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Bayreuther Festspiele: Castorfs „Ring“ geht ins vierte Jahr – Marek Janowski überzeugt am Pult

Kultur / Lesedauer: 4 min

Bayreuther Festspiele: Castorfs „Ring“ geht ins vierte Jahr – Marek Janowski überzeugt am Pult
Veröffentlicht:28.07.2016, 16:30

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Ein neuer Dirigent, eine zum Teil neue Sängerbesetzung und Frank Castorfs überbordende Regie: Der Bayreuther „Ring“ geht ins vierte Jahr, wirkt musikalisch auch unter dem erfahrenen Wagner-Dirigenten und Bayreuth-Neuling Marek Janowski glänzend und bringt an den ersten beiden Abenden mit „Rheingold“ und „Walküre“ szenisch weiterhin eine Bilderflut zwischen amerikanischem Motel und Ölbohrturm in Aserbeidschan.

Da sind sie wieder, die kichernden und spottenden Rheintöchter, die am Pool ihre Reizwäsche aufhängen, lockend mit dem Wasser spritzen und zwischendurch eine Wurst vom Grill holen. Alberich, der schmierig-gierige Nibelung, wird mit einer Gummi-Ente geneckt, spielt mit einem Wasserball und fischt ein „Rheingold“ aus dem Wasser, das wie die Thermodecke aus dem Krankenwagen aussieht. Wotan begrapscht Erda, während sie ihre Warnung ausspricht – hätte er ihr mal besser zu gehört!

Götter, Halbgötter, Riesen, Rheintöchter und Nibelungen geben sich ein Stelldichein an der Route 66, demolieren das Apartment und zündeln mit dem Feuerzeug, was sich an einer Tankstelle nie gut macht. Dazu gibt es die Castorf’schen Nebenhandlungen und Videoszenen, angsterfüllte Gesichter, einen Riesenwurm als züngelnde Schlange und eine Kröte, die davonhüpft. Zu all dem Getier – in der „Walküre“ gehören ja auch zwei Truthähne zu Hundings Hausstand – gesellt sich in diesem Jahr eine aufgeregte Fledermaus: Sie hat sich wohl ins Bühnenhaus verirrt.

Kernig und kraftvoll

In der „Walküre“ ragt die imposante Holzkonstruktion von Aleksandar Denić als Ölförderturm, Scheune, Wohnung Hundings und Wachtturm der Walküren bühnenfüllend in die Höhe. Hier scheint Castorf den Videoaktionismus etwas eingeschränkt zu haben, dafür gibt es zu Wotans langen Monologen im zweiten Akt allerlei Hintergrundbewegung. Spannend ist die Verbindung von Gesang und Video allerdings im ersten Akt, wenn sich zu Siegmunds „Ein Schwert verhieß mir der Vater“ ein Alptraum im Gesicht des schlafenden Hunding widerspiegelt.

Musikalisch hat der 77-jährige Marek Janowski, der in Wien, Köln oder Berlin komplette „Ring“-Zyklen dirigiert und auf CD eingespielt hat, das Erbe von Kirill Petrenko angetreten. Nicht so zauberisch filigran, nicht so farbenreich in den Aufschwüngen, aber kernig und kraftvoll, durchdacht und ausbalanciert klingt es aus dem verdeckten Orchestergraben. Eigentlich hatte sich Janowski wegen des modernen Regietheaters schon in den 1990er-Jahren von den Opernbühnen zurückgezogen, doch hier in Bayreuth bildet er das lebendige, atmende Geflecht von Leitmotiven, romantischer Orchestersprache und sprechenden Bläser- und Cellosoli überzeugend ab. Unter dem Schalldeckel des Grabens sieht er freilich nicht viel von der Bühne und Castorfs Regietheater.

Nach „Rheingold“ und „Walküre“ empfing den Dirigenten jedenfalls jubelnder Beifall, die Tücken der Bayreuther Akustik meistert er problemlos. Und mit der Gewittermusik zu Beginn, der intensiven Todverkündungsszene von Brünnhilde an Siegmund, in der die Bezeichnung „mystischer Abgrund“ für den Orchestergraben wunderbar wahr wird, und dem lyrisch strömenden „Feuerzauber“ wartet die „Walküre“ natürlich auch mit grandioser Musik auf.

In der Sängerbesetzung hat sich einiges geändert. Als grollend intriganter Alberich ist Albert Dohmen geblieben, sein giftiger Fluch auf den Ring wird zu einer Schlüsselszene im „Rheingold“. Nadine Weissmann ist und bleibt eine wundervoll eindringlich singende Erda in Glitzerkleid und weißem Pelzmantel und ist auch eine Stimme im harmonischen Ensemble der Walküren.

Leuchtende Wälsungen

Wie im Premierenjahr 2013 gibt der österreichische Bassist Günther Grössböck den Riesen Fasolt mit raumfüllender Präsenz und guter Sprache – schade, dass Fasolt erschlagen wird. An die Stelle von Wolfgang Koch in der Rolle des Wotan sind zwei neue Sänger getreten: Der Brite Iain Peterson singt im „Rheingold“ mit großer Stimme, doch wenig textverständlich, der Schwede John Lundgren überzeugt in der „Walküre“ mit starker Bühnenpräsenz und flexibler, abgerundeter Stimme, die am Ende eines langen Abends sogar noch mit inniger Pianokultur glänzt. Georg Zeppenfeld, einer der meist beschäftigten Bayreuth-Sänger in diesem Jahr, gestaltet den Hunding packend mit unterschwelliger Bösartigkeit, Heidi Melton und Christopher Ventris sind das stimmlich leuchtende Wälsungenpaar.