StartseiteRegionalBaden-WürttembergStrahlende Bootstour auf dem Neckar

Bootstour

Strahlende Bootstour auf dem Neckar

Baden-Württemberg / Lesedauer: 3 min

Der Konzern EnBW will zum ersten Mal in Deutschland Atommüll auf einem Fluss transportieren – Umweltschützer und betroffene Gemeinde protestieren
Veröffentlicht:20.06.2016, 18:23

Von:
Artikel teilen:

So geht Idylle: Der Neckar schlängelt sich durch Weinberge. Eine Wanderkarte verweist auf die Sehenswürdigkeiten rund um Neckarwestheim (Kreis Heilbronn). Postkartenmotive preisen Schloss Liebenstein, die Felsenkartenkellerei – und das Kernkraftwerk Neckar. Es schmiegt sich in eine Mulde direkt am Flussufer.

Die Vorzugslage will der Kraftwerksbetreiber EnBW nun nutzen. Voraussichtlich 2017 sollen 15 Castorbehälter mit Brennelementen aus dem Kernkraftwerk im 50 Flusskilometer entfernten Obrigheim (Neckar-Odenwald-Kreis) über den Fluss nach Neckarwestheim verschifft werden. Noch fehlen zwei Genehmigungen, doch EnBW ist im Gespräch mit den Behörden und zuversichtlich, das Okay zu bekommen. Es wäre der erste Castor-Transport in Deutschland auf einem Binnengewässer, teilte Jörg Michels, Leiter der EnBW Kernkraft GmbH (EnKK) am Montag bei einer Pressekonferenz im Neckarwestheimer Meiler mit. Umweltschützer halten den Wasserweg für nicht sicher genug und fordern, die Brennstäbe in Obrigheim zwischenzulagern. Auch die Gemeinde Neckarwestheim protestiert.

Das Kraftwerk in Obrigheim wurde 2005 abgeschaltet, seit 2008 wird es abgebaut. 342 Brennstäbe lagern dort. Ein Endlager für radioaktiven Müll gibt es derzeit in Deutschland nicht, seit Jahrzehnten wird nach einem geeigneten Standort gesucht. Eine Kommission mit Politikern und Vertretern von Wissenschaft und Zivilgesellschaft soll bis 2016 die Kriterien für die Suche aufstellen.

Während die Suche läuft, müssen Kraftwerksbetreiber Atommüll an den Reaktoren zwischenlagern. In Neckarwestheim gibt es ein solches Zwischenlager, in dem noch Platz für die 15 Castoren aus Obrigheim ist.

Fünf Touren sind notwendig

Aus Sicht der EnBW ist es daher sinnvoll, das Material in fünf je ein bis zwei Tage dauernden Transporten nach Neckarwestheim zu verschiffen. „Damit könnten wir Obrigheim Anfang der 2020er-Jahre aus dem Atomrecht entlassen“, sagt Michels. Sprich: Das Areal könnte wieder anderweitig genutzt werden – sollten keine Altlasten auftreten. Davon geht EnBW aus, verspricht einen Standort „zu einer sprichwörtlichen grünen Wiese“. Wie realistisch diese Zusage ist, werde sich weisen, wenn das Kraftwerk abgebaut sei, sagt Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende der Umweltschutzorganisation BUND in Baden-Württemberg. Da es keine bekannten Zwischenfälle in Obrigheim gab, müsse es theoretisch möglich sein, ein radioaktiv unbelastetes Gelände zu hinterlassen. Der BUND ist strikt gegen den Transport. „Ein Unfall trifft automatisch auf viele Kilometer Wasser und auf Tausende Menschen“, erklärt die BUND-Chefin. Es sei besser, die Brennstäbe in Obrigheim zu deponieren und so einen riskanten Transport zu sparen.

EnBW prüft den Transport der Brennelemente per Schubkahn seit 2013 als eine von drei Optionen. Weil beide Kernkraftwerke keinen Gleisanschluss haben, müsste beim Transport per Zug zweimal von Straße auf die Schiene umgelagert werden. Diese Option scheidet für EnBW damit ebenso aus wie der Transport auf der Straße: Dieser würde den öffentlichen Verkehr zu stark beeinträchtigen, heißt es.

Der Energiekonzern hält den Wasserweg für sicher. Der Schubkahn, den ein deutsches Spezialunternehmen stellt, sei unsinkbar und für alle Eventualitäten gerüstet, Es sei eigentlich nicht vorstellbar, dass ein Castor über Bord gehe. Aber selbst dann bestehe keine Gefahr, die 120-Tonnen-Behälter seien dem Wasserdruck gewachsen.

Die Argumente können Jochen Winkler (parteilos), Bürgermeister von Neckarwestheim, nicht beruhigen. Beim Bau des Kraftwerks habe man versprochen, keinen Atommüll zwischenzulagern. Dann sei 2008 das Zwischenlager gekommen, nun die neuen Pläne. „Mit fremdem Müll wollen wir nichts zu tun haben. Hier wächst die Angst, dass wir ein Endlager bekommen“, sagt Winkler. Bis zur Sommerpause will die Gemeinde entscheiden, ob sie rechtlich gegen Pläne der EnBW vorgeht.