StartseiteRegionalBaden-WürttembergSo sollen in Baden-Württemberg mehr Ärzte aufs Land kommen

Hausärztemangel

So sollen in Baden-Württemberg mehr Ärzte aufs Land kommen

Stuttgart / Lesedauer: 4 min

Ob neues Versorgungsmodell funktionieren könnte, wird auch auf der Ostalb untersucht
Veröffentlicht:12.10.2018, 20:46

Von:
Artikel teilen:

„Der Hausärztemangel ist virulent und wird immer stärker“, sagt Steffen Jäger , Beigeordneter des Gemeindetags. „Im ländlichen Raum ist die Betroffenheit am größten.“ Deshalb hat der Gemeindetag zusammen mit dem Landeshausärzteverband und dem Genossenschaftsverband der Landesregierung einen Vorschlag gemacht: Warum nicht Versorgungszentren aufbauen, die genossenschaftlich betrieben werden? Eine Analyse soll in den kommenden Monaten klären, ob die Idee umgesetzt werden kann – unter anderem in Ellwangen und umliegenden Gemeinden.

Knapp 170 000 Euro stellt das Land bis August 2019 für die Analyse bereit. Das erklärten der für den ländlichen Raum zuständige Minister Peter Hauk ( CDU ) und Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) am Freitag nach einer Sitzung des Kabinettsausschusses Ländlicher Raum. Untersucht werden 21 Städte und Gemeinden – zum Teil einzeln, zum Teil als Verbund. Die meisten liegen im Süden des Landes, wo der Mangel wegen der Nähe zur Schweiz besonders groß ist. Der Verdienst von Medizinern ist im Nachbarland deutlich größer.

Untersucht wird aber auch ein Gebiet auf der Ostalb. Zu diesem gehören Ellwangen , Crailsheim, Ellenberg, Jagstzell, Wört, Stödtlen, Tannhausen, Stimpfach, Kreßberg und Fichtenau. „Wir freuen uns natürlich, dass wir da jetzt dabei sind“, sagt Anselm Grupp, Sprecher der Stadt Ellwangen. Seine Stadt sei noch nicht so massiv vom Ärztemangel betroffen wie etwa Tannhausen. „Es gibt bei uns kleinere Kommunen, die haben schon lange keinen Hausarzt mehr.“ Das weiß auch Rainer Isenmann, stellvertretender Vorsitzender der dortigen Kreisärzteschaft. „Ich begrüße alles, was Kollegen in die Region bringt.“

Geld reicht als Anreiz nicht

Seit Jahren fördert die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Mediziner, wenn sich diese in einer unterversorgten Region niederlassen. Auch das Land gibt Zuschüsse. Der Biberacher Arzt Frank Dieter Braun bezweifelt die Wirkung, spricht dabei von einem reinen Mitnahmeffekt. Wer sowieso in einer kleinen Gemeinde auf dem Land eine Praxis eröffnen wolle, freue sich über die zusätzlichen 30000 Euro vom Land. „Mit 30000 Euro zieht man da aber niemanden hin“, das habe er auch schon Minister Lucha gesagt, so Braun. Er rechnet vor, dass ein Hausarzt auf dem Land ohnehin gut verdient. Vor Steuern und Abgaben spricht er von 340000 Euro im Jahr.

Dass Praxen verwaisen, liege daran, dass Medizinern heute andere Faktoren wichtiger seien. „Die jungen Leute streben vornehmlich die Kooperation an, was ich verstehe“, sagt Braun. Sie wünschten sich, in Versorgungszentren mit Kollegen zusammenarbeiten zu können.

Jungärzte wollen angestellt sein

KV-Sprecher Kai Sonntag nennt einen weiteren wichtigen Grund: „Vor allem junge Ärztinnen wollen sich lieber anstellen lassen“ – unter anderem, um Familienplanung und Arbeit besser vereinbaren zu können. Junge Ärzte und Ärztinnen hätten heute aber insgesamt den Wunsch nach einer guten sogenannten Work-Life-Balance. Viele scheuten sich auch davor, mit der Gründung oder Übernahme einer Praxis eine so große Verantwortung zu übernehmen – und das gesamte wirtschaftliche Risiko zu tragen.

„Deshalb müssen wir mehr Praxismodelle finden als bisher“, sagt Sonntag. Schon heute gebe es Ärztezentren, die den Wünschen der Jungmediziner gerecht würden – auch auf dem Land. „Wir sind aber dankbar für jede Initiative.“ Auch ein Ärztehaus in genossenschaftlichem Rahmen sei denkbar.

Steffen Jäger vom Gemeindetag setzt große Erwartungen in das Genossenschaftsmodell. „Wir haben wirklich die Hoffnung, dass wir mit diesem Ansatz etwas gefunden haben, um die flächendeckende Ärzteversorgung halten zu können.“ Der ländliche Raum sei nicht nur für Tourismus und Landwirtschaft wichtig, sondern bestimme auch den wirtschaftlichen Erfolg des Landes mit. „Dafür muss die medizinische Versorgung flächendeckend stimmen“, sagt Jäger.

Ob das Modell funktionieren könnte, soll die Machbarkeitsstudie in den kommenden Monaten zeigen. Dabei geht es unter anderem um die Frage, wer die Genossenschaft gründet. „Das ist eine der zentralsten Fragen, die wir im Vorfeld intensiv diskutiert haben“, sagt Jäger. Die Gemeinden wollen diese Aufgabe nicht übernehmen. „Wir wollen die wirtschaftliche Verantwortung vermeiden“ – die Gemeinden müssten sich ohnehin um viele Bereiche der Daseinsvorsorge kümmern. Bürger dürften keine Genossenschafter werden, das verbiete das Sozialgesetzbuch.

Die Lösung: Ärzte sollen die Genossenschaften selbst gründen. Dabei komme jeder mit einer Zulassung der KV infrage. „Im Rahmen der Machbarkeitsanalyse wird man mit den niedergelassenen Ärzten in der Region sprechen und fragen, ob sie mitgründen würden“, so Jäger.