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Rechtsextremismus-Verdacht gegen Chatgruppe — 17 Disziplinarverfahren

Göppingen / Lesedauer: 3 min

Die Entdeckung möglicher rechtsextremer Verfehlungen in der Polizei hört nicht auf, im Gegenteil. Dabei stellt sich aber auch die Frage von Fallstricken in der Mediennutzung.
Veröffentlicht:30.11.2020, 16:45

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Wegen rechtsextremer Bilder und Kennzeichen in einer Chatgruppe sind gegen 17 baden-württembergische Polizisten Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Auf einem sichergestellten Mobiltelefon seien die Ermittler auf die Chatgruppe gestoßen, in der auch Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen geteilt worden sein sollen, teilte das Polizeipräsidium Einsatz in Göppingen am Montag mit. Zehn beteiligte Beamte seien Angehörige der Bereitschaftspolizei in Bruchsal, die anderen sieben arbeiteten inzwischen bei den Polizeipräsidien in Karlsruhe, Mannheim und Pforzheim. In den vergangenen drei Jahren hat sich die Zahl der Verdachtsfälle von zwei im Jahr 2018 auf 48 in diesem Jahr (Stand: 30. November) erhöht.

Alleine der Verdacht solch abscheulicher Umtriebe ist hoch giftig für unsere Gesellschaft.

, SPD-Innenexperte im Landtag Sascha Binder

Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte: „In der Polizei Baden-Württemberg gilt eine klare Null-Toleranz-Strategie gegenüber jedem Gebrauch eines verfassungsfeindlichen Symbols, gegen jedes rassistisches Vergehen.“ Die Staatsanwaltschaft habe im aktuellen Fall teils gar keine strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingeleitet, teils diese bereits wieder eingestellt. Allerdings müssten alle 17 Beamten mit einem strengen Disziplinarverfahren rechnen.

Der SPD-Innenexperte im Landtag, Sascha Binder, sagte: „Alleine der Verdacht solch abscheulicher Umtriebe ist hoch giftig für unsere Gesellschaft. Diese 17 Polizeibeamten haben der gesamten Polizei einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zugefügt.“ Der Innenminister müsse darlegen, wie er für die Zukunft solche Fälle in der Polizei ausschließen will.

Der Landes-Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer , betonte, die Beamten im Südwesten stünden zum überwiegenden Teil auf dem Boden der freiheitlich, demokratischen Grundordnung. Wer dies erwiesenermaßen nicht tue, habe in der Polizei nichts verloren.

Im jüngsten Fall soll ein Beamter drei Bilder mit nationalsozialistischem Hintergrund geteilt haben.

„Ein weiterer Beamter veröffentlichte nach derzeitigem Stand in dieser Gruppe drei Bilder mit vermeintlich rassistischem Hintergrund“, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Göppingen, bei dem die Bereitschaftspolizei angeschlossen ist.

Die weiteren 15 Polizeibeamten der Chatgruppe hätten diese Bilder kritik- und kommentarlos hingenommen, hieß es. „Unabhängig von einer strafrechtlichen Bewertung durch die Staatsanwaltschaft werden alle Möglichkeiten des Disziplinar- und Dienstrechts durch die Dienststellen ausgeschöpft und ein Fehlverhalten konsequent geahndet“, teilte das Präsidium weiter mit.

Gewerkschafter Kusterer stellte das Phänomen in einen größeren Zusammenhang.

„Leider müssen wir feststellen, dass innerhalb der gesamten Gesellschaft der Umgang mit sozialen Medien in Schieflage gerät.“ Die Fülle geteilter Inhalte und der Empfang von Nachrichten habe für viele Menschen so stark zugenommen, dass die gebotene Sorgfalt im Umgang damit abnehme. Er empfahl bei der Bewertung solcher Vorfälle nach der Frage zu differenzieren, ob Nachrichten kommentiert, bewusst unkommentiert oder nicht zur Kenntnis genommen wurden. „Aus einem bloßen Erhalt von Meldungen darauf zu schließen, dass der Empfänger die vermeintliche Grundeinstellung des Senders teilt, halte ich für schwierig.“

In den vergangenen Jahren ist die Zahl rechtsextremer Verdachtsfälle in der Südwest-Polizei rapide angestiegen — von zwei 2018 auf sechs im vergangenen Jahr und bis Ende November 2020 bereits 48. Von diesen knapp 50 Fällen wurden in 7 Fällen Beamte rechtskräftig entlassen, in 10 Fällen hat sich der Verdacht gar nicht erst erhärtet. Die weiteren Verdachtsfälle sind nicht angeschlossen.