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Klassenfahrt

Schulen sollen mehr Landesgeld für Klassenfahrten bekommen

Ravensburg / Lesedauer: 6 min

Stuttgarter Landtag stimmt noch vor Weihnachten über Zuschüsse ab
Veröffentlicht:09.12.2018, 17:42

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Um auch in Zukunft die Finanzierung von Klassenfahrten zu gewährleisten, will das Land noch vor Weihnachten den Etat, der Schulen für außerunterrichtliche Veranstaltungen zur Verfügung steht, verdoppeln. Aus Sicht der Lehrer und Eltern in der Region ist das auch dringend nötig.

Wie schnell sich ein Urteil vom Bundesverwaltungsgericht auf das eigene Kind auswirken kann, das hat Andrea Bach (Name von der Redaktion geändert) aus Ravensburg in den vergangenen Wochen erfahren. Ihr Sohn besucht die zwölfte Klasse des Technischen Gymnasiums in Ravensburg. Mit seiner Klasse sollte es für ihn bald nach Paris auf Klassenfahrt gehen. Doch der Klassenlehrer hatte die Reise Mitte November plötzlich abgesagt. Der Grund: Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Oktober müssen die Länder künftig die Kosten für eine Klassenfahrt den Lehrern erstatten. „Die Schule hatte also plötzlich keine Budget für die geplante Reise“, erklärt Andrea Bach im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.

Der Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht verunsicherte nicht nur die Schulen in Ravensburg. Das Urteil hatte in den Ländern eine regelrechte Regulierungswelle ausgelöst. Baden-Württemberg sprach ein generelles Verbot aus: „Wir haben die Schulleitungen gebeten, vorerst keine Reisen mehr zu genehmigen, die nur dann finanziert werden können, wenn die Lehrkräfte auf eine Reisekostenvergütung ganz oder teilweise verzichten“, erklärt ein Sprecher des Kultusministeriums auf Nachfrage der „ Schwäbischen Zeitung “.

Streit um Fahrtkosten für Lehrer

Die Finanzierung von Klassenfahrten sind für Gewerkschaften und Verbände schon seit Jahren ein ärgerliches Thema gewesen. „Ein Schullandheimaufenthalt ist für den Lehrer kein Urlaub, sondern Arbeit, und zwar rund um die Uhr. Warum sollte er da auch noch die Fahrtkosten zur Jugendherberge selber tragen?“, erklärt der stellvertretende Landesvorsitzende Michael Gomolzig die Position des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg.

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ( GEW ) forderte seit Längerem, den Etat deutlich zu erhöhen. „Überall ist es selbstverständlich, dass Dienstreisen vom Arbeitgeber gezahlt werden“, sagt Doro Moritz, Landesvorsitzende der GEW. Nur Lehrer sollten bisher „in ihre eigene Tasche greifen“. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig habe endlich dazu geführt, „dass die Schulen hoffentlich bald mehr Geld für Klassenfahrten, Ausflüge und andere außerunterrichtliche Veranstaltungen zur Verfügung haben“, erläutert ein Sprecher der GEW.

Und so könnte es auch bald kommen. Grüne und CDU im Landtag wollen die Zuschüsse an Schulen für Klassenfahrten verdoppeln. Statt 3,45 Millionen Euro soll der Reisekosten-Etat im kommenden Jahr 7,32 Millionen umfassen. Denn ohne eine Erhöhung des Fördertopfs könnten Klassenfahrten nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stark eingeschränkt werden. Die beiden Regierungsfraktionen im Landtag haben sich bereits für eine Erhöhung ausgesprochen. Auch Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) unterstützt den Vorschlag der Kultusministerin. Am 12. Dezember will der Landtag über die Erhöhung der Gelder für Klassenfahrten entscheiden. „Mit der Verdoppelung des Budgets sehen wir die Landesregierung jetzt auf dem richtigen Weg“, sagt Michael Gomolzig vom VBE. Die bisherige Methode sei den Lehrern gegenüber nicht fair gewesen: „Das Kultusministerium spekulierte darauf, dass Lehrkräfte die Kosten aus dem eigenen Geldbeutel bestreiten. Das ist jedoch so, wie wenn ein Lokführer zunächst einmal selber eine Fahrkarte lösen müsste, bevor er seine Fahrgäste mit dem Zug von Stuttgart nach Ravensburg befördert.“

Wie viel Geld den einzelnen Schulen dann zur Verfügung stehen wird, ist unklar. Eine pauschale Zuteilung gibt es bei dem Etat nämlich nicht. „Die Mittel, die zur Verfügung stehen, werden zu Beginn eines Schuljahres nach einem festgelegten Schlüssel, der unter anderem pädagogische Faktoren und die Anzahl der Klassen berücksichtigt, auf die Regierungspräsidien aufgeteilt“, erklärt eine Sprecherin des Finanzministeriums Baden-Württemberg.

Unklare Finanzierung

Trotzdem: Schüler und Eltern fürchten, dass Klassenfahrten künftig wegen strengerer Auflagen und unklarer Finanzierung kaum noch stattfinden können. Am Technischen Gymnasium überwiegt jedoch der Optimismus. „Wir mussten die Pläne für die Klassenfahrten 2019 zwar erst einmal stoppen. Doch die Politik hat schnell reagiert und jetzt gibt es sehr wahrscheinlich das nötige Budget“, sagt der Schulleiter der Gewerblichen Schule in Ravensburg Bernd Vogt. Darüber wurden auch die Eltern bereits informiert, viele sind erleichtert. Auch Andrea Bach freut sich über die Wendung, die das Thema nun genommen hat. Die geplante Klassenfahrt ihres Sohnes nach Paris könne nun doch stattfinden. „Wie es im kommenden Schuljahr um die Klassenfahrten steht, ist aber noch offen“, sagt sie. Für ihren Sohn und alle anderen Schüler hofft sie deshalb darauf, dass der Etat nun planmäßig erhöht wird.

„Für eine zukünftige Regelung zur Erstattung von Reisekosten wartet das Kultusministerium aktuell die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts ab“, erklärt ein Sprecher des Finanzministeriums auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Sobald diese vorliegt, könnten mögliche Folgen des Urteils bewertet und eine Neuregelung getroffen werden.

Städtetrips besonders gefragt

Auslandsfahrten werden für Anbieter von Kinder- und Jugendreisen immer wichtiger. Besonders gefragt seien bei den Schülern nämlich Städtetrips etwa nach Rom, London oder Prag. Ebenfalls begehrt sind Plätze bei sportlichen Klassenfahrten wie Skicamps in den österreichischen Alpen oder Kanuwandern in der Provence. Auch wenn die Finanzierung solcher Reisen nie ganz einfach ist – der Trend geht hin zum Pauschalangebot, gern im Ausland und weg vom selbstorganisierten Aufenthalt in der Jugendherberge. „Die meisten Schulleitungen buchen heute Komplettangebote“, heißt es beim Bundesforum Kinder- und Jugendreisen. Fahrten ins Schullandheim mit Brotstullen und Hagebuttentee und Übernachtungen in Doppelstockbetten gibt es ebenfalls noch. Manche Lehrer bevorzugen sogar solche Angebote – weil sie preisgünstiger sind als etwa All-inclu-sive-Angebote in der Türkei und dennoch alles bieten, damit eine Klasse abseits von Schul- und Notenstress interessante und erholsame Tage verbringen kann. Einen eigenen Weg geht bei Schulfahrten das Saarland. Ein Erlass von 2016 sieht vor, dass zum Beispiel in den Klassenstufen drei bis sechs „Fahrten nur innerhalb des Saarlandes sowie dem grenznahen Bereich von Rheinland-Pfalz, Frankreich und Luxemburg zulässig“ sind. Der Grund: Die Landesregierung will vermeiden, dass ärmere Familien für aufwendige Reisen bezahlen müssen. Die Kosten sind gedeckelt: Pro Jahr werden von den Eltern höchstens 120 Euro pro Kind verlangt.