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Polizeiaufgabengesetz

Erhitzte Gemüter in Bayern wegen Polizeiaufgabengesetz

München / Lesedauer: 3 min

Grüne sagen Novellierung des umstrittenen Gesetzes den Kampf an
Veröffentlicht:09.04.2018, 21:22

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Das geplante neue Polizeiaufgabengesetz polarisiert: Während Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) stolz darauf ist, bald gegen Terroristen und andere Missetäter effektiver denn je vorzugehen, sehen andere den Rechtsstaat am Abgrund – oder sogar schon einen Schritt weiter. Der Streit wird wohl vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof entschieden werden müssen.

Zum ersten Mal seit Langem treiben die CSU-Pläne wieder Demonstranten wegen eines landespolitischen Themas auf die Straße – überwiegend Linke wie an Ostern in Regensburg und am vergangenen Wochenende in Nürnberg. Der Streit entzündet sich vor allem an drei Vokabeln: „Drohende Gefahr“, „Präventivhaft“ und „Handgranaten“. Im bayerischen Landtag haben vor allem die Grünen mit ihrer Vorsitzenden Katharina Schulze dem neuen Gesetz den Kampf angesagt. „Der Überwachungswahn der CSU gefährdet die Freiheitsrechte“, sagt die Grünen-Politikerin. Immerhin hält der Polizeirechtsexperte Markus Thiel von der Deutschen Hochschule der Polizei das bayerische Vorhaben nicht nur für eine routinemäßige „Anpassung“ an EU-Recht, wie es etwas verniedlichend heißt. Wenn es wie von der CSU-Landtagsmehrheit vorgesehen bereits in den nächsten Wochen verabschiedet wird, verfüge die Polizei im Freistaat im Vergleich zu anderen Bundesländern über die „derzeit weitreichendsten Befugnisse“, so Thiel.

Der Streit entzündet sich vor allem an der im Gesetzesentwurf vorgesehenen herabgesetzten Einschreitschwelle. Bisher musste eine konkrete Gefahr bestehen, damit die Polizei tätig werden konnte. Künftig soll bereits „drohende Gefahr“ ausreichen, um beispielsweise Telefone abzuhören, Daten auszulesen, Gegenstände sicherzustellen, Personen vorzuladen oder nach ihnen zu fahnden, verdeckte Ermittler einzusetzen oder Informationen mit anderen Behörden auszutauschen.

Dazu kommen „Ergänzungen polizeilicher Befugnisse“ wie die präventivpolizeiliche Postsicherstellung, die Nutzung von Erkenntnissen aus DNA-Analysen zu Fahndungszwecken, der Einsatz von Bodycams unter bestimmten Voraussetzungen auch in Wohnräumen, das Stöbern in der Cloud sowie die Erleichterung des Einsatzes von Explosivmitteln.

Der bayerische Innenminister Herrmann verweist auf eine Vielzahl von Fällen, in denen erst ein Richter seine Zustimmung geben muss. Das gilt auch für die Präventivhaft, die bereits im vergangenen Jahr vom bayerischen Parlament beschlossen wurde. Theoretisch können Personen, denen die Polizei in naher Zukunft eine Straftat zutraut, unbegrenzt in Haft genommen oder zum Tragen einer Fußfessel verpflichtet werden, wenn der Richter mitmacht. Das entsprechende „Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen“ liegt bereits auf dem Tisch des Verfassungsgerichtshofs. Jetzt dürfte das „Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts“ den Stapel der Klagen beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof erhöhen. Denn an dessen Verabschiedung durch die klare CSU-Mehrheit besteht kein Zweifel.

Unterstützung erhält die CSU mit Einschränkungen von Sicherheitsexperten und Polizeigewerkschaftern. „In dem Gesetz ist viel drin, was wir als Polizei begrüßen“, formuliert etwa der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Peter Schall. Juristen kommen zu dem Ergebnis, dass der Begriff der „drohenden Gefahr“ vom Bundesverfassungsgericht höchstselbst erfunden und für verfassungskonform erklärt wurde. Das Gesetz bewege sich daher auf verfassungsmäßig sicherem Boden.

Petri warnt vor Vollüberwachung

Bayerns Datenschutzbeauftragter Thomas Petri wiederum warnt vor der „drohenden Vollüberwachung“ der Bürger. Der Münchner Richter Markus Löffelmann, früher Referent im Bundesjustizministerium und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverfassungsgericht, lieferte den Gesetzesgegnern ein paar eingängige Zitate. Wenn Bayern das Vorhaben umsetze, verfüge jeder seiner Polizeibeamten „zum Zwecke der Gefahrenabwehr über weitaus weitreichendere Befugnisse als das Bundeskriminalamt zur Terrorabwehr“. Der Strafrechtsanwalt Hartmut Wächtler erklärte, keine deutsche Behörde habe seit 1945 derart umfassende Eingriffs- und Kontrollbefugnisse in die Lebensweise und Privatsphäre der Bürger erhalten wie dies nun für die bayerische Polizei vorgesehen sei.

Herrmann sagt, der Einsatz von verdeckten Ermittlern sei schon bisher möglich gewesen und solle eingeschränkt und nicht ausgeweitet werden. In vielen Fällen werde es einen Richtervorbehalt geben, der bisher nicht vorgesehen sei.