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Der Vertrieb verändert sich – und bietet neue Chancen für den Mittelstand

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

Die Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen in der digitalen Welt ist komplex. Das muss nicht zwingend ein Nachteil sein, wie beim BBF deutlich wird.
Veröffentlicht:28.09.2023, 13:58

Von:
  • Lea Dillmann
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Der Weg war einst völlig klar: Kunde trifft auf Vertriebler und lässt sich von dessen Produkt überzeugen ‐ oder eben nicht. Doch diese Szene spielt sich so nur noch in wenigen Betrieben ab.

„Das funktioniert nicht mehr“, sagt Winfried Küppers. Er ist Wissenschaftler und analysiert seit Jahren, wie sich Vertrieb, Kundengewinnung und Lieferantentreue verändern. Er erklärt, warum der Vertrieb heute ein anderer und vor allem komplexer ist.

Vertrieb findet verstärkt online statt

Die Veränderung beginnt bereits bei der Entscheidung des Kunden, an welches Unternehmen er sich auf der Suche nach einer bestimmten Lösung überhaupt wendet. Diese Entscheidung wird eben nicht mehr im persönlichen Rahmen getroffen, sondern Kunde und Unternehmen sind über digitale Kanäle nur noch wenige Klicks entfernt.

Winfried Küppers, Leiter des vertriebsanalytischen Instituts der Steinbeis-Stiftung. (Foto: Armin Buhl)

Der Kampf um die Aufmerksamkeit des Kunden findet mittlerweile verstärkt im Internet statt: auf Plattformen wie LinkedIn oder Instagram. Dabei hilft es, sich auf dem Markt bereits einen Namen gemacht zu haben. Auch Podcasts eignen sich ideal als Vertriebsstrategie, wie Moderator Dirk Hildebrand betont, der auch Audio- und Podcast-Experte ist. Dabei reiche es, in Podcasts zu Gast zu sein.

Mittelstand braucht persönliche Nähe zu Kunden

Jasmin Ghubbar aus der Geschäftsleitung der DSV-Gruppe ‐ dem zentralen Finanzdienstleiter der Sparkasse ‐ rät mittelständischen Unternehmen: „Ich brauche nicht die größte Marke zu haben.“ Im Mittelstand sei die persönliche Nähe zu Kunden relevant. Dafür kann Social Media ergänzend genutzt werden.

Jasmin Ghubbar, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiterin Konzernvertrieb und Strategisches Portfoliomanagement in der DSV-Gruppe, dem zentralen Finanzdienstleister der Sparkasse. (Foto: Armin Buhl)

Jasmin Ghubbar erklärt: Über gutes Storytelling könne der Mehrwert der eigenen Produkte sichtbar gemacht werden. Dabei sollten allerdings nicht die Produkte an sich im Zentrum stehen. Vielmehr sollten die Unternehmen ihren potenziellen Neukunden einfach und verständlich aufzeigen: Welches Problem besteht? Wie sieht die gebotene Lösung des Unternehmens dafür aus?

Dabei müsse ein Unternehmen nicht die gesamte Produktpalette für jede Zielgruppe bieten können, sagt Jasmin Ghubbar. „Zur Prozessoptimierung gehört es dazu, Produkte aufzugeben.“ Bestehende Kunden müssten aber darüber aufgeklärt und von neuen Alternativprodukten überzeugt werden.

KI ist toll zur Vorbereitung, aber verkaufen tun Menschen.

Winfried Küppers

Zwar sind Unternehmen mit einer großen Produktvielfalt laut Winfried Küppers krisenresistenter als andere. Das sei aber nur dann ein Vorteil, wenn man es managen kann. „Die Gefahr, sich zu verzetteln, ist unwahrscheinlich groß.“

Lieferengpässe erzwingen neue Geschäftsmodelle

Eine weitere Entwicklung, die den Vertrieb massiv beeinflusst: Material ist inzwischen nicht ständig lieferbar. Die „schön planbare Ausgangssituation“ ist vorbei, sagt Nico Michels. Der Maschinenbauingenieur hat mehr als 20 Jahre Führungserfahrung in der digitalen Transformation des Engineerings. Aktuell verantwortet er bei Siemens einen Bereich, der automatisierte und digitalisierte Prozessketten vorantreibt.

Er sagt: Wenn Energie, Material und Fachkräfte nicht mehr unbegrenzt verfügbar sind, müssen sich Unternehmen überlegen, wie sie neue Geschäfte entwickeln. Jasmin Ghubbar nennt Leasingmodelle als ein Beispiel. Nico Michels betont den positiven Effekt von neuen Geschäftsmodellen wie diesem: Sie passen mit dem Nachhaltigkeitsgedanken zusammen und damit ein Stück weit mit der Erwartung vieler Menschen.

KI kann Menschen im Vertrieb nicht ersetzen

Winfried Küppers sieht in den Lieferproblemen „einen echten Wettbewerbsvorteil für Zulieferer in Deutschland“. Sie seien nicht auf Containerverschiffung angewiesen, sondern könnten direkt liefern. Durch die Lieferprobleme werden sich auch die Reaktionszeiten in Lagern verändern. Bei der Frage, wann sich meine Lagerbestände wieder auffüllen muss, damit ich rechtzeitig Ware habe, könnte aus Sicht von Jasmin Ghubbar Künstliche Intelligenz (KI) hilfreich sein.

Im Vertrieb selber wird KI nicht den Menschen ersetzten, ist Winfried Küppers überzeugt. „KI ist toll zur Vorbereitung, aber verkaufen tun Menschen.“ Vertrieb erfordere vertrauensvolle Maßnahmen. Seine Erfahrung zeige: Unternehmen, die ihr Personal am besten schulen, sind im Verkauf am erfolgreichsten.