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Ein bisschen Hollywood im Schwarzwald

Kirchzarten / Lesedauer: 6 min

In Kirchzarten ist im alten Kurhaus ein internationales Filmstudio entstanden
Veröffentlicht:30.11.2020, 18:48

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Die Sonne blitzt durch die Tannen, ein Bauernhof ist von Nebelschwaden umhüllt. „Black Forest“ steht auf den Fotos der digitalen Hochglanz-Broschüre. Bunte Fachwerkhäuser aus dem Elsass treffen auf schneebedeckte Alpengipfel der Schweiz. Eine Kampagne des Tourismusverbands, könnte man meinen, um noch mehr Urlauber ins Dreiländereck zu locken. Aber die Zielgruppe ist eine ganz andere: die internationale Filmszene. Deshalb sind die Texte auf Englisch, deshalb wird neben den attraktiven Locations auch mit der technischen Ausstattung der brandneuen, in Kirchzarten angesiedelten Black Forest Studios geworben.

Bisher stand das 10.000-Einwohner-Städtchen im Einzugsbereich von Freiburg nicht im Verdacht, den Duft der großen weiten Welt zu verströmen. Das Tourismusbüro wirbt mit einer italienischen Eisdiele in der Fußgängerzone und dem beheizten Dreisambad. Viel Luft nach oben für den Glamourfaktor.

Warum hier also internationale Filmstudios?

Um die Black Forest Studios zu finden, muss man im Ort den Wegweisern zum Kurhaus folgen. Der Parkplatz ist beim Besuch im Oktober noch leer. Die neugestaltete, dunkle Fassade des früheren Kurhauses sieht mit dem Schriftzug „Black Forest Studios Germany“ und einem Hirschgeweih als Markenzeichen schon relativ international aus. Sebastian Weiland , der gemeinsam mit seiner Frau einen Millionenbetrag in die Studios investiert hat, empfängt den Reporter im neu gestalteten Coffeeshop, dem früheren Kurhaus-Restaurant. Wo früher Kantinencharme herrschte, sorgt nun der dunkle Parkettboden mit den Backsteinwänden und den großen stählernen Lampenschirmen für Loft-Atmosphäre.

Hier sollen sich Kreative treffen und bei regionalem „Food“ mit Blick auf den Schwarzwald Ideen entwickeln. „Diese Verbindung von der außergewöhnlichen Lage der Studios mitten in der Natur, der hochwertigen Einrichtung und dem neuesten technischen Standard ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal“, sagt Weiland.

Der Hausherr führt den Besucher in den früheren Kursaal, der nun zum Studio 1 mit 750 Quadratmetern Fläche wurde. Kameras oder Scheinwerfer sucht man vergebens. Das meiste Equipment wird von Weiland für die jeweilige Produktion angemietet, weil die Bedürfnisse der Filmcrews sehr unterschiedlich sind. Ein 360-Grad-Vorhang macht den Saal filmtauglich.

Zwei Freiburger haben sich den Traum vom eigenen Filmstudio erfüllt: Das Produzenten-Ehepaar Weiland hat viele Jahre in Los Angeles gearbeitet. Mit dieser Erfahrung haben sie sich daran gewagt, in ihrer alten Heimat die Black Forest Studios zu gründen.

Im Obergeschoss befinden sich fünf weitere, multifunktional nutzbare Studios mit 80 bis 200 Quadratmetern Fläche. Aus jedem Fenster schaut man auf grüne Hügel. Garderoben, Büros, ein komplettes Tonstudio und Räume für die Nachbearbeitung der Filme sind im Untergeschoss und im Nebengebäude platziert. Eine 2500 Quadratmeter große Event-Halle in der Nachbarschaft, die wegen Geschäftsaufgabe im Sommer plötzlich leer stand, wurde ebenfalls zum Studio umgebaut.

In Los Angeles Erfahrungen gesammelt

Am Ende der Führung kommt Sebastian Weilands Ehefrau dazu mit dem acht Monate alten Riley auf dem Arm. Er ist das jüngste von sieben Kindern der beiden Freiburger, die sich schon seit der Grundschule kennen. Nach dem Abitur begann Sebastian als Beleuchter und Kameraassistent bei den Bavaria Filmstudios in München. Nina Gwyn (Jahrgang 1973) studierte Tanz und Schauspiel an der Musicalschule in Hamburg, ehe die beiden 1994 nach Los Angeles zogen, um sich am Columbia College in Hollywood im Fach Film einzuschreiben. „Das College hat abends stattgefunden – tagsüber haben wir bei Filmproduktionen mitgearbeitet und vor allem Werbefilme und Musikvideos gedreht“, sagt Nina Gwyn Weiland .

Noch in Los Angeles gründeten die beiden 1997 ihre erste Firma, kehrten aber für ihre Hochzeit im gleichen Jahr nach Freiburg zurück. Die Wohnung und ein Büro behielten sie noch in L. A. Auch mit der 2010 gegründeten Kosmo Films GmbH produzierten sie aufwendige Werbefilme für die internationale Automobil- und Modebranche. „Wir konnten nie nachvollziehen, dass Filmregisseure abschätzig über Werbung reden. Uns hat das immer großen Spaß gemacht. Wir können uns da visuell voll ausleben“, so Nina Gwyn Weiland.

Die Leuchtturmwirkung eines Studios dieser Ausmaße ist für die Filmschaffenden und die Filmszene der Region von großer Bedeutung.

Fabian Kiefer

Bei den Drehs im Schwarzwald und Dreiländereck zeigten sich ihre internationalen Kunden begeistert von der Gegend. „Für uns war die Arbeit allerdings immer äußerst mühsam, weil es hier gar keine ernst zunehmende Film-Infrastruktur gab.“ Allmählich entstand die Idee, diese Möglichkeiten in ihrer Heimat zu schaffen. Dafür zog die gesamte Familie 2017 nochmals nach Los Angeles, um das große Projekt vorzubereiten, mit den Studiobauern von Warner und Universal zu sprechen und einen 70-seitigen Businessplan zu erstellen.

Zurück in Deutschland begann die Suche nach einem geeigneten Standort.

Dass beim Kurhaus Kirchzarten im Frühjahr der geplante Hotelinvestor absprang, wurde zum Glücksfall für die Freiburger. Sechs Monate haben sie rund um die Uhr gearbeitet, um mit ihrem 13-köpfigen Team startklar zu sein für die vielen Anfragen. Drei Kilometer Netzwerkkabel wurden verlegt, die letzten Büroräume gerade gestrichen.

„Die Leuchtturmwirkung eines Studios dieser Ausmaße ist für die Filmschaffenden und die Filmszene der Region von großer Bedeutung“, betont Fabian Kiefer von der FWTM/Film Commission Freiburg. Auch Heiner Behring, Professor für Filmgestaltung und Medientheorie an der Fachhochschule Offenburg und selbst Produzent, sieht in den Studios einen wichtigen Beitrag zur Filmlandschaft in Baden-Württemberg. „Das Konzept der beiden, Manpower und Infrastruktur für Filmproduktionen zur Verfügung zu stellen, finde ich gut. Durch ihre guten Kontakte zu den USA können sie sicherlich auch bei dortigen Produktionsfirmen Interesse wecken. In diesen Studios kann man einiges auf die Beine stellen. Da tun sich wirklich Türen auf für Filmemacher.“

Die geplanten Projekte mit US-Firmen müssen derzeit allerdings coronabedingt noch warten.

Deshalb werden im Augenblick in Kirchzarten noch kleinere Brötchen gebacken wie ein Livestreaming mit Landesbildungsministerin Eisenmann. Für die zweite Staffel der Netflix-Serie „Biohackers“ haben die Weilands gerade für eine Woche die Organisation an den Drehorten übernommen. Auch einige Musikvideos und ein Auto-Werbespot wurden schon in Kirchzarten und Umgebung gedreht.

Sebastian Weiland

Vom Horrorfilm bis zur Weihnachtsschmonzette, von der Arztserie bis zum Thriller reicht die Bandbreite der Projekte, die in den nächsten Monaten und Jahren in den Black Forest Studios realisiert werden. Neben Fremd- und Koproduktionen sind auch Eigenproduktionen geplant. Den Wechsel vom Werbespot zur Serie und zum Spielfilm traut Behring den beiden zu. „Sie haben viel Produktionserfahrung, und visuelles Denken ist natürlich auch die Grundlage im Werbefilm“, sagt der Filmprofessor, der auf eine Zusammenarbeit mit der Medienfakultät Offenburg hofft.

Sebastian Weiland ist gegenüber einer Kooperation aufgeschlossen. „Ich möchte hier auch jungen Filmemachern Raum geben.“ Das würde sicherlich auch dem Studio zusätzliche künstlerische Impulse geben. Der Glamourfaktor bleibt in Kirchzarten aber erst einmal überschaubar.