Bunny Rogers hat eine Figur wie ein Model, ihr Blick ist intensiv und leicht melancholisch. Sie ist gerade mal 30 Jahre jung und beschäftigt sich bereits mit Beerdigungen, mit Vergehen und Erinnern. Im Zentrum ihrer Installationen, Skulpturen und Bilder stehen häufig eigene Ängste und Traumata – Dämonen einer amerikanischen Jugend, die mit Internet, Terror, Amokläufen und Trump aufgewachsen ist. In ihrer neuen Ausstellung „Kind Kingdom“ (etwa: Gütiges Königreich) im Kunsthaus Bregenz (KUB) lässt die US-amerikanische Künstlerin opulente Landschaften entstehen, die alle Sinne ansprechen. International bekannt wurde sie mit einer Trilogie zum Amoklauf in der Columbine Highschool.
Im Erdgeschoss ist es düster, aber hinten leuchtet etwas Großes in kühlem Blau. Ein Erdhaufen könnte man meinen, während man den Rollrasen betritt. Beim Näherkommen stellt sich heraus, dass sich hier blaue Rosen, Blumenkränze, Bouquets und Schokoherzen in Glitzerpapier zu einem riesigen Grabhügel auftürmen, daneben steht eine Staffelei mit Selbstporträt. Die gesamte Szenerie hat etwas Unwirkliches, ist von einer süßen Melancholie geprägt, nicht zuletzt wegen der mit schwarzen Vorhängen abgedunkelten Fenster sowie des Schwarzlichts, das hier zum Einsatz kommt und alles helle Material psychedelisch bläulich leuchten lässt. Es riecht auch seltsam. Ein modriger Geruch, der vom Rasen ausgeht.
Vieles, was die im texanischen Houston geborene Bunny Rogers Form werden lässt, hat wie auch dieser Grabhügel mit individuellen Erfahrungen und subjektiven Erinnerungen zu tun. Der tragische Tod von Lady Di im Jahr 1997 und die damit verbundene kollektive Trauer haben die kleine Bunny offenbar nachhaltig beeindruckt. Die Bilder aus den Medien habe sie „nach wie vor lebhaft im Kopf“, erklärt sie bei der Presse-Preview mit leiser, brüchiger Stimme. „Der Tod ist ein brutales Thema, vor allem wenn er eine ganze (Fan-)Gemeinde betrifft.“
Das Thema Tod, Trauer, die Verlusterfahrung und alles, was damit zu tun hat, ist der rote Faden in der neuen Ausstellung im KUB, deren raumgreifende Installationen mit ihrer opulenten Optik überwältigend wirken. Im ersten Stock wird aus dem Grabhügel ein Müllhaufen, auf dem Rasen liegen Reste einer wilden Party. In der zweiten Etage folgt ein Garten mit zementierten Rosen und übereinandergestapelten Särgen aus Pappkarton, an den Wänden stehen Metallzäune mit weißen und blauen Bändern. Sie begrenzen den Schauplatz, als markierten sie ein merkwürdiges Ritual. Ganz anders dann das Dachgeschoss: Ein maßgeblich in Gelb und Weiß gekachelter Raum empfängt die Besucher. An den Wänden sind teilweise Duschköpfe angebracht, aus denen beständig Wasser tropft. Die Luft ist feucht und schwer wie im Schwimmbad. In einer Ecke steht traurig ein von Rogers angefertigter Wischmop aus der Serie „Mourning Mops“ (Trauermops). Will die Künstlerin damit andeuten, dass man sich von Trauergefühlen reinigen kann?
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Bunny Rogers scheint es mit ihrem Rundgang durchs KUB besonders um ein Wahrnehmen mit allen Sinnen zu gehen. Im ersten Stock zum Beispiel schmatzt der nasse Rasen bei jedem Schritt, es riecht nach Erde und Müll. Während einem unterm Dach ein Rausch der Farben erwartet und jeder Tritt durch den Raum hallt. Zugleich spiegelt die sich über vier Stockwerke erstreckende Gesamtinstallation jene Phasen wider, die die Hinterbliebenen so oder so ähnlich nach dem Tod eines Menschen durchlaufen. Allerdings berühren einen diese Schauplätze nicht nachhaltig. Man hat vielmehr das Gefühl, dass die Künstlerin nur effektheischend an der Oberfläche kratzt.
Doch warum beschäftigt sich die 30-jährige Newcomerin überhaupt mit Tod und Trauer? Im Gespräch mit dem Magazin „Monopol“ erzählte sie beeindruckend offen über ihre Depressionen, die sie als wiederkehrenden Zustand akzeptiert und in ihr Leben integriert hat – und in ihre Kunst: Immer wieder verarbeitet sie dabei auch ihre Suizidgedanken. Ihre Ausstellung im Herbst 2017 im dänischen Louisiana Museum nannte sie kurzerhand „A funeral to myself“ (Eine Beerdigung meiner selbst). Auf die Frage, ob sie sich trotz oder wegen ihrer wiederkehrenden Depressionen so sehr mit Vergehen und Erinnern beschäftigt, antwortete sie der Zeitschrift: „Trauer bedeutet doch auch, dass man sich mit Menschen und Dingen beschäftigt. Das hat eigentlich etwas sehr Lebensbejahendes. Ich glaube, ich bin eine depressive Optimistin.“ Für das KUB hat sie jetzt Landschaften geschaffen, in denen Drinnen und Draußen, Himmel und Erde, Fiktion und Realität, Trauer und Hoffnung ineinandergleiten. Optisch ist das grandios, mehr aber auch nicht.