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Aber wir haben die Füße

Frankfurt / Lesedauer: 4 min

Albrecht Dürer ganz groß: Frankfurter Städel zeigt seine Meisterwerke im Dialog mit denen anderer Künstler
Veröffentlicht:25.10.2013, 07:16

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Also gleich vorweg: „Die betenden Hände“ sind nicht da. Die Dürer-Ausstellung im Städel kommt ohne den Klassiker der Todesanzeigen-Dekoration aus. Dürer (1471-1528) ist immer eine Sensation. Und da sind die Medien fixiert auf das, was bekannt ist. „Die betenden Hände“, erklärt also Direktor Max Hollein eigens, müssen nach längerer Reisetätigkeit erst mal daheim bleiben in der schönen Wienerstadt: „Aber wir haben die Füße!“

Dabei liegt die letzte Dürer-Ausstellung nicht weit zurück: 2011 hat das Nationalmuseum in Nürnberg den frühen Dürer gezeigt und ihn in der Stadt mit ihrer Szenerie und Gesellschaft verortet: Dürer als Nürnberger. Das Städel zeigt jetzt, so könnte man sagen, Dürer als Frankfurter.

Maler mit Geschäftssinn

Dürer war regelmäßig zur Messezeit in der Stadt, um seine Arbeiten zu verkaufen. Hier bekommt er 1507 den Auftrag des Patriziers Jakob Heller . Er malt Altarbilder für die Grablege der Familie in der Dominikanerkirche, dem „Mausoleum der städtischen Oberschicht“, wie es Kurator Jochen Sander formuliert. Das Kloster lebt davon, dass die Familien hier ihre Grabstätten errichten und den Priester zahlen, der fürs Seelenheil täglich die Messe liest. Heller ist mit Geldgeschäften und dem Tuchhandel reich geworden.

Mit dem Heller-Altar liefert Dürer ein Meisterstück ab, im doppelten Wortsinn. Die große Mitteltafel mit der Himmelfahrt Mariens ist eine eigenhändige Arbeit, keine seiner Werkstatt wie die grauen Tafeln für die Rückseite. Zwischendurch treibt er, nach alter Handwerkersitte, den Preis nach oben: gestiegene Materialkosten. Und als der Altar in Frankfurt ankommt, schreibt Dürer hinterher: Das sei jetzt wirklich das letzte Mal, dass er so einen Aufwand mit einem Bild betrieben habe. In der gleichen Zeit hätte er mit Drucken viel mehr verdient.

Enger Kontakt zu Kollegen

Die Rekonstruktion des Heller-Altars, tatsächlich eines der letzten Großformate Dürers, ist die Sensation der Frankfurter Ausstellung. Denn mit Napoleon und der Auflösung des Klosters fand die Vorsorge ums Seelenheil ein Ende. Seitdem sind die Tafeln des Heller-Altars auf mehrere Museen verteilt. Der große Mittelteil mit der Marienkrönung wurde aber schon vorher, bereits 1614, an den kunstsinnigen Maximilian I. nach München abgegeben. Im Gegenzug bekam das Kloster eine Stiftung und eine Kopie des Bildes. Das Original fiel in München einem Brand zum Opfer.

Die Kopie gibt einen Eindruck von der Konzeption, nicht von der Qualität der Tafel. Dank des Aufwands, den Dürer berichtet, existieren 18 Vorzeichnungen. Sie sind so eindrucksvoll, dass sie ein Eigenleben entfaltet haben. Am berühmtesten sind „Die betenden Hände“ geworden. Für die Ausstellung hat das Städel die ansonsten verfügbaren Zeichnungen zusammengetragen: Gewandfalten aus Paris, Köpfe aus Berlin, die besagten, nicht minder virtuosen Füße aus Rotterdam. Sie gehören einem Apostel, der auf Knien der Himmelfahrt Mariens nachschaut. Die Ausstellung verfolgt ein Konzept, das man „Dürer im Direktvergleich“ nennen könnte. Sie versetzt ihn in den Dialog mit den anderen Malergrößen seiner Zeit. Bild an Bild hängt nebeneinander, was sonst über die halbe Welt verstreut ist. So spiegelt die Ausstellung die Kontakte zu Kollegen, die Dürer auf seinen Reisen traf. Etwa zum selten gezeigten Joachim Patinir in Antwerpen. Dürer war mit ihm befreundet, er bewunderte dessen Bildidee, biblische Szenen in Landschaftspanoramen einzubauen.

Das Städel folgt seiner Strategie, den eigenen Bestand zum Kern der Ausstellung zu machen. Der ist bei den Ölgemälden klein, bei der Grafik reich. So kann es Dürers Innovationen bei den Techniken zeigen, mit denen mehr Geld zu verdienen war als mit der Feinmalerei.

Berühmte Blätter

Seine „Meisterstiche“ in Kupfer mit so berühmten Blättern wie „Ritter, Tod und Teufel“, „Hieronymus im Gehäus“, „Melencholia I“. Bei den Holzschnitten sind ganze Buchserien ausgestellt, darunter der Bestseller, das Marienleben. Die monumentale Druckgrafik der Ehrenpforte für Kaiser Maximilian: 36 Papierbögen, 3,5 Meter hoch, 3 Meter breit. Oder sensationslüsterne Flugblätter mit den allerneuesten Missgeburten: die „wundersame Sau“ aus dem Elsass mit Beinen auf dem Rücken. Oder die siamesischen Zwillinge, die 1512 in Ermatingen bei Riedlingen zur Welt kamen. Eine reiche, detailfreudige Ausstellung. Auch ohne die betenden Hände. Und den possierlichen Hasen.

„Dürer: Kunst – Künstler – Kontext“. Städel-Museum Frankfurt bis 2. Februar 2014, geöffnet täglich außer montags 10 bis 19 Uhr, donnerstags und freitags bis 21 Uhr. Der Katalog ist bei Prestel. erschienen, 400 Seiten. 39,90 Euro.

Eindrücke von der Dürer-Ausstellung finden Sie auf www.schwaebische.de/duerer