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Zwischenton

Abtauchen in alte Zeiten

Kultur / Lesedauer: 3 min

Jordi Savall und das Ensemble Hespèrion XXI bei den „Montforter Zwischentönen“ in Feldkirch
Veröffentlicht:06.07.2015, 16:15

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Jordi Savall und das Ensemble Hespèrion XXI zu Gast bei den „Montforter Zwischentönen“ in Feldkirch .

Zu den Wurzeln europäischer Kunstmusik entführte beim Sommerprogramm der „Montforter Zwischentöne“ ein Auftritt des renommierten Ensembles HespèrionXXI unter der Leitung von Jordi Savall. Seit einem halben Jahrhundert ist der katalanische Gambist und Forscher weltweit als Pionier Alter Musik erfolgreich. Das Konzert im neuen Montforthaus Feldkirch war Teil einer Veranstaltungsreihe, die unter dem Motto „Streiten – Zum Glück Konflikt?!“ vom 1. bis zum 5. Juli mit hochinteressanten Darbietungen aufwartete. Musik wurde dabei jeweils in einen aktuellen Kontext gestellt.

An drei verlängerten Wochenenden im Winter, Sommer und Herbst bieten die „Montforter Zwischentöne“ spannende Begegnungen von Klassik-Interpreten und Experten aus anderen Bereichen unserer modernen Gesellschaft. Die künstlerischen Leiter Folkert Uhde und Hans-Joachim Gögl haben dafür ganz neuartige Veranstaltungsformate entwickelt. Im Montforthaus und an weiteren Orten in Feldkirch, die immer passend zum Thema des Wochenendes ausgewählt werden, kommt es zu interdisziplinären Dialogen, die traditioneller Musikkultur überraschende Perspektiven abgewinnen.

Vom Phänomen des Streitens

Das Sommerprogramm konfrontierte nun Arbeitsgebiete wie Konfliktforschung, Kriegsberichterstattung oder den Alltag am Gericht mit musikalischen Annäherungen an das Phänomen des Streitens. Vom Gedanken des friedlichen Wettstreits, der im Begriff Konzert mitschwingt, bis zu kompositorischen Darstellungen von Schlachten oder improvisierten „Kommentaren“ zu Diskussionen reichte die Palette der Bezüge. So wurden etwa kontroverse Plädoyers einer sanft argumentierenden Mediatorin und eines rhetorisch kämpferischen Anwalts in einem Schwurgerichtssaal von einem Klarinettisten „moderiert“. Ganz auf das Festivalmotto „Streiten“ zielte auch das Etikett „Kontra. Punkt!“, mit dem das Konzert von Jordi Savall und Hespèrion XXI überschrieben war. Im Blick auf das Programm mit polyfoner Musik aus der Zeit der Renaissance und des Barock traf dieser Titel durchaus zu. Kontrapunktische Satzweise repräsentiert kompositorisch freilich nicht in erster Linie ein „musikalisches Streitgespräch“, wie dies Folkert Uhde in seiner Begrüßung andeutete, sondern eher einen „friedlichen“, zielführenden Dialog gleichberechtigter Stimmen, die sich bestimmten harmonischen Regeln beugen. Tonmalerische Schlachtmusiken boten allenfalls einige Battaglia-Stücke.

Wie elementar kontrapunktische Satzweise als Grundprinzip der hochentwickelten Kunstmusik Europas seit dem Spätmittelalter wirksam war, demonstrierte die breit gefächerte Auswahl der Stücke von Tonsetzern aus England, den Niederlanden, Frankreich, Spanien, Deutschland und Italien. Tänzerische Rhythmen, Volksliedweisen, Dudelsack-Imitationen, virtuose Passagen und reizvolle Pizzicato-Effekte führten indessen vor Ohren, dass gelehrte Satzkunst sich schon damals gerne auch von sinnlicher Spielfreude anstecken ließ. Beide Pole haben sich gegenseitig befruchtet.

Großer Auftritt für die Gamben

Hespèrion XXI weckte das „Goldene Zeitalter des Gamben-Consorts“ zu prallem akustischem Leben. Gamben sind Streichinstrumente, die beim Spielen im Gegensatz zu Geige und Bratsche nicht am Arm gehalten, sondern mit dem Hals senkrecht nach oben auf dem Schoß aufgestützt werden. Savall selbst entlockte dem höchsten und kleinsten Instrument der Gamben-Familie (Pardessus de viole) beseelte Töne. Philippe Pierlot (Diskant- und Bassgambe), Sergi Casdemunt (Tenorgambe), Juan Manuel Quintana und Lorenz Duftschmid (Bassgamben) und Xavier Puertas (Violone) assistierten mit sensationeller Feinabstimmung.

Die nächsten „Montforter Zwischentöne“ zum Thema „Glauben – Zwischen Zweifel und Offenbarung“ finden vom 12. bis 29.November 2015 in Feldkirch statt. Infos: www.montforter-zwischentoene.at