StartseiteRegionalBayernNaturschützer pochen auf Anbindegebot

Anbindegebot

Naturschützer pochen auf Anbindegebot

Bayern / Lesedauer: 3 min

Weniger Regeln für Gewerbegebiete: Kritik an Landesentwicklungsprogramm
Veröffentlicht:20.05.2016, 17:54

Artikel teilen:

Naturschützer fürchten, dass noch mehr Gewerbegebiete auf der grünen Wiese entstehen. Durch eine Novelle des Landesentwicklungsprogramms könnte der Flächenfraß in Bayern zunehmen. Die Politik weist das zurück: Es werde künftig nicht mehr gebaut, sondern nur woanders.

Es gibt nettere Plätze, selbst für Imbissstände. Die Dönerbude in Graben ( Landkreis Augsburg ) wirkt wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten in einer Science-Fiction-Szenerie, denn sie steht inmitten von Lagerhallen – jede so groß wie etliche Fußballfelder aneinander. Der Budenbetreiber lebt von den Amazon-Mitarbeitern, die zum Mittagessen manchmal vom benachbarten Logistikzentrum rüberkommen, und von den Hunderten Lastwagenfahrern, die nach dem Be- und Entladen schnell etwas zum Trinken holen.

Für den Bund Naturschutz in Bayern (BN) ist das Gewerbegebiet Graben ein Musterbeispiel für die Vernichtung von Natur. Neben Amazon haben sich auch Aldi, Lidl und BMW mit riesigen Hallen angesiedelt. Vor einem Vierteljahrhundert war das Gelände noch geprägt von klein-strukturierten Feldern.

Hunger nach neuen Flächen

Täglich würden 18 Hektar im Freistaat vernichtet, kritisiert BN-Vorsitzender Hubert Weiger . „Der Landkreis Augsburg ist ein Musterbeispiel für diese Fehlentwicklung und ein Ende ist nicht in Sicht“, sagt er, während er in die triste Betonlandschaft blickt. Der BN sieht den ungebremsten Hunger von Unternehmen nach neuen Flächen als größtes ökologisches Problem im Freistaat an. Auch das Umweltministerium in München sieht einen „nach wie vor zu hohen Flächenverbrauch“. Wenngleich die Behörden nach dem jüngsten Flächenverbrauchsbericht, der Zahlen aus 2014 enthält, nur noch von knapp elf Hektar – also umgerechnet 15Fußballplätzen – Verbrauch pro Tag ausgehen.

Doch der Grund dafür ist lediglich eine Umstellung der Berechnung: Ackerflächen, die zwar bereits in Bauland umgewandelt, aber noch nicht zubetoniert sind, werden nicht mehr gezählt. Die Langzeitstatistik mit den alten Zahlen zeigt: Seit 2001 wurden im Freistaat täglich zwischen 15,2 (im Jahr 2004) und 21,6Hektar (2001) Land vernichtet.

Und der Naturschutzverband sieht die verbliebenen Äcker weiter bedroht. Grund ist eine geplante Änderung des sogenannten Anbindegebots im Landesentwicklungsprogramm. Bislang müssen in Bayern Gewerbegebiete an Ortschaften angedockt werden, um eine fortschreitende Zersiedelung der Landschaft und Bauen auf grünen Wiesen zu verhindern.

Doch Heimatminister Markus Söder (CSU) hat andere Pläne: „Generell soll das Anbindegebot an Ausfahrten von Autobahnen oder vierspurigen Straßen für Gewerbegebiete und bei interkommunalen Gewerbegebieten sowie bei Ansiedlung wichtiger Tourismus- und Freizeitgroßprojekte gelockert werden“, erklärte er Ende 2014. Beschränkungen soll es nur bei Einzelhandelsprojekten geben.

Der BN befürchtet dennoch, dass künftig ein „Gewerbebrei“ in der Landschaft entsteht. Auch der Bayerische Bauernverband lehnt eine Lockerung oder gar Aufhebung des Anbindegebots ab. Das Ministerium weist die Kritik zurück: „Die Lockerung des Anbindegebots erhöht nicht den Flächenverbrauch, sondern lässt lediglich andere Orte für die Flächeninanspruchnahme zu“, sagt Ministeriumssprecherin Tina Dangl.

Umstritten ist das Projekt bei den Kommunen. Der Bayerische Städtetag steht einer Änderung skeptisch gegenüber. Der Gemeindetag begrüßt hingegen Söders Pläne: „Das strikte Anbindegebot schnürt bislang die planerische Gestaltungsfreiheit der Kommunen unnötig ein.“

BN-Chef Weiger wirft den Kommunen vor, dass sie auch durch die Preisgestaltung den „maximalen Flächenverbrauch“ fördern. Durch günstige Quadratmeterpreise würden die Investoren nur ein- statt mehrstöckig bauen, statt eines Parkhauses für die Mitarbeiter entstehe ein riesiger Parkplatz neben dem anderen, sagt er.

Niedrige Quadratmeterpreise

Eine solche Entwicklung befürchtet der Verband auch beim „Acht 300 Gewerbepark“, einem gemeinsamen Projekt der Stadt Aichach und der Gemeinde Dasing (Landkreis Aichach-Friedberg). Der Name spielt darauf an, dass die Baugrundstücke verkehrsgünstig an der A8 und der Bundesstraße 300 liegen. Die Kommunen locken Unternehmen auch damit, dass der Quadratmeterpreis ab 75 Euro „ein Plus für Ihre Rentabilität“ biete. Weiger schimpft über diese Angebote: „Weil es so billig ist, geht man in die Fläche, dass es einem graust.“