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Steuerpanne: Landesamt zahlt 141 Millionen Euro Steuern zu wenig

Stuttgart / Lesedauer: 3 min

Das Land Baden-Württemberg hat zu wenig Lohnsteuer für Beamte und Angestellte gezahlt. Und auch sonst ging einiges schief.
Veröffentlicht:15.03.2018, 16:50

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Das Land Baden-Württemberg hat zu wenig Lohnsteuer für Beamte und Angestellte gezahlt. Zwischen 2000 und 2008 entrichtete das Landesamt für Besoldung ( LBV ) rund 141 Millionen Euro zu wenig an die Finanzämter. Das teilte Finanzminister Edith Sitzmann (Grüne) am Donnerstag mit. Darüber hinaus wurden weitere Fehler im LBV bekannt.

Auf die Spur der Fehler kam das Finanzministerium 2017. Das Land hatte begonnen, seine Vermögenswerte zu erheben – also beispielsweise Kunstwerke, Gebäude, Straßen.

Dabei stießen die Fachleute auf Unstimmigkeiten im Landesamt für Besoldung und forderten einen Prüfbericht an. Darin meldete die Behörde kurz vor Weihnachten 2017 das erste Versäumnis: Nach ihren Prüfungen hatte die dafür zuständige Abteilung etwa 90 Millionen Euro Lohnsteuer zu viel gezahlt. Die Beträge werden automatisch an das Finanzamt abgeführt. Mitarbeiter des LBV veranlassten wohl aus Versehen manuell, dass dieselbe Summe noch einmal floss.

Daraufhin leitete Finanzministerin Edith Sitzmann weitere Prüfungen ein. Fünf Fachleute nahmen das LBV unter die Lupe. Sie stießen auf zahlreiche Versäumnisse.

Verdacht der Untreue

So stellte sich heraus, dass sogar 95,7 Millionen Euro zu viel Steuern flossen. Davon konnte das Land mittlerweile etwa 40 Millionen Euro zurückfordern. Doch bei weiteren knapp 56 Millionen Euro ist fraglich, ob das gelingt. Juristisch ist der Anspruch darauf erloschen.

Besonders heikel: Als im LBV ein Personalwechsel anstand, wurden die Versäumnisse 2013 entdeckt. Doch statt den Fehler weiter zu melden und das zu viel gezahlte Geld zurückzufordern, geschah nichts. Deswegen hat das Finanzministerium den Fall der Staatsanwaltschaft übergeben. Diese entscheidet nun, ob sie gegen LBV-Mitarbeiter wegen Untreue ermitteln wird.

Doch damit nicht genug. In den Jahren 2006 und 2007 überwies das LBV zu wenig Lohnsteuern an die Finanzämter. Jeweils im Januar zahlte das Amt 20 Millionen Euro zu wenig aus. Die Prüfer rechnen damit, dass dies auch in den fünf Jahren davor geschah – weitere 100 Millionen Euro blieben zu Unrecht in den Landeskassen, die eigentlich dem Finanzamt gehören.

Die Lohnsteuer geht zunächst an den Bund, der sie wiederum verteilt – für Ausgaben in Bund, Ländern und Gemeinden. Damit hat das Land 140 Millionen Euro in seinen Etats, die ihm eigentlich nicht zustehen. Doch die Finanzämter können die Summe nicht zurückfordern, weil die Ansprüche verjährt sind. Gesetzlich kann das Land das Geld auch nachträglich nicht abgeben: Juristisch betrachtet würde es damit zum Nachteil Baden-Württembergs handeln. Das darf es aber nicht.

Das Finanzministerium will bis zu den Sommerferien die Überprüfung des LBV abschließen. „Wir werden auf dieser Basis organisatorisch alles Nötige in die Wege leite, um falsche Zahlungen für die Zukunft auszuschließen“, versprach Sitzmann. Nach ersten Erkenntnissen sei offenbar das vorgeschriebene Vier-Augen-Prinzip im LBV verletzt worden. Außerdem hätten die Fehler beim Jahresabschluss auffallen müssen. Derzeit deutet laut Finanzministerium nichts darauf hin, dass der Skandal Sitzmanns Amtsvorgängern bekannt war. Auch die Leitung des LBV habe wohl nichts gewusst.

Konsequenzen gefordert

Eine weitere brisante Frage betrifft die Finanzbehörden. Offenbar prüften diese das LBV 2008, 2012 und 2017. Dabei bemängelten die Kontrolleure stets, dass sie keinen vollständigen Zugriff auf die Daten des LBV bekamen – doch es geschah nichts. Dazu sagte der FDP-Abgeordnete Andreas Glück: „Es bleiben Fragen offen, etwa ob bei Außenprüfungen durch die Finanzämter nicht zu nachsichtig mit den offensichtlichen Organisationsfehlern im LBV umgegangen wurde.“ Mit Privatunternehmen werde wohl nicht so großzügig verfahren.

Ebenso wie die SPD lobte der Liberale die Aufklärungsarbeit des Ministeriums. Der SPD-Abgeordnete Peter Hofelich, von 2015 bis 2016 Staatssekretär im Finanzministerium, forderte zügige Konsequenzen: „Wir sind über das Stadium von Einzelfehlern hinaus und müssen davon ausgehen, dass es um systemische Fehler in einem wichtigen Amt unseres Landes geht.“