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„Dirty Harry“ feiert sich selbst auf der Stuttgarter Bühne

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Etwas zahme Late-Night-Show im Stuttgarter Theater mit einem blendend aufgelegten Harald Schmidt
Veröffentlicht:29.09.2019, 20:00

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Er sei unser „Happiness-Consultor“, verspricht uns Harald Schmidt gleich zu Beginn seiner neuen Show im Stuttgarter Schauspielhaus, der „Baustellen-Buddy“ unseres Lebens. Es sind zwei Begriffe, die er im Verlauf seiner recht kurzen neuen Show immer wieder bringt. Unnötigerweise, denn schon beim ersten Mal ist das nicht wirklich lustig. Das kann er besser und das wird es auch, aber eine komplett neue Show, ein neues Format, eingebettet in das reduzierte Bühnenbild von Horváths „Italienischer Nacht“, das ist eben immer auch eine Gleichung mit Unbekannten. Selbst für einen erfahrenen Show-Titanen wie Schmidt.

„Wie vermeide ich CO2?“, so fängt er an, kurz nach 21 Uhr. Schmidt läuft gravitätisch auf die Bühne, unter den Lichterketten hindurch und an den Bierbänken entlang die Arme ausgebreitet, die Augen wie in Märtyrerpose geschlossen. Ein cleverer Einstieg, das weiß er, denn selbst wenn Schmidt natürlich weniger Lösungen als vielmehr Possen offeriert, trifft er den Zeitgeist direkt ins Schwarze.

Eine gute Stunde wird sein Live-Debüt dauern, das lässt eine schweißtreibende Tour de force vermuten, einen solitären Akt voller Zynismus, bei dem jeder sein Fett weg bekommt. Hey, es ist ja immerhin „Dirty Harry“, der seit Jahren Late-Night-Abstinenz wieder an glorreiche Tage anknüpfen möchte. Das, so muss gesagt werden, gelingt ihm nicht durchgehend. Die Gag-Frequenz ist dennoch hoch, klug und hochwertig, er tänzelt, marschiert auf und ab, gestikuliert. Es ist wie gewohnt eine Freude, seinen scharfzüngigen Worten zuzuhören, seinem charmant verpackten Narzissmus, seinen schwarzhumorigen Gags.

Doch, an diesem Premierenabend zumindest, so scheint es, übt sich Schmidt noch ein wenig in schwäbischer Zurückhaltung. Das ist bedauerlich. Denn immer dann, wenn er aufdreht, zeigt er seine wahre Größe. Da bekommt es mal jemand aus dem Publikum ab, der Kretschmann hinter dem angekündigten Stargast des Abends vermutet, da wird die Possenreißerei der Politik klug und entlarvend vorgeführt, gerne auch mal ein Witz auf Kosten des Staatstheaters gemacht. Wagner, den Antisemiten, den wird man in Stuttgart doch wohl noch spielen dürfen, ulkt er und das Publikum weiß kurz nicht, ob es lachen darf oder nicht.

Darf es natürlich. Und Schmidt darf es auch, ihn und das Stuttgarter Staatstheater zeichnet eine lange Verbundenheit aus. Seit 2007 ist der 62-Jährige Ensemblemitglied, 2008 konzipierte er dort das Hamlet-Musical „Der Prinz von Dänemark“ unter der Regie von Christian Brey. Jetzt stehe er aber endlich allein auf der großen Bühne – was er schon immer wollte, wie er süffisant betont. Das Schöne: Eigentlich weiß man ja, dass es stimmt, und man nimmt es ihm gar nicht krumm. Das ist sein Talent, derlei selbstreferenzielle Gags liegen ihm an diesem Abend mehr als eine pointierte Abarbeitung des Tagesgeschehens.

Etwas mehr Schmackes wäre gut

Recht bemüht wirken seine Versuche, die überzogenen Weltverbesserer von heute aufs Korn zu nehmen. Von „veganen Leoparden“ oder doch wenigstens „vegetarischen Geparden“ träume er. Nur einmal die Woche Antilope, das müsse doch reichen. Ganz nett als Gag für zwischendurch, aber weder der CO2-Debatte noch seinem Renommee angemessen. Und auch die Sache mit dem Stargast, die müsste man noch mal überdenken. Mit dem erst 39-jährigen Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart und des Staatsorchesters Stuttgart, Cornelius Meister, holt sich Schmidt zwar ein absolutes Dirigenten-Wunderkind auf die Bühne. Die Chemie zwischen den beiden stimmt aber erst zum Ende hin.

Am Ende überwiegt klar das Positive. Schmidt ist eben immer noch viel eher ein Meister der klugen Unterhaltung als „Traumschiff“-Kreuzfahrtdirektor, das hat er endlich auch mal wieder auf einer Bühne unter Beweis gestellt. Am 31. Oktober 2019 wird Schmidt seine nächste, streng genommen nicht allzu späte Late-Night-Show veranstalten. Dann im Bühnenbild von Michael Endes „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“. Gerne mit ein wenig mehr Schmackes.