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Waltenhofen

Allgäuer will mit der Vespa um die Welt

Waltenhofen / Lesedauer: 6 min

Allgäuer Lebenskünstler willdie Tour mit dem Motorrollerin 80 Tagen schaffen
Veröffentlicht:22.06.2018, 15:01

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Die Wohnung in der kleinen Oberallgäuer Gemeinde Waltenhofen ist fast ausgeräumt. Vieles von der Einrichtung wurde verkauft. Einige Kartons stehen aber noch herum – gefüllt mit Kleidung, etwas Hausrat oder Büchern. Sie warten auf den Abtransport zu einem ehemaligen Polizei-Kleinbus vor der Türe. Dieser ist zum Camper umgebaut. In ihm werden die Reste des bürgerliche Lebens von Markus Mayer zwischengelagert. Der drahtige 41-Jährige begibt sich nämlich wieder auf Tour. „Mit der Vespa in 80 Tagen um die Welt“, meint er lächelnd an der Türe seines bisherigen Domizils stehend. „Am 30. Juni geht es los.“


Auf zwei Rädern durch großartige Landschaften: Markus Mayer auf seinem Roller.

Dass Mayer die Tour in 80 Tagen schaffen will, ist dem berühmten, 1873 veröffentlichten Jule-Verne-Roman über eine entsprechende Weltreise geschuldet. Rund 26 000 Motorroller-Kilometer liegen vor ihm. Das erscheint Normalsterblichen kaum vorstellbar. Als sich Mayers Pläne jüngst in einer größeren Öffentlichkeit herumgesprochen hatten, wurden Fragen und Zweifel laut: Mit einer verletzlich wirkenden, fast schon antiken italienischen Maschine über globale Schlaglochpisten?

Mit einem bescheidenen Zweitakter über Endlos-Straßen in Asien oder Amerika? „Selbstverständlich“, sagt Mayer. Die Vespa sei hervorragend dafür geeignet. Man fragt sich: Meint er das ernst? In der Erinnerung kommen Bilder aus der Hollywood-Schnulze „Ein Herz und eine Krone“ hoch. Die ältere Generation wird sie noch kennen. Gregory Peck und Audrey Hepburn kurven dabei in den 1950er-Jahren kreuz und quer auf einer Vespa durch Rom. Seinerzeit war das kurz nach Kriegsende entwickelte Gefährt Kult – vor allem wegen seines zeitlos wirkenden Designs. Aber Wohlfühlfahrten in der Stadt sind wohl kaum vergleichbar mit langen Touren über Land, schießt einem durch den laienhaften Kopf.

Schnell und leicht repariert

Mayer löst das Rätsel: „Die Technik der Vespa ist verhältnismäßig einfach. Letztlich reichen einige Schraubenschlüssel, um alles reparieren zu können.“ Zugegeben: Wenn er beispielsweise in den Weiten der Mongolei unterwegs ist, hat die Vespa definitiv einen Pluspunkt. „Zudem bekommt man überall auf der Welt Ersatzteile. Solche Maschinen sind schließlich in vielen Länder produziert worden“, fährt Mayer fort. Sinnigerweise existieren auch rund um den Globus Clubs von Vespa-Freunden. Mayer hat selber mal einen solchen Verein im nahen Kempten gegründet.

Markus Mayer aus dem Allgäu kombiniert zwei Leidenschaften: das Reisen und seine Begeisterung für die Vespa.

Er ist schon lange ein Vespa-Enthusiast. Sieben Maschinen sind inzwischen sein Eigen. „Die erste“, erzählt Mayer, „hatte ich mit 16 Jahren. Ich wäre sonst hier im Allgäu nicht zu meiner Freundin gekommen, die 25 Kilometer entfernt wohnte.“ Die eine Liebe verging, die andere blieb. Trotzdem war ihm nicht in die Allgäuer Wiege gelegt, auf zwei Rädern alles hinter sich zu lassen. Nach der Schule ist er für fünf Jahre zur Bundeswehr gegangen, war zuletzt Stabsunteroffizier bei den Fallschirmjägern. Dann führte ihn sein Weg an die bayerische Akademie für Außenwirtschaft in München. Mayer studierte internationales Business, spricht dadurch neben Englisch und Französisch auch Spanisch.

Job gekündigt, jahrelang auf Reisen

Bei einem mittelständischen Unternehmen stieg er zum Leiter für Verkauf und Marketing auf. „Eine schnelle Karriere, es sah alles nach einem gutbürgerlichen Leben aus – mit Haus, Frau und Hund“, erzählt Mayer. Dann kam der Einschnitt: „Die Frau ist davon.“ Er sei eben ein Workaholic gewesen. Das habe sie nicht mehr ertragen. Nach kurzem Überlegen änderte auch der damals 30-jährige Mayer seine Lebenskoordinaten und warf den Job hin: „Seitdem bin ich auf Reisen.“ Dabei blieb er allerdings immer wieder längere Zeit irgendwo hängen: in Spanien, in Portugal, in den Niederlanden, in Schweden, auf Zypern.


Mayers Weltreise startet am 30. Juni in Madrid und führt Richtung Osten, über die Türkei nach Asien. Per Flieger setzt er über nach Amerika, quert die USA und fliegt wieder zurück nach Europa: rund 26 000 Kilometer.

„Geld verdient habe ich als Lehrer, als Partymanager oder Lkw-Fahrer“, beschreibt Mayer das unstete Dasein. Aus ihm sei ein Lebenskünstler geworden, familiär völlig ungebunden. Zuletzt hatte es ihn aber zurück nach Waltenhofen verschlagen, wo noch seine Eltern leben. Hier holte er nachts mit dem Transporter die Ausgaben der regionalen Zeitung aus dem Druckhaus ab. Prinzipiell ging es aber nur darum, damit den bedeutsamen Teil seines Lebens zu finanzieren: die Vespa-Begeisterung. Die erste Riesentour ist für 2014 verzeichnet: 130 Tage durch Europa und Marokko, 32 Länder, 22 500 Kilometer. Insgesamt hat er schon mehr als 60 000 Kilometer auf drei Kontinenten heruntergerollt. Vergangenes Jahr sammelte Mayer auf einer Deutschland-Fahrt 25 000 Euro für krebskranke Kinder.

Mit 25 Kilo Gepäck unterwegs

In der Vespa-Szene scheint er bekannt wie ein bunter Hund zu sein. Über 100 000 Leute verfolgen über soziale Internetforen seine Reisebeschreibungen, hat Mayer registriert. Weil er auch selber gern zu Reiselektüre greift, fiel ihm die erste Vespa-Erdumrundung im Geist von Jules Vernes Roman auf. 1962 war das. Zwei Spanier hatten sich damals mit einem Gefährt auf den langen Weg gemacht. Seine Tour soll nun eine Gedächtnisfahrt werden – weshalb Madrid der Startpunkt ist.

Von dort geht es über den Balkan, die Türkei und Zentralasien ins russische Wladiwostok. Es folgt eine Flugetappe nach San Diego in Kalifornien. Nach der USA-Querung führt der Weg wiederum per Flugzeug zurück nach Europa. Weil ihm die Kosten für die Luftfracht für eine Vespa zu hoch waren, hat er auf der Route zwei weitere Maschinen stationiert.

10 000 Euro Reisebudget

10 000 Euro liegen für das Unterfangen auf der Seite. Wenig genug. „Aber damit komme ich durch“ meint Mayer. „Wie bei anderen Touren, wird irgendwo im Zelt übernachtet.“ Die entsprechende Ausrüstung muss die jeweilige Vespa tragen. 25 Kilogramm sollen es sein. „Minimalismus“, scherzt der Mann und blickt der Welttour relativ gelassen entgegen. Er weiß, dass ihn Leute unterwegs gerne als „Irren“ bezeichnen. Bisher seien seine Erfahrungen jedoch gut gewesen: „Tauchst du mit einer vollgepackten Vespa irgendwo auf, hast du normalerweise gleich Kontakt zu Leuten.“

Kommt Mayer erfolgreich zurück, wird er der erste Deutsche sein, der eine solche Tour bewältigt hat. Und was kommt danach? „Ich fahre mit dem alten Polizeibus auf das Grundstück eines Freundes an der Algarve. Dort schreibe ich ein Buch über die Weltumrundung“, lautet seine Antwort. Er kann sich auch Vorträge bei Vespa-Clubs vorstellen, oder das Herausbringen eines Vespa-Magazins. Seine Motto scheint zu lauten: Alles, nur kein normales Leben mehr. Im Zweifel bleibt der nächste Aufbruch. Mayer meint: „Mit der Vespa durch Südamerika spukt mir als nächste Idee schon durch den Kopf.“