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Renovierungskosten

Kirche und Gemeinde streiten um Renovierungskosten

Sigmaringen / Lesedauer: 4 min

Bürgermeister erkennt Baulast nicht an – Kirche wünscht sich Auslösesumme von zwei Millionen Euro
Veröffentlicht:30.11.2012, 19:05

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Eigentlich verstehen sich Bürgermeister Jochen Spieß und Pfarrer Markus Moser gut. Am Donnerstag saßen sie sich im Verwaltungsgericht in Sigmaringen gegenüber und mussten Positionen einnehmen, die sie von ihren Amtsvorgängern geerbt haben.

Anlass der Verhandlung sind Renovierungsarbeiten, die von 2001 bis 2007 an der katholischen Kirche St. Anna in Ablach vorgenommen wurden. Sie haben rund 945000 Euro gekostet. Die politische Gemeinde hat sich von Anfang an geweigert, die Arbeiten zu zahlen. Die Kirche sieht die Gemeinde in der Pflicht, die Kosten zu übernehmen.

Weil sich beide Parteien außergerichtlich nicht einig werden konnten und außerdem gern ein für allemal geklärt hätten, wie die Pflichten der politischen Gemeinde rechtlich aussehen, hat die katholische Kirche die Gemeinde Krauchenwies verklagt, ihrer Baulastpflicht nachzukommen. Gerade diese Pflicht, sämtliche Sanierungskosten übernehmen zu müssen, wird von Bürgermeister Jochen Spieß und seinem Vorgänger bezweifelt. Schriftlich festgehalten sei eine solche Pflicht nämlich nicht.

Das Gericht soll nun klären, ob die Baulastpflicht durch eine so genannte lokale Observanz – das heißt ein ungeschriebenes örtliches Gewohnheitsrecht, von dem beide Parteien überzeugt sind – bei der politischen Gemeinde liegt und deshalb von der katholischen Kirche eingeklagt werden kann.

Gerhard Bangert , Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht, brachte die Sichtung der umfangreichen, teilweise widersprüchlichen historischen Dokumente seit Bau der Kirche 1957 auf den Punkt: Bis 1907 waren offenbar auch die Vertreter der politischen Gemeinde Krauchenwies davon überzeugt, dass die Gemeinde die Baulast trage, es wird auch explizit so niedergeschrieben. In der Zeit danach werden Baumaßnahmen immer unterschiedlich finanziert. Mal trägt die politische Gemeinde alle Kosten, mal gewährt sie einen Zuschuss oder lässt sich um eine Beteiligung bitten.

Es gibt drei Möglichkeiten

Der verteidigende Anwalt Peter Schierhorn plädiert deshalb auf eine geänderte Observanz. Er glaubt, die Parteien seien überein gekommen, dass die politische Gemeinde die Kosten nicht mehr allein tragen müsse und eine Übernahme sogar verweigern könne. Rechtsanwalt Volker Stehlin und Gunter Barwig vom erzbischöflichen Ordinariat sehen in der Mischfinanzierung mancher Projekte nur die Großzügigkeit der Kirche, nicht auf die Baulast zu pochen. Dies habe sich jetzt geändert. „Es gibt genau drei Möglichkeiten“, stellt Richter Bangert schließlich fest. Erstens könne die Gemeinde die Baulast anerkennen und sich von dieser mit einer Ablösesumme freikaufen, die das Doppelte der diskutierten Menge – also knapp zwei Millionen Euro – betrage. So wären auch zukünftige Sanierungen gesichert. Zweitens könnten sich die Parteien in einem Vergleich darauf einigen, dass eine Finanzierungslösung für den jetzigen Fall gefunden und die Baulast auf einen bestimmten Prozentsatz festgelegt werde. Die dritte Option bliebe, das Gericht klären zu lassen, ob und wie eine Baulast tatsächlich vorliegt und danach die Übernahme der Kosten zu entscheiden. „Eine Ablösung würde die Kommune finanziell lahm legen“, sagt Spieß. „Wir können die zwei Millionen nicht stemmen.“ Der katholischen Kirche sei, so Anwalt Stehlin, vor allem an der Klärung der Baulast gelegen, um zukünftige Finanzierungen zu sichern.

Vergleich scheitert

Nach einer längeren Beratungspause schlugen die Richter einen Vergleich vor, nach dem die politische Gemeinde 70 Prozent der angefallenen Sanierungskosten sowie die Zinsen zahlen sollte und sie die Baulast zum jetzigen Zeitpunkt anerkenne. „Wie das dann bei zukünftigen Maßnahmen aussieht, müsste dann diskutiert werden“, so Bangert. Ein Handel, auf den sich die katholische Kirche aus wirtschaftlichen Gründen nicht einlassen wollte. „Außerdem ist es vielleicht gut, wenn es ein richterliches Urteil gibt“, überlegt Stehlin. So würde auch für Bürgermeister Spieß das Vermittlungsproblem wegfallen, das er hätte, wenn er jetzt seinem Gemeinderat und den Bürgern erklären müsste, warum er sich auf einen Vergleich eingelassen habe, bei dem die Gemeinde 860 000 Euro hätte zahlen müssen.

Wenn es für die politische Gemeinde jetzt schlecht läuft, muss sie allerdings die volle Summe samt Zinsen zahlen. „Jetzt fängt die Erbsenzählerei erst an“, prophezeite auch Richter Bangert, dem ein Vergleich offenbar am besten gefallen hätte. Er will jetzt vor allem den Punkten nachgehen, was für eine Kirche als notwendige Ausstattung oder was als Änderung der kirchlichen Bedürfnisse gelte. So sei es gut möglich, dass aus der Endabrechnung die Heizung oder die Stuckmalereien wieder herausgerechnet würden.