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Scientology: Neue Zentrale gegen die Krise

Baden-Württemberg / Lesedauer: 3 min

Mit Kampagnen und der Nähe zum Geld will die Organisation den Südwesten erobern
Veröffentlicht:22.06.2014, 16:04

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Geld zieht Scientologen an. Und so ist es kein Wunder, dass die selbsternannte Kirche besonders im wirtschaftlich starken Süden Deutschlands aktiv ist. Verfassungsschützer vermuten etwa die Hälfte der bundesweit geschätzten 4000 Mitglieder in Baden-Württemberg und Bayern.

Doch eines fehlt in Stuttgart oder München: eine repräsentative Zentrale wie in Hamburg oder Berlin, eine so genannte „Ideale Org“. Zumindest in Stuttgart scheint Scientology die nun gefunden zu haben – ganz nahe am großen Geld des bahnhofsnahen Bankenviertels. An der Heilbronner Straße 67 sollen nach Fertigstellung bis zu 150 Mitarbeiter im Zweischichtbetrieb arbeiten, um die Schlagkraft der Organisation zu unterstreichen. Bisher sitzt man in einem wenig repräsentativen Haus in Bad Cannstatt. Auch in Ulm plant Scientology einen Umzug.

Scientology schweigt auf Anfrage

„Eine Firma aus dem Ausland“ hat nach Angaben des Verfassungsschutzes für acht Millionen Euro eine Immobilie mit bis zu 6000 Quadratmetern Nutzfläche erworben. Es soll sich um die Adresse Heilbronner Straße 67 handeln, vis-à-vis zum gerade entstehenden Komplex aus Rieseneinkaufszentrum Milaneo und Luxuswohnturm Cloud No. 7.

Gerne würde man wissen, was Scientology selbst zu den Angaben zu sagen hat. Doch bei einem freundlichen Telefonat mit der „Schwäbischen Zeitung“ bittet Sprecher Hubert Kech zunächst um schriftliche Fragen, die er aber trotz Nachfrage und anderweitiger Ankündigung vier Tage lang unbeantwortet lässt.

Dabei ist Scientology derzeit alles andere als öffentlichkeitsscheu: Derzeit wirbt die Gruppe jeden Samstag in der Stuttgarter Fußgängerzone mit einem großen Bücherstand und kostenlosen „Stress- oder Persönlichkeitstests“ offensiv um mögliche Interessenten. Freundliche Gemeindemitglieder verteilen Handzettel mit der Anleitung zum Glücklichsein und Beratungen für Drogengefährdete. Auch die Gruppe „Sag Nein zu Drogen, sag Ja zum Leben“, unter anderem in Kirchheim unter Teck, wird Scientology zugerechnet.

Von wegen goldene Zeiten

Die Südwest-Offensive soll den drohenden Bedeutungsverlust stoppen, die Stuttgarter versprechen sogar den Beginn eines „Goldenen Zeitalters“. Davon ist Scientology aber gerade weit entfernt. Kritische Berichte in den Medien und im Internet setzen Scientology heftig zu. Neue Mitglieder sind da nur noch schwer zu werben.

Das bestätigt auch Helga Lerchenmüller von der Aktion Bildungsinformation (Abi) in Stuttgart . Abi kümmert sich um Verbraucherschutz bei Bildungsangelegenheiten - und kam so über die Seminarangebote von Scientology an den „Psychokonzern“, wie sie die Organisation nennen. Seit 1982 beschäftigt sich Lerchenmüller mit Scientology. „Die 80er und 90er waren richtig heiße Zeiten“, erinnert sie sich. Inzwischen verlege sich Organisation mehr und mehr auf eine anfangs eher verdeckte Ansprache wie bei Unternehmen. Ihr Rat an Mittelständler, die am externen Berater zweifeln: „Lassen Sie sich zusichern, dass nicht nach der L-Ron-Hubbard-Technologie gearbeitet wird.“

Mitglieder verlieren ihr Vermögen

Entwarnung wollen aber weder Lerchenmüller noch der Verfassungsschutz geben: Scientology strebe weiter eine totalitäre Ordnung an und habe dafür sehr viel Geld. Allein im Raum Stuttgart werden jährliche Millioneneinnahmen vermutet. Viele Mitglieder seien „wegen massiver Spendenkampagnen finanziell verausgabt“, schreibt der Verfassungsschutz. Die ruinierten Mitglieder können sich oft keinem anvertrauen, sagt Lerchenmüller – alle Freunde und Bekannten sind in der Regel Scientologen.