StartseiteRegionalBaden-WürttembergTerrorverfahren fordern Richter

Terrorverfahren

Terrorverfahren fordern Richter

Stuttgart / Lesedauer: 3 min

Das Fazit des Oberlandesgerichts Stuttgart: Die Zahl der neuen Verfahren bleibt konstant hoch, die Fälle werden komplexer und immer weniger Menschen sind bereit, Urteile zu akzeptieren.
Veröffentlicht:01.03.2018, 21:33

Von:
Artikel teilen:

Wer in Württemberg mit einem Urteil von Amts- oder Landgericht unzufrieden ist, landet bei ihnen: den 110 Richtern am Oberlandesgericht Stuttgart ( OLG ). Am Donnerstag hat dessen Präsidentin Cornelia Horz auf das vergangene Jahr zurückgeblickt. Ihr Fazit: Die Zahl der neuen Verfahren bleibt konstant hoch, die Fälle werden komplexer und immer weniger Menschen sind bereit, Urteile zu akzeptieren.

Zahlen und Daten: 2017 landeten knapp 3660 Zivilsachen beim OLG. Das sind vor allem Prozesse, bei denen Bürger untereinander oder mit Behörden streiten. Die Zahl sank im Vergleich zu 2016 leicht um 3,4 Prozent. Die Familienrichter mussten 2630 Fälle bearbeiten, das waren 3,8 Prozent weniger als 2016. Die Zahl der Strafsachen nahm deutlich zu, und zwar um 17,6 Prozent. Grund sind vor allem zwei Bereiche – der Staatsschutz und die Haftprüfungen.

Staatsschutz: Dabei geht es um Fälle, in denen Menschen zum Beispiel wegen terroristischer Umtriebe oder Volksverhetzung vor Gericht stehen. In der Regel ermittelt in ganz Deutschland der Generalbundesanwalt. Doch gerade die Fälle mit Bezug zu Terrororganisationen im Ausland haben stark zugenommen. Deswegen gibt der GBA Fälle an die Staatsanwälte der Länder zurück. Zum einen steigt die Zahl der Prozesse. 2017 gab es beim OLG 15 Urteile, ein weiteres Verfahren läuft noch, weitere werden erwartet. Die Verfahren sind extrem aufwendig. Stark gestiegen ist aber vor allem die Zahl der Anträge, in denen ein OLG-Richter Ermittlungsschritte in Verfahren genehmigen musste – etwa, ob Behörden eine Wohnung durchsuchen dürfen oder die Handyverbindungen abhören. Waren es 2015 rund 20 Anträge, stieg die Zahl 2017 auf 306. Konnte die wenigen Entscheidungen früher ein Richter zusätzlich zu seinen sonstigen Amtsgeschäften fällen, hat das OLG dafür nun eigene Stellenanteile vorgesehen.

Haftprüfungen: Wer im Verdacht steht, ein schweres Verbrechen begangen zu haben, kommt in Untersuchungshaft. Doch das Gesetz begrenzt die Zeit, in der Menschen ohne Urteil festgehalten werden dürfen. Nur sechs Monate sollten das im Regelfall sein. Spätestens dann muss ein Urteil fallen. Immer häufiger reicht das nicht aus. Zum einen, weil die Ermittlungen langwierig sind. Das liegt zum Beispiel daran, dass die Polizei große Datenmengen und tagelange Chatprotokolle von Handys auswerten muss. Zum anderen sind viele Gerichte überlastet. Damit die Verdächtigen länger als sechs Monate in Untersuchungshaft bleiben können, muss das OLG das genehmigen. Diese Fälle haben 2017 um 40 Prozent auf 188 zugenommen.

Schnelle Richter: Im Bundesvergleich arbeitet das OLG zügig. Es erledigte Zivilsachen 2016 in einem halben Jahr und damit drei Monate schneller als im deutschen Durchschnitt, bei Familiensachen waren es drei Monate statt über 4,5.

Spezialfälle: Gesetze und Rechtsfragen werden immer komplexer. Deswegen hat das OLG bereits Senate, die sich mit bestimmten Feldern beschäftigen, etwa dem Landwirtschaftsrecht. 2017 neu dazugekommen sind nun Experten für das Thema Baurecht. „Wir tragen damit unter anderem der Tatsache Rechnung, dass auch Anwälte sich zunehmend auf Gebiete spezialisieren“, so Horz . Kanzleien leisten sich viele Experten in einem Gebiet, während Richter oft mehrere Felder überblicken müssen.

Familienrecht: „Wir werden zunehmend mit Kleinigkeiten befasst“, sagte Eberhard Stößer, Vorsitzender Richter des Familiensenats. Der Streit ums Sorgerecht oder andere sensible Fragen seien schon immer emotional geführt worden. „Aber es wird zunehmend weniger akzeptiert, was Richter an Amtsgerichten entscheiden – trotz vernünftiger Gründe und sauberer Verfahren“, so Eberhard Stößer. In vielen Rechtsgebieten gelten Bagatellgrenzen. Wenn etwa eine Summe, um die gestritten wird, zu niedrig ist, können Prozessparteien nicht in die nächste Instanz ziehen. Das gibt es im Familienrecht selten.