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Das Tier in der Antike: Ausstellung in der Antikensammlung München

München / Lesedauer: 5 min

Welche Bedeutung Tiere für die Menschen in der Antike hatten, zeigen die Antikensammlungen München
Veröffentlicht:08.07.2020, 19:24

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Mehr als 2000 Jahre liegen dazwischen. Und freilich hinken solche Vergleiche immer. Andererseits muss man unwillkürlich an den Superschlachter Tönnies denken, wenn jetzt in den Antikensammlungen in München das Verhältnis der alten Griechen zu den Tieren so vielfältig und erhellend aufgefächert wird.

Die Menschen zwischen Ithaka und Athen waren keineswegs Fleischverächter, sofern sie überhaupt an dieses fast schon luxuriöse Nahrungsmittel kamen. Aber das Schlachten wurde vorwiegend in eine kultische Handlung eingebunden, Götter und Priester hatten meistens mitzureden, und so schnell ging da nichts vorwärts. Das ist auf Vasen wie dem Glockenkrater, also einem Weinmischgefäß, des attischen Pothos-Malers (um 420 vor Christus) genau zu verfolgen. Und gleich der Ölbehälter daneben zeigt einen Opferdiener mit imposantem Hackmesser beim Zerlegen einer Ziege.

Dieses rituelle Töten will uns heute auch nicht mehr gefallen. Abgesehen davon wurde das Einverständnis des Tieres – beliebt waren vor allem Schweine – auf ziemlich fragwürdige Weise eingeholt: Der Priester besprengte das Vieh mit Wasser. Schüttelte es sich, deutete man das als Einverständnis, wenn nicht, musste die „Opferung“, die doch eine Tortur war, abgebrochen werden. Beim Fischfang und auf der Jagd galten naturgemäß andere Regeln, wer mit Hirschen anfängt zu verhandeln, sieht sie von hinten.

Doch dieses Innehalten und genauso das Schlachten eines Tiers minutiös zu kanonisieren, zeugt nicht zuletzt von einem Respekt, den man vor einem fertig panierten Schnitzel nicht zwingend entwickelt. Und was ständig und billig und in großen Mengen zu haben ist, sinkt eben auch in der Wertschätzung. Im antiken Alltag ging es allerdings nicht immer ganz so bedächtig zu. Wenn Opfergemeinschaften nicht alles innerhalb weniger Tage verzehren konnten, kam ein Teil des Fleisches in den Handel. Der Erwerb war jedoch kostspielig.

Die Griechen dachten außerdem praktisch. Im Normalfall wurden lediglich Knochen und Fett durch ein Brandopfer an die Götter weitergereicht, Fleisch und Innereien verspeiste man lieber selbst und folgte dabei dem Rat des Titanen Prometheus – so sagt es der Mythos, der außerdem versichert, Zeus würde bei diesem satten Betrug schon ein Auge zudrücken.

Aber Nutztiere waren kostbar, das bezeugt allein die Tatsache, dass Reichtum gerne in Herdengrößen taxiert wurde. Hesiod, der dichtende Nebenerwerbslandwirt, nannte um 700 vor Christus drei Dinge, die jeder Mann für ein halbwegs geordnetes Leben brauche: ein Haus, eine Frau und einen Ochsen für die Feldarbeit. Pferde hatten auf dem Acker noch lange nichts zu suchen und sorgten stattdessen fürs Prestige. Eine Quadriga, ein Viergespann, konnten sich dabei nur die wirklich Vermögenden leisten.

„Hund, Katze, Maus“ lautet der Titel der 300 Objekte umfassenden Ausstellung – das waren in der Antike gewöhnlich die Tiere, mit denen man rund ums Anwesen zu tun hatte. Wobei man Mäuse selbstredend loswerden wollte, deshalb wurden kleine Figürchen in Vorratskammern aufgestellt. Wo bereits eine Maus sitzt, kommt keine zweite, war man der Meinung. Doch das niedliche römische Bronzeexemplar aus dem 1. Jahrhundert vor Christus dürften die lebenden Kollegen mindestens ignoriert haben. Schlangen waren im Kampf gegen die Nager schon schlagkräftiger, auch die hielt man sich ganz bewusst. Katzen wurden dagegen erst in römischer Zeit aus Ägypten eingeführt.

Fürs Sofa, das heißt, für die Kline, zog man Schoßhündchen vor, sofern der Wohlstand solche Kurzweil erlaubte. Kräftige oder schnelle Hunde wurden eher für die Jagd ausgebildet. Apportieren gehörte dann zu den klassischen Aufgaben, wie es ein schlichter Terrakotta-Hund aus Böotien mit einem Hasen (?) im Maul vermittelt (5. Jhd. v. Chr.). Und selbst die Treue findet Ausdruck in einer berührenden Marmorskulptur aus Salamis: Mit gesenktem Haupt hält ein Hund Wache an einem Grab und verweist damit auch auf die Trauer der Hinterbliebenen.

Ein wahrer Zoo tut sich dann in der Welt der Götter und Mythen auf. Zeus ist der große Verwandlungskünstler, als Stier oder als Schlange rückt er auserwählten Damen quasi inkognito zu Leibe – gleich im Eingangsbereich wird man von einer ranken Leda samt Schwan empfangen. Und fast alle Vertreter des Olymps haben ihre tierischen Begleiter: Zeus’ Gemahlin Hera ziert ein Pfau, die sinnliche Aphrodite wird von Turteltäubchen umschwirrt, auch Delfine, Muscheln oder Hasen hat die Schaumgeborene im Schlepptau, und Artemis, die häufig mit einem Hirsch abgebildet ist, galt grundsätzlich als Herrin der Tiere.

Doch nur einer konnte es schließlich mit Löwen, fünfköpfigen Schlangen und Höllenhunden aufnehmen. Halbgott Herakles, Ergebnis eines Rendezvous zwischen Zeus und der sterblichen Alkmene, hat alles plattgemacht, was sich ihm in den Weg stellte. Hollywood könnte diesen Action-Heroe nicht besser erfinden. Bildhauer und Maler wurden jedenfalls nicht müde, seine unglaublichen Abenteuer festzuhalten. Dabei ging es keineswegs nur um den Mut des Helden, sondern genauso um das Unbezähmbare und das Lebensbedrohliche der wilden Natur.

Das Verhältnis von Mensch und Tier hat sich durchaus gewandelt, in den letzten hundert Jahren sicherlich stärker als in den fünf- bis zehntausend Jahren zuvor. Was davon zu halten ist? Auch darüber kann man in den Antikensammlungen ausgiebig nachdenken.