StartseiteRegionalBaden-WürttembergTarifstreit beim Diakonischen Werk

Tarifstreit

Tarifstreit beim Diakonischen Werk

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Nutzt die Evangelische Landeskirche das Arbeitsrecht zu ihren Gunsten aus?
Veröffentlicht:21.05.2018, 19:30

Von:
Artikel teilen:

Nutzt die Evangelische Landeskirche Sonderregelungen aus, um ihre Angestellten zu benachteiligen? Das behaupten Mitarbeiter des Diakonisches Werkes Württemberg ( DW ) und Gewerkschaften. Die Mitarbeiter werfen ihren Chefs vor, das geltende Arbeitsrecht wieder einmal zu ihren Gunsten auszunutzen. Unterstützung erhalten die 40 000 DW-Mitarbeiter von Martin Gross, dem Landeschef der Gewerkschaft Verdi: „Gleichberechtigte Verhandlungen und die Durchsetzung angemessener Arbeitsbedingungen sind unter den geltenden Bedingungen nicht möglich.“ DW und Landeskirche widersprechen vehement.

Für Beschäftigte der Kirchen, zu denen auch die DW-Angestellten zählen, gelten Sonderregelungen. Sie arbeiten vor allem in Alten- und Pflegeheimen und anderen sozialen Einrichtungen. Ein wesentlicher Unterschied zur freien Wirtschaft: Mitarbeiter dürfen nicht streiken. Stattdessen müssen Konflikte im Einver- nehmen in der arbeitsrechtlichen Kommission gelöst werden. Mitarbeiter haben darin ebensoviele Sitze wie die Arbeitgeber. Grund für diese Ausnahmen: Die Kirchen reklamieren für sich und ihre Mitarbeiter ein besonderes Arbeitsverhältnis. Der Dienst im Auftrag Gottes schweiße zusammen und soll nicht unter Lohnstreitigkeiten leiden.

Doch seit Jahren kämpfen die Gewerkschaft Verdi und die Mitarbeitervertretungen (AGMAV) im DW gegen den Sonderstatus. Aus ihrer Sicht benachteiligt er die Angestellten. Ein aktueller Fall hat die Kritik nun erneut hochkochen lassen. Es geht um die Neue Wege Gmbh, eine Einrichtung der Jugendhilfe, die Teil der Evangelischen Gesellschaft (EVA) ist. Sie betreibt 150 soziale Einrichtungen und gehört dem Diakonischen Werk an.

Bei der „Neue Wege“ gab es Diskussionen um den geltendem Tarif. Nachdem sich Arbeitgeber und Beschäftige nicht einigen konnten, riefen sie den Schlichtungsausschuss an. Dessen Spruch ist nach geltendem kirchlichen Arbeitsrecht bindend. Doch statt den Spruch zu akzeptieren, zog die EVA vor ein kircheninternes Gericht. Das ist aber für solche Fälle eigentlich nicht zuständig.

Aus Sicht von Verdi-Chef Gross ist der Fall ein weiterer Beleg dafür, dass der „Dritte Weg“ ungerecht ist. Schließlich ignorierten die Arbeitgeber einfach eine Entscheidung, die nach den selbst aufgestellten Regeln verbindlich sein müsste. „Die Arbeitgeber wollen nicht nur alle Vorteile des ,Dritten Wegs’. Wenn es mal nicht so läuft, wie man sich das vorstellt, versucht man halt, den ,Dritten Weg’ passend zu machen“, moniert Gross. So sieht das auch Uli Maier, Chef AGMAV im DW: „So greifen Landeskirche und Diakonisches Werk die unabhängigen Schlichter an.“ Das Vorgehen habe Methode. DW-Einrichtungen hätten bereits in der Vergangenheit Entscheidungen der Schlichter einfach nicht umgesetzt. Aus Sicht von Verdi und AGMAV nutzen die Arbeitgeber ihre Macht aus. Mitarbeiter hätten keine Chance, sich zu wehren. Denn anders als im weltlichen Arbeitsrecht müssen Arbeitgeber keine Zwangsgelder zahlen, wenn sie Schlichtersprüche nicht umsetzen.

Uwe Rzadkowski , Justitiar des DW, wehrt sich gegen diese Vorwürfe. Die betroffene Einrichtung habe nur 18 Mitarbeiter und sei keineswegs ein Präzedenzfall. „Verdi nutzt das einfach aus, um ihre eigene Agenda zu verfolgen“, glaubt Rzadkowski. Er verweist auf Erfolge des Modells: „Dank des ,Dritten Weges’ haben Diakonie und Caritas eine der höchsten Tarifbindungen überhaupt im Wohlfahrtssektor.“

Dan Peter, Sprecher der Evangelischen Landeskirche Württemberg , stimmt ihm zu. „Es handelt sich hier um einen Einzelfall. Wir sind ebenso wie das Diakonische Werk davon überzeugt, dass der ,Dritte Weg’ sowohl für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als auch für die Art und Weise unserer Arbeit der beste ist.“

2016 hatten Verdi und AGMAV mit ihren Protesten bereits Erfolg. Auch unter deren Druck beschlossen die Verantwortlichen, für alle Einrichtungen der evangelischen Kirche in Württemberg einen eigenen Tarif anzuwenden. Einige Organisationen unter dem Kirchendach wollten eigentlich ein anderes Regelwerk nutzen. Es gilt vor allem in anderen Bundesländern. Es erlaubt zum Beispiel, Mitarbeiter Jahressonderzahlungen ohne Verhandlung zu kürzen.

Dennoch fordert Verdi-Landes-chef Gross: „Das alles zeigt: Der Dritte Weg ist eine Einbahnstraße und eine Sackgasse. Er führt in erster Linie dazu, den diakonischen Arbeitgebern einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Einrichtungen zu verschaffen.“ Seine Forderung: Die Kirche soll sich von ihrem Sonderweg verabschieden und den Tarif für den öffentlichen Dienst (TVöD) mit allen Rechten und Pflichten einführen.