StartseiteRegionalBaden-WürttembergStrobl will Kampf gegen Sexualstraftäter zum Schwerpunkt machen

Sexualstraftat

Strobl will Kampf gegen Sexualstraftäter zum Schwerpunkt machen

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Innenminister macht Kampf gegen Delikte zum Schwerpunkt – Kritik von der Opposition
Veröffentlicht:14.11.2018, 19:52

Artikel teilen:

Nach der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung in Freiburg hat der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) Maßnahmen für mehr Sicherheit im Südwesten angekündigt. Sexualstraftaten würden zum „kriminalpolitischen Handlungsschwerpunkt“ des Jahres 2019, kündigte Strobl nach einer Sitzung des Innenausschusses in Stuttgart am Mittwoch an. Die Kriminalpolizei werde sich damit verstärkt auf Sexualstraftaten konzentrieren. Dass eine solche Konzentration erfolgreich sein kann, habe man im Kampf gegen Wohnungseinbrüche unter Beweis gestellt. Die Zahl der Einbrüche sei signifikant zurückgegangen.

Die Aufklärungsquote bei Sexualdelikten liege bereits bei 80 Prozent, sagte Strobl. Es gehe bei dem neuen Schwerpunkt um eine stärkere Eindämmung der Straftaten, aber auch um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Landeskriminaldirektor Klaus Ziwey sprach von einem Anstieg der Sexualdelikte im Land von 13 bis 15 Prozent in den vergangenen Monaten. Ziwey sprach von 6000 Sexualdelikten, davon 1000 schwere wie etwa Vergewaltigung. Dazu gebe es ein immenses Dunkelfeld, sagte Strobl.

Strobl in der Kritik

In Freiburg soll Mitte Oktober eine 18 Jahre alte Studentin nach einem Disco-Besuch von mehreren Männern vergewaltigt worden sein. Acht Verdächtige sitzen in U-Haft – sieben Syrer im Alter von 19 Jahren bis 29 Jahren und ein 25 Jahre alter Deutscher. Der Innenminister steht in der Kritik, weil ein Haftbefehl gegen den aktenkundigen Haupttäter nicht vollstreckt wurde. Der Mann habe seit seiner Einreise 2014 29 Delikte begangen, sagte Ziwey. Strobl informierte den Innenausschusses über den Fall und die Konsequenzen.

Bäume und Gebüsch im Industriegebiet Nord hinter dem Diskothekenareal, wo sich der Vorfall ereignet hat. Foto: Patrick Seeger

Die Tat in Freiburg habe viele Menschen erschüttert, sagte Strobl im Anschluss. Nach bisherigen Untersuchungen gebe es aber bislang keine Erkenntnisse, dass die Polizei in Freiburg Fehler gemacht habe. Der Aufenthaltsort des mutmaßlichen Haupttäters sei nicht gesichert gewesen, als der Haftbefehl erging. Außerdem galt es laut Strobl, neben dem Haftbefehl zeitgleich zwei Durchsuchungen wegen eines Rauschgiftverfahrens gegen den Mann zu vollstrecken. Das habe die Polizei vor dem Zugriff erst koordinieren und organisieren müssen. Strobl lobte die Arbeit der Ermittler und die rasche Festnahme der acht Verdächtigen.

Es gebe nicht einmal einen Anfangsverdacht für Pannen oder Vertuschungen, sagte der Innenminister. Trotzdem wolle man sich nicht zurücklehnen. Im ganzen Land würden nun Sicherheitskonferenzen mit den Kommunen zur Prävention veranstaltet – die erste noch diesen Monat in Freiburg. Strobl kündigte an, einen landesweit einheitlichen Ablauf für die Zustellung offener Haftbefehle zu schaffen und dafür Kontrollinstanzen einzurichten. In jedem Polizeipräsidium soll es künftig eine zentrale Stelle geben, wo die Haftbefehle eingingen. Im Land sind knapp 20 000 Haftbefehle offen.

Ermittlungen gegen Intensivtäter würden künftig noch besser gebündelt, sagte Strobl. Mehrfachtäter brauchten ein Stoppsignal, dass auch wirke. Den Sonderstab „Gefährliche Ausländer“ im Innenministerium soll außerdem auf alle Regierungspräsidien ausgeweitet werden.

Aus der Opposition musste sich Strobl trotz seiner Erklärungen im Ausschuss Kritik anhören. Er sehe nicht, wie die neuen Maßnahmen die Arbeit der Polizei im konkreten Fall in Freiburg verbessert hätten, kritisierte Sascha Binder, Innenexperte der SPD. Der AfD-Innenexperte Lars Patrick Berg bemängelte die vielen Absichtserklärungen Strobls und ein „Herumwerkeln an Symptomen“. Er forderte eine konsequentere Abschiebung krimineller Asylsuchender.

Der FDP-Innenexperte und ehemalige Justizminister Ulrich Goll bezeichnete die Außendarstellung des Ministeriums als „mehr als problematisch“. Wenn das Verbrechen in Freiburg trotz Beachtung aller Regeln der Polizei geschehen konnte, dann seien die Regeln eben falsch. Strobl zeige wenig Einsicht. Goll sagte, er habe weiterhin den Eindruck, der Minister sei überfordert.

Priorität für Intensivstraftäter

Die Grünen im Landtag forderten indes ein entschlosseneres Vorgehen von Polizei und Justiz gegen Intensivtäter. Die Bearbeitung solcher Fälle müsse höchste Priorität haben, heißt es in einem von der Fraktion einstimmig beschlossenen Zehn-Punkte-Papier. „Wir diskutieren ganz einfach unaufgeregt unterschiedliche Konzepte - aber das ist kein Koalitionsstreit“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Landtagsfraktion, Uli Sckerl. Die Grünen-Fraktion wolle „nicht mit aller Gewalt auf Distanz zum Innenminister gehen.“

CDU-Generalsekretär Manuel Hagel hatte das Grünen-Papier zuvor als „Effekthascherei“ kritisiert. Der Grünen-Innenexperte Sckerl sagte hingegen: „Wir sind der Meinung, dass Intensivstraftaten – auch im Bereich sexueller Gewalt – nicht nur ein Problem von Ausländern sind, sondern auch von Deutschen, von EU-Angehörigen.“ Der Sonderstab für gefährliche Ausländer im Innenministerium greife daher vielleicht zu kurz.