Aufgegabelt
Für Bier-Puristen ein Sakrileg: So ist das Radler entstanden
Lindau / Lesedauer: 3 min

Erich Nyffenegger
Mit dem Erfrischungsgetränk Radler verhält es sich wie mit so manchem Lebensmittelklassiker: Es ist aus Zufall und aus der Not heraus entstanden. Und der Name kommt nicht von ungefähr. Die Entstehungsgeschichte gemäß dem Bayerischen Brauerbunds geht so:
1922 soll es gewesen sein, da ist in der sogenannten Kugler–Alm, einem Biergarten in Oberhaching, der heute noch existiert, das Bier knapp geworden. Grund dafür war das schöne Wetter eines Sommersamstags, der 13.000 Radler aus München anlockte.
Der enorme Bierdurst war mit den vorhandenen Vorräten nicht zu befriedigen. Also hat der Wirt das Bier mit Zitronenlimonade gestreckt, um abzuwenden, dass der Biergarten auf dem Trockenen sitzt.
Natürlich hat Franz Xaver Kugler es nicht versäumt, so zu tun, als habe er dieses Mischgetränk extra auf die Bedürfnisse der radfahrenden Gäste abgestimmt. Fortan gehörte die Radlermass zum Standardangebot nicht nur der Kugler–Alm — der Rest ist Geschichte.
BIer-Puristen strüben sich die Nackenhaare
Das Radler ist seit diesen Tagen des frühen 20. Jahrhunderts aber nicht unumstritten. Denn für Bier–Puristen ist es schlicht Sakrileg, etwas anderes in den Gerstensaft zu schütten, als jene Dinge, die im Reinheitsgebot seit Jahrhunderten festgeschrieben stehen.
Radler ist unter den gestrengen Augen von Traditionalisten nichts anderes als Panscherei — egal, ob man das Mischgetränke nun Radler, Alsterwasser, Panaché, Sauscheider oder wie in den Niederlanden Schneewittchen nennt.
Unter Bier-Puristen sind Bier-Mischgetränke verpöntBier vier Mal in einem Satz beleidigen? - Klar geht: Ein kleines alkoholfreies Radler!
Und auch egal, ob man Zitronen– oder Orangenlimonade hineinkippt oder Cola, Almdudler und Mineralwasser. Letzteres ist in Verbindung mit Bier als saures Radler bekannt. Im Norden hieß das Getränk lange Zeit Radfahrerliter.
Isotonische Wirkung des Bieres
Was nicht nur das alkoholärmere Radler, sondern auch alkoholfreie Biere insgesamt bei Radsportlern beliebt macht, ist die isotonische Wirkung, die das Bier nachgewiesenermaßen hat.
Bier verfügt über eine hohe Energiedichte, wie Limo wegen des Zuckers auch, außerdem über Mineralien, die nach einer schweißtreibenden Radtour den menschlichen Akku effizient wieder auffüllen.
Flaschenradler erst sein den 90ern
Es hat übrigens bis 1993 gedauert, dass Biermischgetränke wie Radler fertig in Flaschen abgefüllt werden durften. Das alte Biersteuergesetz hatte zuvor dafür gesorgt, dass ein Radler — das aus zwei Flüssigkeiten unterschiedlicher Besteuerung bestand — nur im Ausschank von Wirtschaften zu haben war. Erst mit dem geänderten Gesetz fanden das Radler und andere Mischvariationen Einzug in den Einzelhandel, wo es heute regalmeterweise angeboten wird.
Zur kulinarischen Beurteilung von Radler bliebe noch zu sagen, dass es natürlich Geschmacksache ist, ob man das flüssige Gemenge trinken möchte oder nicht. Fest steht, dass in der Verbindung mit süßem Zucker das Bier geschmacklich kaum eine Rolle mehr spielt. Und ernährungsphysiologisch hat’s die kalorienreiche Mischung auch in sich.
Am Ende ist es egal, ob man Bier lieber pur genießt oder mit Limo versetzt — wichtig wäre, sich überhaupt aufs Fahrrad zu schwingen, um sich sein isotonisches Getränk zu erradeln.