StartseiteRegionalBaden-WürttembergZüge nicht rechtzeitig geliefert: Vorzeige-Bahn-Projekt im Südwesten gerät ins Schlittern

Südwesten

Züge nicht rechtzeitig geliefert: Vorzeige-Bahn-Projekt im Südwesten gerät ins Schlittern

Berlin / Lesedauer: 3 min

Ein hochgelobtes Bahnprojekt in Baden-Württemberg ist in Gefahr: Zwei Privatbetreiber sollen im Sommer drei Netze um Stuttgart übernehmen. Doch die bestellten Züge werden nicht rechtzeitig fertig.
Veröffentlicht:20.02.2019, 16:55

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Ein hochgelobtes Pilotprojekt Baden-Württembergs ist in Gefahr: Eigentlich sollten die privaten Bahnbetreiber Abellio Rail und Go-Ahead ab Juni die drei zentralen Stuttgarter Netze vom Ex-Monopolistenvom Monopolisten DB übernehmen. Doch es gibt massive Probleme. Der Hersteller Bombardier kann nicht genügend Züge für das Vorhaben liefern. Sauer darüber ist Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), der die Voraussetzungen für das Projekt geschaffen hatte. „Wir hatten im System viele Zeitpuffer eingebaut. Bombardier hat uns falsch informiert, denn sie meinten, liefern zu können. Das Ganze ist ärgerlich“, sagte Hermann am Mittwoch in Berlin.

Nur zehn von 16 zugesagten Regionalzügen kann der kanadische Hersteller bis zum Sommer auf die Strecke bringen. Der Grund für die Verzögerungen: Der Hersteller hat Probleme mit der komplexen Software der Züge. Das System, das bei den Talent-3-Bahnen eingesetzt werden soll, hat Mängel. Sie sind so massiv, dass das Eisenbahnbundesamt diese Züge nicht genehmigen konnte. Nun wird an einer Lösung gefeilt. Doch Bombardier, das weltweit nahezu 40 000 Mitarbeiter beschäftigt und deren Züge für Baden-Württemberg im brandenburgischen Hennigsdorf produziert werden, hat nicht viel Zeit. Bereits ab 9. Juni sollen die ersten Bahnen betrieben durch Abellio auf den Regionallinien von Stuttgart nach Heidelberg sowie von Stuttgart nach Bruchsal fahren. Insgesamt übernimmt die Tochter der niederländischen Staatsbahn sechs Regionallinien des Stuttgarter Netzes von der DB.

Bei der Opposition sorgt die Verspätung für heftige Kritik an Verkehrsminister Hermann. Der Minister steige zum „Master of Disaster der baden-württembergischen Verkehrspolitik auf“, teilte der Ulmer Landtagsabgeordnete Martin Rivoir mit, der für die SPD im Verkehrsausschuss sitzt. „So blauäugig darf ein Verkehrsminister beim besten Willen nicht agieren“, sagte Rivoir weiter – und warf dem Minister vor, Bombardier nicht „engmaschig“ genug kontrolliert zu haben – zumal, so Rivoir, „wenn allseits bekannt ist, dass Bombardier nicht immer ein zuverlässiger Partner ist.“ Die Landtagsfraktionen von SPD und FDP-DVP hätten eine Sondersitzung des Verkehrsausschusses beantragt, um dem Thema auf den Grund zu gehen.

Wie es jetzt weitergeht

So lange Bombardier noch nicht genügend Züge geliefert hat, wird der künftige Netzbetreiber Abellio die Bahnen der DB und der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG), deren Eigentümer die Stadt Karlsruhe ist, mitnutzen, sagte Verkehrsminister Hermann am Mittwoch. Rechtlich hat das Land keine Mittel gegen den Zughersteller: Baden-Württemberg hat einen Vertrag mit Abellio, nicht mit Bombardier. Ob die niederländische Bahn rechtliche Schritte einlegt, ist unklar. Wie das geht, hat die Deutsche Bahn gezeigt. Vor drei Jahren mussten die Kanadier einen zweistelligen Millionen-Betrag an die Bahn zahlen, weil sie Züge nicht pünktlich liefern konnten.