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Verfassungsschutzbericht

Gefahr durch tausende Extremisten

München / Lesedauer: 4 min

Laut Verfassungsschutz bleibt Gefahr durch Islamisten, Rechts- und Linksextreme hoch
Veröffentlicht:18.05.2019, 11:36

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Extremisten von links und rechts sowie aus dem Ausland nebst „Reichsbürgern“ halten das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) weiterhin auf Trab. Auch der weitgehende militärische Zusammenbruch des „Islamischen Staates“ (IS) hat nach den Worten des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) keine Entspannung gebracht. Im Gegenteil müsse man damit rechnen, dass der IS seinen Kampf im Untergrund fortsetzen werde, sagte Herrmann bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichts 2018 am Freitag in München. Islamisten stellen mit 4155 Personen nach Angaben des Verfassungsschutzes die größte Extremistengruppe im Freistaat.

Es bestehe nach wie vor eine „anhaltend hohe Anschlagsgefahr“ in Deutschland. Aktuell stehe man auch in Bayern vor der Frage, wie mit Rückkehrern aus den Kampfgebieten des Nahen Ostens umzugehen ist. Nach Herrmanns Angaben sind 72 Islamisten aus dem Freistaat in Richtung Nahost ausgereist und davon 22 zurückgekehrt. Sofern die IS-Rückkehrer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, könne die Wiedereinreise nicht verhindert werden. Fünf der wieder nach Bayern Eingereisten gelten als besonders gefährlich, weil sie sich mutmaßlich aktiv an Kampfhandlungen beteiligt haben. Wenn konkrete Anhaltspunkte für begangene Straftaten vorliegen, könnten diese verurteilt und inhaftiert werden. Vier Rückkehrer befänden sich zur Zeit in Haft.

Bei den anderen bleibe nichts weiter übrig als eine aufwändige Rund-um-die-Uhr-Überwachung. Das betreffe etwa ein Drittel der insgesamt 22 Rückkehrer, sagte LfV-Präsident Burkhard Körner . Die Gesamtzahl der „Gefährder“ im terroristischen Sinne in Bayern bezifferte Körner auf 40.

Stagnation bei Extremisten

Personelle Stärke und kriminelle Aktivitäten der Rechts- und Linksextremisten in Bayern stagnieren nach dem jüngsten Verfassungsschutzbericht auf hohem Niveau. Die rechtsextremistische Szene umfasste Ende 2018 demnach 2360 Personen. Etwa 1000 von ihnen werden als „gewaltorientiert“ bezeichnet. Der rechten Szene werden 1834 politisch motivierte Straftaten zugerechnet (2017: 1897), darunter 63 Gewalttaten (201 768).

Das Personenpotential der linksextremistischen Szene wird mit 3500 angegeben, darunter 730 Gewaltbereite. Diese Szene wird für 752 Straftaten (Vorjahr: 614) verantwortlich gemacht, darunter 46 Gewalttaten (2017: 54). Verdoppelt auf 14 hat sich die Zahl der mutmaßlich linksextremistisch motivierten Brand- und Sprengstoffdelikte, die sich hauptsächlich im München gegen staatliche und Bauvorhaben der Immobilienbranche richteten.

Die rechte Szene strukturiert sich nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes um. Der Trend gehe weg von den klassischen rechtsextremistischen Parteien hin zu neuen „internetaffinen“ Gruppierungen, sagte Herrmann. Unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen ab diesem Jahr die „Junge Alternative“ (JA), die Jugendorganisation der AfD , sowie die AfD-Gruppierung „Der Flügel“ – was die Zahl der als rechtsextrem eingestuften Personen nach oben treiben dürfte. In Bayern sei nicht erkennbar, dass beide Organisationen einen so großen Einfluss auf die AfD hätten, dass diese beobachtet werden müsse, sagte Verfassungsschutzpräsident Körner.

Vor drei Jahren kamen sie im Verfassungsschutzbericht gar nicht vor, jetzt wird die Zahl der „Reichsbürger“ in Bayern auf immerhin 4200 geschätzt. Im Verfassungsschutzbericht 2018 erhält die Szene, welche die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnet und den Staat nicht anerkennt, ein eigenes Kapitel. Dem „harten Kern“ der Reichsbürgerszene werden etwa 400 Personen zugerechnet. 60 „Reichsbürger2 werden auch als rechtsextremistisch eingestuft. 2018 wurden 325 Straftaten von Reichsbürgern registriert, berichtete Innenminister Herrmann, darunter 89 Gewaltdelikte, überwiegend Erpressungen (78). Inzwischen seien 336 mutmaßliche Reichsbürger mit zum Teil mehreren waffenrechtlichen Erlaubnissen identifiziert worden. In 208 Fällen sei ein Widerrufsbescheid ergangen.

Grünen fordern Prävention

Die Vorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag Katharina Schule zeigte sich alarmiert über die Zahlen der Rechtsextremisten und der Islamisten in Bayern unverändert erschreckend hoch. „Wir brauchen ausreichend gut ausgebildetes und ausgestattetes Personal bei Justiz und Polizei und eine passgenaue und engmaschige Überwachung konkreter Verdachtsmomente“, sagte die Grünen-Politikerin. Auch die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden innerhalb der Bundesländer müsse verbessert werden. Darüber hinaus müsse dem internationalen Terror und der Vernetzung über das Internet mit einer europäischen Polizei- und Sicherheitspolitik begegnet und die Prävention viel stärker ins Auge gefasst werden: „Allein mit polizeilichen und überwachungstechnischen Maßnahmen werden wir dieser tausendfachen Bedrohung nicht beikommen“, so Schulze.

Der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion gegen Rechtsextremismus Florian Ritter warf Herrmann vor, beim Thema Rechtsextremismus zu langsam auf neue Entwicklungen zu reagieren. Das Problem seien weniger die von Herrmann hauptsächlich angesprochenen Organisationen und Parteien wie der „Dritte Weg“ und die NPD, an denen sich der Verfassungsschutzbericht seit Jahren abarbeite, so der SPD-Politiker. Dort habe sich inzwischen vor allem die AfD breit gemacht, die in den letzten Monaten regelmäßig unter Beweis gestellt habe, dass sie offen rechtsextrem sei.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Stefan Schuster begrüßte, dass die vom Islamismus ausgehende Gefahr vom Innenministerium weiterhin ernst genommen werde. Gefährder und Rückkehrer aus den ehemals vom IS kontrollierten Gebieten müssten streng überwacht werden.