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Peißenberg

Trainieren für den Gemeinderat

Peißenberg / Lesedauer: 4 min

Die Lernkurve für Kommunalpolitiker kann steil sein. Bei einem Workshop bekommen Neulinge vor ihrem ersten Mandat Wissen an die Hand.
Veröffentlicht:23.02.2020, 05:00

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Eines stellt Jürgen Raab gleich zu Beginn klar: „Wissen ist macht!“. Und davon braucht ein Kommunalpolitiker mehr als so mancher hier erwartet hat. Ein gutes Dutzend Frauen und Männer sitzt in der Stube eines Landgasthofs im oberbayerischen Peißenberg. Für alle ist es das erste Mal. Sie treten für ein Mandat in einem Stadt- oder Gemeinderat an.

Eben wurden Tische zusammenrückt und Stühle umgestellt, vor der holzvertäfelten Trennwand steht nun eine weiße Leinwand, auf dem Esstisch vor Raab ein Beamer. Die Teilnehmer an diesem Workshop wollen erfahren, was es braucht, um als Kommunalpolitiker nicht nur bestehen, sondern auch etwas verändern zu können. Geladen zu der Veranstaltung hat das den Freien Wählern nahe stehende Bildungswerk für Kommunalpolitik Bayern.

„Es ist wichtig, dass sie ein informierter Mandatsträger sind und nicht nur Ja oder Nein sagen“, erklärt Raab. Deshalb stehen an diesem Samstag Themen wie Haftung, Rechte und Pflichten von Gemeinderäten und die Haushaltsplanung auf der Tagesordnung. Dass dies wichtige Themen sind, wird bei den ersten Fragen aus der Runde deutlich. Kann ich mich denn gegen falsche Entscheidungen versichern, möchte jemand wissen. „Sie haften natürlich für ihre Entscheidungen“, sagt Raab. Versicherungsschutz müsse man im Zweifel auch mal einklagen. Deshalb sei es umso wichtiger, Dinge nicht nur abzunicken.

Doch so detailreich die Themen im Kommunalen auch sein könnten, sei es wichtig, sich davon nicht abschrecken zu lassen. „Sie können nicht alles wissen“, sagt Raab und verweist auf seine langjährige Erfahrung als Stadtrat einer Kommune in Schwaben. Er gibt den angehenden Kommunalpolitikern auch ganz praktische Tipps. „Schaffen Sie sich in der Verwaltung Freunde.“ Es habe keinen Wert, gegen sie zu arbeiten.

Ein wichtiger Tipp: Behalten Sie den Überblick

Ein weiterer Punkt ist dem 67-jährigen Raab besonders wichtig. „Es gibt Dinge, die müssen sie tun. Und es gibt Dinge, die können sie tun.“ Die Aufgaben eines Kommunalpolitikers seien sehr vielfältig. „Behalten sie den Überblick und vernachlässigen sie keine der Aufgaben.“ So sollten sie als Neugewählte etwa auch an die Ehrenamtlichen in ihrer Gemeinde denken. Mit Ehrungen oder kostenlosen Fahrten mit dem öffentlichen Nahverkehr. Sowas halte eine Gemeinde zusammen, werde aber leicht vergessen.

Umfang und Detailreichtum der Anforderungen an Gemeinderäte scheint einige der Teilnehmer überrascht zu haben. Doch das sei normal, sagt Raab, der seit vier Jahren Seminare zu Kommunalpolitik leitet.

„Ich denke, ich muss mich in viele Dinge, die als Gemeinderat gefragt sind, noch einarbeiten“, sagt etwa der 25-jährige Michael Kraus. Er ist Logistikmeister und tritt im angrenzenden Hohenpeißenberg für den Gemeinderat an. Ihn zieht es aus Interesse an Bauvorhaben in seiner Gemeinde in die Politik. Neubauten würden vor Ort immer wieder kritisch diskutiert, hier möchte er sich für die Freien Wähler künftig selbst einbringen.

Nicht ganz so überwältigt von all den Informationen zeigt sich Christina Porzelt. Die 47-Jährige ist ebenfalls bei den Freien Wählern und sagt, sie besuche bereits seit rund zwei Jahren so gut wie jede Gemeinderatssitzung in Pähl am Ammersee. Nachdem sie lange Zeit nur zugeschaut habe, wolle sie nun selbst mitbestimmen. „Es ist leicht, Kritik zu üben, aber es gehört mehr dazu, sich selbst zu engagieren“, sagt Porzelt. Es stört sie, dass es in Pähl so gut wie keine Mietwohnungen gebe, sondern fast nur Eigentum. Das möchte sie ändern. Durch ihre Besuche im Gemeinderat seien ihr viele Dinge schon bekannt gewesen. „Doch vieles war auch für mich neu.“ Nun sei klar, wo sie noch mehr Wissen benötige.

Ebenfalls mit in der Runde sitzt der 59-jährige Mathias Rathke. Er war bislang politisch nicht aktiv. Auch ihn beschäftigt, wo und was in seiner Gemeinde neu gebaut wird. In Schondorf am Ammersee tritt er für die Freie Wählergemeinschaft nun erstmals an. „Das Mandat im Gemeinderat bringt einen bunten Strauß an Rechten aber kaum Pflichten mit sich“, sagt Rathke. Dieser großen Verantwortung möchte er als Gemeinderat gerecht werden. Die Entscheidung zum Workshop zu kommen, war für ihn wichtig, viele Themen noch neu.

Referent Raab sieht das durchaus positiv. „Mir ist es am liebsten, wenn Teilnehmer unvoreingenommen und offen zu einem Kurs kommen, da sie so am meisten Neues mitnehmen können.“ Den Teilnehmern wünscht er viel Erfolg bei den Wahlen. Sie wüssten nun, was auf sie zukomme. Und wo es noch Nachholbedarf gebe.