestergraben hockt Johannes, spricht seine beängstigenden Prophezeiungen, singt Songs wie „This is the end“, übergroß erscheinen bisweilen seine Augen im Guckkasten auf der dritten Ebene, wo auch Salome tanzt – einen Tanz mit Herodes. Die Hauptbühne ist die mit blutrotem Samt ausgeschlagene Ebene für das zügellose Hofleben. Als Lakaien stehen Prinz Narraboth, der Page der Herodias und der Henker Naaman am Sektbüffet, die schwarze Kleidung verwischt die Geschlechter wie beim Chor der Hofschranzen und Juden. Schwul und lüstern sind alle am Hof, mit artifizieller Contenance.

Einar Schleef bleibt weitgehend bei Wildes Original, vertieft aber die Charaktere. Mit dem starken Ensemble inszeniert Nemirova ein Seelendrama. Die Figuren sind Gefangene, grausam und bedauernswert. Faszinierend die stolze, verbitterte Herodias der Bettina Riebesel, der larmoyante Herodes des Jörg Dathe. In der Radikalität seiner Askese gefangen ist der Johannes des André Rohde. Stimmlich angeschlagen, aber in ihrer ganzen Körpersprache und Mimik umso stärker ist Sylvana Scheiders Salome. Nicht Rache, nicht das Geheiß der Mutter lässt sie den Kopf des Propheten fordern, sondern bedingungslose Liebe: „Das Geheimnis der Liebe ist stärker als das Geheimnis des Todes.“ Nackt sitzt er am Ende vor ihr, sie umfängt den Toten, streicht über seinen Rücken, während im überhöhten Ende die roten Vorhänge fallen und die nackten Gitter sich über das Königspaar senken. Schweigend steht der alles beobachtende Chor dahinter.