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Rems-Murr-Kreis startet Registrierung jüngster Flüchtlinge

Baden-Württemberg / Lesedauer: 3 min

Im Pilotprojekt des Landes werden fehlende Daten von jugendlichen Asylsuchenden nacherfasst
Veröffentlicht:29.03.2017, 22:30

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Der Iraner ist gerade mal elf Jahre alt, sagt er. Über die Türkei kam er vor einem Jahr ins Schwäbische. Allein. Ohne Papiere. Er lebt in einer Gastfamilie. Ein Stückchen weiter sitzt ein Jugendlicher aus Afghanistan. Gerade 16. Auch er kam allein nach Europa . Viel mehr wissen die Behörden bisher kaum über sie. Beide sind an diesem Mittwoch zur „erkennungsdienstlichen Erfassung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern“ ins Polizeipräsidium nach Waiblingen gekommen. Der Rems-Murr-Kreis will endlich wissen, wer da bei ihm lebt. Und wie er ihm helfen kann, hier anzukommen.

„Wir brauchen eine geklärte Identität“, sagt Landrat Richard Sigel . Nur dann könne die Frage geklärt werden, wer hier Schutz bekommen soll. Auch sei die lückenlose Registrierung aller Geflüchteten unerlässlich für ihre Integration. Und Datenlücken gibt es vor allem bei den Jüngsten.

Ein Flüchtling, den der Kreis zur Registrierung bat, sei gerade mal zehn Jahre alt, heißt es. 2015, als laut Landrat Sigel zeitweise täglich 200 minderjährige Flüchtlinge allein hier ankamen, habe ihr Schutz und ein Unterschlupf höchste Priorität gehabt – nicht die Fingerabdrücke, die Herkunft oder sonst was. „Das Jugendwohl stand im Vordergrund“, sagt Sigel.

„Es ist wie ein Arztbesuch: notwendig, aber nicht schlimm“, beschreibt Peter Hönle vom Führungsstab des Polizeipräsidiums Aalen das, was die 103 Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen am Mittwoch und Donnerstag in Waiblingen erwartet. Insgesamt leben im Kreisgebiet derzeit knapp 300 junge und allein nach Europa gekommene Flüchtlinge. Alle waren bei ihrer Einreise, meist im Jahr 2015, minderjährig. Heute sind ein Drittel 17 Jahre alt, mehr als 40Prozent über 18, jeder 50. aber noch unterzwölf. Der Kriminalfall Hussein K. hatte zuletzt die Diskussion um die ins Land gekommenen und nicht richtig registrierten Jugendlichen befeuert. Er war ebenfalls 2015 komplett ohne Papiere in Deutschland angekommen und hatte angegeben, 17 Jahre alt zu sein. Seine Erfassung, wie bei volljährigen Flüchtlingen üblich, blieb aus. Inzwischen steht Hussein K. in Freiburg unter Mordverdacht – er soll eine Studentin getötet haben. Zwei Altersgutachten kamen zu dem Schluss, dass er zur Tatzeit älter als 22 Jahre war.

Die Geschichten hinter den jungen Menschen seien extrem vielfältig, berichtet Andreas Stenger, Leiter der Kriminaltechnik beim Landeskriminalamt. Die Registrierung in Waiblingen solle eine Blaupause für das ganze Land sein. Innerhalb eines halben Jahres könnten dann alle jungen Flüchtlinge erfasst sein. Das sei eine Aufgabe aller Bundesländer, sogar ganz Europas. „In derart konzertierter Weise hat der Rems-Murr-Kreis aber sicher eine bundesweite Vorreiterrolle.“

Jedem Zehnten fehlen Papiere

Einem Abgleich der Fingerabdrücke in internationalen Datenbanken, mit dem Doppelregistrierungen ausgeschlossen werden, folgt eine Überprüfung der Papiere. Nicht mal jeder Zehnte hat irgendwelche Papiere dabei. Wenn es welche gibt, checkt Martin Fischer, der Urkundenexperte des LKA, sie unter dem Mikroskop und mit einem Dokumentenprüfgerät, wie man es vom Flughafen kennt.

Er klärt, welche Papiere als amtlich angesehen werden können. Dann werden weitere biometrische Daten zusammengestellt, ebenso wie die Abdrücke aller Finger. Bilder werden natürlich auch gemacht. Und wenn sich ein Flüchtling wehrt? „Wir gehen davon aus, dass alle unserer Einladung folgen“, sagt der Landrat.