StartseiteKulturEin Tagebuch von Billy Talent: Endlich wieder zurück auf den großen Festivalbühnen

Festivalbühne

Ein Tagebuch von Billy Talent: Endlich wieder zurück auf den großen Festivalbühnen

Kultur / Lesedauer: 6 min

Die kanadische Rockband Billy Talent ist zurück in Europa, etwa bei den Zwillingsfestivals Rock im Park und Rock am Ring – Gitarrist Ian D’Sa über seine ersten Konzerte nach den schwierigen Corona-Jahren
Veröffentlicht:07.06.2022, 15:59

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Schon für Juni 2020 und dann wieder Juni 2021 war der Auftritt der kanadischen Band Billy Talent bei Rock im Park und Rock am Ring angekündigt.

2022 hat es nun geklappt: Mit Erfolgstiteln wie „Red Flag“, „Fallen Leaves“ und „Surrender“ haben Ben Kowalewicz (Gesang), Ian D’Sa (Gitarre), Johnathan Gallant (Bass) und Loel Campbell (Schlagzeug) Zehntausende Festivalfans mitgerissen. Ian D’Sa gewährt Einblick, was seit der ursprünglichen Vorbereitung auf die Festivals los war und wie sie gelaufen sind.

Herbst 2019

Als Vorgeschmack auf unser neues Material veröffentlichen wir „Forgiveness“. Bis zu den Tour- und Festivaldaten im Sommer 2020 wollen wir dann das Album draußen haben.

Sommer 2020

Keine Festivals, kein Album. Wir hoffen, dass der Spuk Ende 2020 vorbei ist und wir 2021 wieder Konzerte spielen können.

Sommer 2021

Ich konnte mir echt nicht vorstellen, dass die Pandemie so lange anhält. Sie geht einfach immer weiter. Meine Partnerin und ich legen uns einen Welpen zu, einen Findelhund aus Antigua namens Surf. Da gibt es einiges zu lernen. Aber er bringt uns viel Freude. Mit dem Album lassen wir uns Zeit.

Ich habe ja nirgends anders hinzugehen, also bin ich viel im Tonstudio und spiele weitere Tonspuren ein und singe weitere Background-Vocals ein. Wir haben auch alte Ideen nochmal hervorgekramt und deshalb beispielsweise Rivers Cuomo von Weezer kontaktiert. Er singt jetzt bei „End Of Me“. Ohne die Pandemie wäre es ein anderes Album geworden.

Winter 2022

Endlich wieder Konzerte! Bei den Shows in unserer Heimat Kanada gibt es Musik von unserem neuen Album „Crisis of Faith“. Wir holen jetzt die Konzerte von 2020 nach. Es ist schön, dass die jetzt endlich möglich sind, weil ich weiß, dass die Leute lange darauf gewartet haben.

Frühjahr 2022

Nach den Erfahrungen mit der Pandemie sind wir bereit für alles was kommt: Wir wollen uns keine zu großen Hoffnungen machen, aber die Daumen für die Festivalsaison sind gedrückt.

Anfang Juni 2022

Hallo Deutschland! Wir sind nach vier Jahren zurück in Europa. Erster Stopp ist Hamburg, wo wir proben. Am Freitag folgen unsere Auftritte bei Rock im Park und am Sonntag bei Rock am Ring.

Freitag, 3. Juni, 17.30 Uhr

Die erste Band, die ich in Nürnberg sehe, ist Bush. Gavin Rossdale hat es immer noch so drauf wie damals, als ich ihn in den 90er-Jahren gesehen habe. Er ist immer noch ein großartiger Performer. Man vergisst, wie viele erfolgreiche Songs Bush hatten. Das ganze Set besteht aus den Hymnen, die ich in den 90ern im Radio gehört habe: „Machinehead“, „The Chemicals Between Us“, „Everything Zen“ und so weiter.

Freitag, 3. Juni, 19.30 Uhr

In der Eishalle, der Orbit Stage, tritt Grandson auf. Er kommt aus Toronto und liefert eine super Show ab.

Freitag, 3. Juni, 21.45 Uhr

Kurze Zeit regnet es ziemlich heftig. Da stellt sich kurz die Frage, ob wir wohl so spielen können werden wie geplant. Schließlich geht es ja um die Sicherheit. Aber der Schauer verzieht sich zum Glück schnell.

Freitag, 3. Juni, 22 Uhr

Unsere alten Freunde von den Beatsteaks stehen auf der Bühne, ich bekomme Gänsehaut. Sie haben geholfen, uns in Deutschland bekannt zu machen, indem sie uns als Support auf ihrer Tour dabei haben. Sie sind so aufrichtig und unkompliziert. Es ist echt lange her, dass wir zusammen mit ihnen gespielt haben: vielleicht sieben oder acht Jahre? Meine Favoriten sind ihre Songs „Hand in Hand“ und „Cut Off the Top“, die sie beide spielen.

Freitag, 3. Juni, 23.45 Uhr

Endlich wieder vor europäischem Publikum zu spielen ist das Beste. Es fühlt sich an wie eine innige Umarmung eines alten Freundes. Wir waren tatsächlich auch ein bisschen verunsichert: Wollen uns die Leute nach so langer Zeit noch sehen?

Zum ersten Mal können wir die Songs von unserem neuen Album vor einem europäischen Publikum spielen. Und die Reaktionen waren super. Als Gitarrist mag ich von unserem neuen Material „Forgiveness I + II“ sehr gern. Das live zu spielen macht Spaß und ist eine Herausforderung. Auch „End of Me“ ist einer meiner Favoriten.

Samstag, 4. Juni, 0.40 Uhr

Der Tod von Taylor Hawkins, dem Schlagzeuger der Foo Fighters, im März hat uns schockiert. Es lässt einen grübeln, wie zerbrechlich das Leben doch ist. Am einen Tag spielst du noch vor 100000 Menschen eine unglaubliche Show und am nächsten Tag kann es vorbei sein.

Wir waren immer große Fans der Band und erinnern uns, wie sie uns auf Tour dabei hatten. Ich kann mir nicht vorstellen, was sie gerade durchmachen. Mit einem Cover von „Everlong“ wollten wir Taylor gedenken.

Samstagnachmittag, 4. Juni

Heute haben wir frei und sind in Köln. Da ist ganz schön was los am Feiertagswochenende! Eigentlich würde ich gerne mal den Turm vom Dom erklimmen, aber keine Chance. Stattdessen lande ich im Museum Ludwig und sehe Werke meiner Lieblingskünstler wie Picasso und Pollock.

Sonntag, 5. Juni

Weiter geht es am Nürburgring. Das ist schon ein abgefahrener Veranstaltungsort auf der Rennstrecke. Die Hauptbühne an den Boxengassen ist krass anzusehen. Heute spielen wir auf der anderen Bühne, der Mandora-Stage. Auch von dort ist die Aussicht auf das Gelände phänomenal.

Sonntag , 5. Juni, 23.50 Uhr

Unser Auftritt ist der letzte an diesem Festivalwochenende. Festivals sind anders als Einzelkonzerte. Das Publikum ist der Wahnsinn. Das Spannende ist, dass du auch vor Leuten spielst, die wegen anderen Künstlern da sind. Vielleicht gewinnst du also ein paar neue Fans. Neben neuem Material bringen wir auch Songs wie „Red Flag“, Fallen Leaves“ und „Surrender“ unter.

Montag, 6. Juni, 1 Uhr

Der letzte Ton ist verklungen. Es war ein unglaublicher Abend. Das Publikum war toll. Wir konnten die Bühne mit unseren alten Freunden von den Beatsteaks teilen. Die Kameradschaft unter den Bands ist das Schöne an Festivals.

Montag, 5. Juni, 15 Uhr

Wir sind im Bus. Es ist ungefähr noch eine Stunde nach Brno in Tschechien. Hier treten wir zum ersten Mal auf, vermutlich auch vor etlichen Leuten, die uns noch nicht live gesehen haben. Ich will gern noch die Stadt erkunden.