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Umweltsünde

Umweltsünde Festival? Die Musikfans gehen, der Müll bleibt

Nürnberg / Lesedauer: 4 min

Wahre Abfallberge erinnern auch Tage danach noch an Festivals wie „Rock im Park“ und „Rock am Ring“. Und dabei ist der offensichtliche Dreck noch nicht einmal das größte Umweltproblem.
Veröffentlicht:10.06.2019, 18:22

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Wenn die letzten Töne verklungen sind und die Festivalbesucher übermüdet den Heimweg antreten, bietet sich auf vielen Festivalplätzen ein schauriges Bild: Überall liegen Zelte, Klappstühle, Flaschen, Essensreste - die einst grünen Wiesen gleichen Müllhalden.

Bis der letzte Zigarettenstummel weggeräumt und das Gelände wieder begehbar ist, dauert es meist mehrere Tage. Woher kommt der Müll, bleibt immer mehr liegen und was wird dagegen getan?

„Das Problem ist gravierend“, sagt Rolf Buschmann, Ressourcen- und Abfallexperte vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Wenn es keinen entsprechenden Plan gebe, komme eine riesige Menge zusammen. Bei „ Rock im Park “ auf dem Nürnberger Zeppelinfeld sind es etwa 300 Tonnen Müll, wie eine Sprecherin der Stadt sagt. Immerhin: Die Menge sei in den vergangenen Jahren gleich geblieben.

Solange Zelte so günstig sind überlegt man sich dreimal, ob man das wegräumt.

, Green Music Initiative Jacob Bilabel

Zugenommen haben hingegen die Reste auf den Campingplätzen. Jacob Bilabel von der Green Music Initiative, die sich für mehr Umweltschutz in der Musikbranche einsetzt, geht davon aus, dass Festivalbesucher heutzutage zwei bis drei Mal so viel Müll liegen lassen wie noch vor fünf Jahren.

Ein großes Problem sind billige Zelte. Etwa 30 Prozent blieben jedes Jahr auf den Festivalgeländen zurück, schätzt Bilabel. Die Bereitschaft, Dinge liegen zu lassen, ist ihm zufolge so enorm gestiegen, weil vieles kaum noch etwas kostet. „Solange Zelte so günstig sind und als Festivalzelte verkauft werden, überlegt man sich dreimal, ob man das wegräumt.“ Es sei schwierig, von jungen Menschen ein Umdenken zu verlangen, die Verantwortung sollte nicht nur bei den Konsumenten liegen.

„Ein bisschen Mitverantwortung muss man schon haben“, fordert hingegen Buschmann . „Sich darauf zu verlassen, dass andere nachher aufräumen, finde ich nicht nachvollziehbar.“ Es sei eigentlich eine Selbstverständlichkeit, seinen eigenen Müll zu entsorgen. Leider werde dies aber gerade bei großen Events nicht immer getan.

Dass die Müllmenge trotz immer mehr zurückgelassener Zelte zumindest bei einigen Festivals gleich geblieben ist, könnte vor allem am Umdenken der Veranstalter liegen. Einige Festivals wie etwa das „Feel“ und das „ Taubertal-Festival “ schreiben sich Umweltschutz auf die Fahnen und fordern ihre Besucher auf, keine Einmalgegenstände mitzubringen.

Das „Taubertal-Festival“ unterstützt außerdem die Love Your Tent Initiative, die gezielt dagegen vorgehen will, dass Zelte bei Festivals liegenbleiben. Ein Graffiti soll das Zelt zu einem dauerhaften Andenken an das Event machen. Mancherorts wird mittlerweile auch auf Einwegplastik verzichtet, so zum Beispiel bei „Rock im Park“. Die Klimabewegung Fridays for Future fordert von Veranstaltern, sich ebenso Gedanken über ein nachhaltiges Essensangebot und die Stromversorgung zu machen. Auch Bilabel betont, dass der Umstieg auf Grünstrom eine große Wirkung habe.

Vorstöße gibt es auch bei den großen Mainstream-Festivals: Unter anderem „Hurricane“, „Melt!“ und „Rock im Park“ bieten einen Green Camping Bereich an — einen Zeltplatz für diejenigen, die während des Festivals bewusst nachhaltig sein wollen. Der Wunsch nach mehr Umweltschutz zeigt sich dort am Ende auch beim Abfall: „Leute, die im Green Camping schlafen, hinterlassen spürbar weniger Müll“, erklärt eine Sprecherin von „Rock im Park“. Um auch alle anderen zu motivieren, ihren Müll mitzunehmen, schenken die Veranstalter derjenigen Gruppe mit dem saubersten Campingplatz einen Pokal und Freikarten fürs nächste Jahr.

Wir Deutschen sind gefühlte Weltmeister im Mülltrennen, wir sind aber auch gefühlte Weltmeister im Müllproduzieren.

Jacob Bilabel, Green Music Initiative

Auch wenn die Ansätze gut seien: Buschmann glaubt, „den großen Wurf gibt es wahrscheinlich noch nicht“. Zwar haben die Veranstalter der Festivals die Hauptverantwortung, aber die Politik muss ihm zufolge deutlichere Akzente setzen: „Es liegt ja in der Hand derer, die die Festivals genehmigen, Vorgaben zu machen.“ Müllvermeidung müsse dabei die Maxime sein. Allerdings beschränkt sich das Problem bei weitem nicht nur auf Festivals. Auch bei Marathons, Stadtfesten oder dem Tag der Deutschen Einheit liege überall Abfall herum, so Bilabel. „Das Vorbildverhalten der Politik ist unterausgeprägt.“

Auch wenn der Müll am Ende das Sichtbarste ist, ist er noch nicht einmal die größte Umweltsünde. Die größte Belastung bei Festivals entsteht durch die An- und Abreise der Gäste, so Bilabel. Außerdem: „Die Realität ist, dass das Müllaufkommen pro Kopf sehr ähnlich ist wie in der Stadt.“ Dort gebe es nur eine effizientere Infrastruktur, der Abfall sei deshalb weniger sichtbar. Letztendlich weisen die Bilder von Schrott und Plunder auf Festivalgeländen also auf ein viel größeres Problem hin. Oder wie Bilabel es zusammenfasst: „Wir Deutschen sind gefühlte Weltmeister im Mülltrennen, wir sind aber auch gefühlte Weltmeister im Müllproduzieren.“