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Warum eine Verharmlosung von Wölfen gefährlich ist

Lindberg / Lesedauer: 4 min

War es wirklich nötig, scharf auf die entlaufenen Wölfe im Bayerischen Wald zu schießen? Ein Experte erklärt, warum eine Betäubung so schwierig ist – und warnt vor einer „Verharmlosung“ des Wolfes.
Veröffentlicht:12.10.2017, 00:44

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Der legale Abschuss zweier entlaufener Wölfe im Nationalpark Bayerischer Wald hat unter Tierschützern, aber auch unter den ehrenamtlichen Waldführern in der Region für Empörung gesorgt. War es wirklich nötig, scharf auf die Tiere zu schießen?

Ervin Kraus , Wolfsbeauftragter in Rheinland-Pfalz, hat bei einem Forschungsprojekt in Rumänien selbst Wölfe, Bären und Luchse mit Lebendfallen gefangen, aus nächster Nähe betäubt und mit Sendehalsbändern ausgestattet. Der Forstwirt erklärt im Interview mit schwäbische.de, warum eine Betäubung so schwierig ist und warnt gleichzeitig vor einer „Verharmlosung“ des Wolfes.

Ervin Kraus hat für ein Forschungsprojekt in den Ostkarpaten selbst Wölfe gefangen und betäubt.
Ervin Kraus hat für ein Forschungsprojekt in den Ostkarpaten selbst Wölfe gefangen und betäubt. (Foto: PR/Schwäbische.de)

Zwei entlaufene Wölfe wurden erschossen, weil zuvor der Einsatz von Fallen und Narkosegewehren gescheitert war. Hatten die Suchtrupps in

Bei der Betäubung von Wölfen aus der Distanz gibt es zwei Probleme: Sobald das Tier getroffen wird, fällt es nicht einfach um. Bis die Betäubung einsetzt, vergehen mehrere Minuten. In dieser Zeit geht der Wolf entweder auf dich los oder er läuft weg. Und wenn er erst mal weg ist, ist er ohne Sendehalsband nur schwer wiederzufinden – selbst mit speziell ausgebildeten Hunden, von denen es in Deutschland allerdings nur wenige gibt.

Also hat die Naturparkleitung richtig gehandelt?

Ich kann verstehen, dass man in einem solchen Fall den Schutz der Menschen über den Schutz der Tiere gestellt hat, zumal es sich bei den erschossenen Wölfen in Bayern um Gehegetiere handelt. Zwar hätten die Wölfe keine Jagd auf Menschen gemacht. Aber sie waren gewohnt, regelmäßig von Menschen gefüttert zu werden. Deshalb haben sie auch deren Nähe gesucht.

Menschen sind nicht Teil seines Beutespektrums. Nur wenn der Mensch das aktiv ändert, zum Beispiel durch Füttern, verliert selbst ein wildlebender Wolf die Scheu vor Menschen. Anders ist es bei Jungtieren: Die laufen auch schon mal aus Neugier Spaziergängern hinterher.

Und wie verhalte ich mich als Spaziergänger in einem solchen Fall?

Laut mit dem Tier reden und es fest im Blick behalten. Auf jeden Fall nicht wegrennen oder aktiv auf den Wolf zugehen. Wenn er sich nicht sofort wegbewegt, kann man auch mit den Händen fuchteln oder einen Stock in die Hand nehmen.

Wenn das Zusammenleben von Wolf und Mensch weitgehend problemlos möglich ist, warum ist dann die Wut bei Waldbesitzern und Jägern so groß?

Das hat mehrere Gründe. Es gibt zum einen die Befürchtung, dass die Wildtiere ihr Verhalten ändern und durch den Wolf scheuer werden. Für Jäger dürfte es schwieriger werden, Wild zu erlegen. Dann gibt es noch die Hardliner, die sagen, dass wir den Wolf im dicht besiedelten Mitteleuropa nicht umsonst ausgerottet haben. Ich glaube aber, dass der Großteil der Jäger vernünftig ist und weniger ein Problem mit dem Wolf selber hat, als vielmehr mit der Verharmlosung und Vermenschlichung des Tieres durch einige Tierschützer und Medien.

Verharmlosung?

Der Wolf wird vermenschlicht, indem manche Tierschützer zum Beispiel den Begriff „Willkommenskultur“ benutzen, wenn sie für die Akzeptanz des Wolfs werben. Das führt zu einer gewissen Verharmlosung des Tieres – und in der Natur kann das nur schiefgehen, das wissen die Jäger. Denn wenn Menschen nicht mehr respektieren, dass Wölfe Wildtiere sind, kommt es genau zu den genannten Zwischenfällen.

Die Jäger wissen auch, dass der Wolf nach deutschem und europäischen Recht geschützt ist.

Als Wolfsbeauftragter würde ich sagen, am ehesten hilft Information. Andererseits ist es halt nicht mehr wie früher, dass ein Wilderer ohne Jagdschein in den Wald spaziert und Wölfe schießt. Diejenigen, die heute illegal Jagd auf geschützte Wildtiere machen, sind sehr wohl informiert. Sie wissen genau, dass sie eine Straftat begehen. Trotzdem legen sie’s drauf an.