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Wenn Kinder vor Gericht Beistand brauchen

Stuttgart / Lesedauer: 3 min

Justizminister Wolf will Regeln für Menschen, die Kindern in Prozessen beistehen
Veröffentlicht:13.11.2018, 19:47

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Sie stehen Kindern in schweren Zeiten bei: Wenn Eltern ums Sorgerecht streiten oder das Jugendamt fordert, Kinder aus der Familie zu holen. In solchen Situationen haben junge Menschen das Recht auf einen Beistand vor Gericht. Doch diesen Job kann jeder machen, eine Qualifikation müssen die Verfahrensbeistände nicht vorweisen. Das soll sich ändern, fordert Justizminister Guido Wolf ( CDU ).

Jura und Psychologie

In vielen Verfahren steht Minderjährigen ein Beistand zu. Er vertritt die Interessen des Kindes. Lotti Staiger aus Ulm macht das seit mehr als zehn Jahren. Sie besucht Eltern und Kinder, redet mit Lehrern oder Erziehern. „Viele Eltern sind sehr verstrickt in die eigene Version davon, was gut und richtig ist. Ich höre immer zwei Darstellungen – sei es von den jeweiligen Elternteilen, sei es von den Eltern einerseits und dem Jugendamt andererseits“, berichtet sie. Die Juristin hat sich fortgebildet, um Kenntnisse in Entwicklungspsychologie und Pädagogik zu erwerben.

Das sei dringend notwendig, meint Professorin Christine Köckeritz von der Fachhochschule Esslingen. Sie hat Lehrgänge für Verfahrensbeistände organisiert. „Man muss sich in die Kinder hineinversetzen und zum Beispiel erkennen, wann sie etwas nur sagen, weil Eltern es erwarten“, nennt sie nur eine der entscheidenden Kompetenzen. Doch Fortbildungen sind keine Pflicht. Bislang kann sich jeder als Verfahrensbeistand bei einem Amtsgericht bewerben. Familienrichter wählen Beistände für ihre Verfahren selbst aus. Die meisten Verfahrensbeistände sind Juristen oder Sozialpädagogen, es gibt auch Psychologen. Einige haben Zusatzausbildungen absolviert, doch die sind freiwillig.

Entscheidungsgrundlage für das Urteil

Dabei spielen die Beistände eine wichtige Rolle und haben weitgehende Kompetenzen. Ihre Einschätzung ist eine der Grundlagen dafür, wie die Richter entscheiden. „Die Beistände sind für uns sehr wichtig. Sie treffen die Kinder, Jugendämtern fehlen dazu oft die Ressourcen. Die Beistände müssen nicht mit den Eltern kooperieren wie die Jugendämter, sondern vertreten allein die Interessen des Kindes“, sagt Birgit Gensel, seit 20 Jahren Familienrichterin. Sie hält es für sinnvoll, Qualifikationen vorzuschreiben – etwa, damit Nichtjuristen genau wissen, was sie als Verfahrensbeistand dürfen und was nicht.

Das dramatische Beispiel von Staufen

„Wir fordern seit Jahren, dass nicht jeder Beistand werden kann. Leider braucht es erst solche Fälle wie in Staufen, damit sich etwas tut“, sagt Expertin Köckeritz. Im Missbrauchsfall von Staufen zog das Familiengericht keinen Verfahrensbeistand hinzu. In dem Ort bei Freiburg missbrauchten Mutter und deren Lebensgefährte einen Jungen jahrelang.

Das Jugendamt scheiterte vor dem Familiengericht mit dem Ansinnen, den Jungen anderweitig unterzubringen. Er wurde weder gehört noch bekam er einen Beistand. Eigentlich darf ein Gericht nur in Ausnahmefällen so verfahren. Grundsätzliche Konsequenzen aus Staufen erarbeitet eine Arbeitsgruppe der Landesregierung. Justizminister Wolf will schon jetzt mehr Regeln für Verfahrensbeistände. Dafür braucht es eine Gesetzesänderung im Bund. Daher bringt Wolf bei der Justizministerkonferenz am Donnerstag einen entsprechenden Vorschlag ein.

Kritik vom Richterbund

„Ziel ist es, die wichtige Rolle des Verfahrensbeistands weiter zu stärken“, so Wolf. „Wer eine solch wichtige Aufgabe übernimmt, sollte dafür auch eine entsprechende Qualifikation mitbringen müssen.“ Konkret will Wolf ein erstes juristisches Staatsexamen oder einen Bachelor in Sozialwissenschaften zur Pflicht machen. Außerdem sollten Verfahrensbeistände über geeignete Zusatzqualifikationen verfügen, um sie in den ihnen fachfremdem Gebieten fit zu machen. Die Beistände müssten künftig auch ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.

Skepsis erntet Wolf beim Deutschen Richterbund. Dessen Vize Joachim Lüblinghoff warnt davor, zu hohe Hürden aufzubauen. „Wir brauchen Menschen, die einen guten Draht zum Kind haben, keine Sachverständigen, die gibt es ja ohnehin in solchen Verfahren“, so Lüblinghoff. Außerdem zeigten Auswertungen, dass es kaum Probleme mit unqualifizierten Beiständen gebe.